UeLEX – Vorstellung des Projekts
Das Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX ist ein frei zugängliches, kontinuierlich wachsendes interdisziplinäres Online-Referenzwerk, das seit 2015 existiert und seit 2022 in konzeptionell und technisch überarbeiteter Form zur Verfügung steht. Zur Vorgeschichte und Entstehung des Projekts siehe den 2015 publizierten Beitrag der Herausgeber Andreas F. Kelletat und Aleksey Tashinskiy Germersheimer Übersetzerlexikon, Einführung (2015).
Das Kernelement des Lexikons bilden Übersetzerporträts, wissenschaftlich fundierte Essays, in denen die Biographien und das übersetzerische Wirken von Personen kritisch gewürdigt werden, die seit den Tagen Luthers ins Deutsche übersetzt haben. Begleitet werden die Essays von ausführlichen übersetzerzentrierten Bibliographien. Die übersetzerische Tätigkeit kann dabei eine haupt- oder nebenberufliche gewesen sein oder auch „nur“ eine vorübergehende Beschäftigung, die besonderen Lebensumständen zu verdanken war (etwa dem Exil); sie kann sich auf alle möglichen Arten von literarischen und nicht-literarischen Texten erstreckt haben: Höhenkammdichtung und Unterhaltungsromane, wissenschaftliche Monographien und anonyme Beiträge für Tageszeitungen, Comics und Nachdichtungen altchinesischer Poesie. Auch die Wirkung des jeweiligen übersetzerischen Tuns kann sehr unterschiedlich gewesen sein: beim Stöbern im Lexikon wird man Übersetzern begegnen, die „für die Schublade“ übersetzt haben und solchen, denen der deutschsprachige Buchmarkt Bestseller und literarische Evergreens verdankte.
Ursprünglich ist UeLEX aus dem Gedanken entstanden, der Abwesenheit von Übersetzern in den meist national verengten, kanonisch fokussierten literaturgeschichtlichen Standarddarstellungen zu begegnen und so eine stärker interkulturelle Sicht auf die Geschichte der vielfach durch übersetzerische Vermittlung geprägten deutschen Literatur zu ermöglichen. Mittlerweile ist das Lexikon jedoch auch zu einem Instrument der Darstellung von Ergebnissen der Translationshistoriographie geworden – eines relativ jungen Forschungsfeldes, das erst im Begriff ist, sich zu konstituieren. UeLEX ist dezidiert „a-kanonisch“ angelegt. Die Herausgeber verfolgen bewusst den Ansatz, Raum zu schaffen auch für scheinbar unbedeutende übersetzerische Leistungen und vergessene Übersetzergestalten. Das Lexikon versteht sich als ein Ort, an dem heterogene bio-bibliographische Bausteine für die Literatur- und Kulturgeschichte des Übersetzens ins Deutsche gesammelt, dokumentiert und in vielfältig vernetzter Form präsentiert werden.
Technische Infrastruktur
2022 wurde das Lexikon strukturell und technisch im Rahmen des vom Deutschen Übersetzerfonds (DÜF) geförderten Projekts UeLEX Neustart (September 2021 – August 2022) erneuert und digital nachhaltiger gemacht. Die Grundlage dieses erneuerten UeLEX bilden das am Center für Digitale Systeme (CeDiS) an der Freien Universität Berlin entwickelte Open Encyclopedia System (OES), eine standardisierte Plattform zur Erstellung, Publikation und Pflege von wissenschaftlichen Online-Enzyklopädien in den Geistes- und Sozialwissenschaften, mit dessen Hilfe bereits verschiedene Online-Referenzwerke realisiert wurden. Die OES-Software basiert auf dem Open-Source Content-Management-System WordPress, übernimmt dessen Systemarchitektur mit der Unterscheidung in Publikations- und Redaktionsumgebung und ist als WordPress-Plugin mit zugehörigem Themes umgesetzt. Der OES-Quellcode steht zur akademischen Verwendung und Erweiterung durch Dritte unter einer GPLv2-Lizenz auf GitHub zur Verfügung.
Inhaltliche Struktur des Lexikons
Das Lexikon bietet biographische und bibliographische Informationen zu Übersetzern, die ins Deutsche gearbeitet haben. Der biographische Teil umfasst drei Arten von Einträgen: Porträts, die das Leben und Werk eines Übersetzers ausführlich vorstellen, kurze Biogramme sowie sog. Prosopogramme, die neben den Lebensdaten lediglich stichwortartig Angaben zum übersetzerischen Profil enthalten. Alle biographischen Einträge beinhalten vernetzte Angaben zu Lebensdaten, Arbeitssprachen, Berufen/Tätigkeiten und Wirkungsorten eines Übersetzers. Darüber hinaus ermöglicht ein kontinuierlich wachsendes System der Verschlagwortung eine noch weitergehende Vernetzung biographischer Datensätze. Diese sind, soweit vorhanden, mit entsprechenden GND-Einträgen der Deutschen Nationalbibliothek verknüpft.
Der bibliographische Teil besteht aus chronologisch geordneten kommentierten Bibliographien, die – je nach Fall in unterschiedlicher Tiefe – das translatorische Werk eines Übersetzers erschließen. Eine Übersetzerbibliographie kann folgende Kategorien beinhalten: (I) Übersetzungen in Buchform, (II) Übersetzungen in Periodika und Anthologien, (III) unveröffentlichte Übersetzungen (die etwa in Archiven befindliche Übersetzungsmanuskripte, aus denen keine Publikationen hervorgingen, oder nicht gedruckte Übersetzungen für die Bühne umfassen können), darüber hinaus (IV) Herausgeberschaften des vorgestellten Übersetzers, (V) seine Originalwerke und schließlich (VI) Hinweise auf die Sekundärliteratur, die sein Wirken und den kulturgeschichtlichen Kontext thematisiert.
Obwohl jede UeLEX-Bibliographie genauso wie ein Übersetzerporträt eine Forschungsleistung darstellt und daher als eigenständige Veröffentlichung ausgewiesen wird, stellen alle in der UeLEX-Datenbank enthaltenen bibliographischen Einträge eine vernetzte Datenmenge dar, die als Ganzes oder über ein System von Verlinkungen durchsucht werden kann. Die Vernetzung erfolgt über Sprachen, übersetzte Autoren sowie Übersetzer selbst, sofern diese kollaborativ bzw. kollektiv zu gemeinsamen Translaten beigetragen haben (hier ein Beispiel).
Vernetzte Geschichte
Alle Inhalte des Lexikons sind auf verschiedenen Ebenen miteinander vernetzt, was eine nutzergesteuerte, frei-explorative, multiperspektivische Beschäftigung mit der Geschichte des Übersetzens ermöglichen soll.
Über die Vernetzung im prosopographischen Teil hinaus können biographische Einträge als Hypertext miteinander verlinkt sein, so dass man von einem Porträt zu einem anderen „springen“ kann, sofern entsprechende Namen im Text oder in bibliographischen Kommentaren Erwähnung finden. Dadurch werden vor allem translatorisch relevante Netzwerke sichtbar gemacht.
Umfang der Daten und Ausblick
Das Lexikon wird kontinuierlich durch neue Essays, Biogramme, prosopographische Einträge sowie Bibliographien erweitert. Es ist noch weit davon entfernt, einen systematischen oder gar exhaustiven Einblick in die Lebensläufe und das Wirken translatorischer Akteure zu bieten, die die Geschichte des Übersetzens ins Deutsche geprägt haben. Für die nächste Zeit nimmt sich die Redaktion vor, vor allem den bibliographischen und den prosopographischen Bestand der Datenbank zu erweitern. Ausführliche Informationen zur Mitarbeit am Lexikon finden Sie hier.