Joachim Hellmut Freund, 1919–2004
Vorbemerkung der Redaktion
Zuvor erschienen in: Tashinskiy, Aleksey / Boguna, Julija / Rozmysłowicz, Tomasz: Translation und Exil (1933–1945) I: Namen und Orte. Recherchen zur Geschichte des Übersetzens. Berlin: Frank & Timme 2022, S. 413–415.
J. Hellmut Freund wurde am 12. September 1919 in Berlin geboren. Sein Vater Georg Freund war Redakteur der Deutschen Allgemeinen Zeitung, seine Mutter Julie, geborene Putzig, stammte aus Bad Freienwalde an der Oder. Er besuchte das Askanische Gymnasium und war neben Marcel Reich-Ranicki der letzte jüdische Schüler, der 1938 noch das Abitur an einem städtischen Berliner Gymnasium ablegen konnte. Er hätte gern Germanistik studiert und wollte entweder Lehrer oder Journalist werden, obwohl er sich auch sehr für Fotografie und Musik interessierte (Freund 2005: 167). Der Vorgesetzte seines Vaters hatte Beziehungen zum uruguayischen Gesandten, und so emigrierte die Familie 1939 mitsamt den Großeltern Putzig und Hellmuts Onkel Hermann Putzig von Hamburg aus auf dem Semi-Cargo-Schiff Kergeulen über Le Havre, Lissabon, Rio de Janeiro und Santos nach Montevideo.
Dort übernahm sein Vater die Redaktion des Wochenblatts der deutschsprachigen jüdischen Gemeinde, für das Hellmut Theaterkritiken schrieb. Da die deutsche Schule von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet worden war und viele Uruguayer ihre Kinder daher abgemeldet hatten, ergab sich für ihn die Gelegenheit, als Hauslehrer Deutschunterricht zu erteilen. Dadurch schloss er viele Freundschaften, unter anderem mit dem Architekten Antonio Cravotto und dem Politiker Luis Batlle Berres. In dessen Radio Ariél arbeitete er mit, seit er den berühmten Dirigenten Fritz Busch interviewt hatte und dessen Bekenntnis gegen den Nationalsozialismus veröffentlichen konnte. Für die tägliche Sendung Voz del Día verfasste und sprach Hellmut Freund kulturelle Berichte. Eine Zeit lang beschäftigte Busch ihn als Privatsekretär während seines Aufenthalts am Teatro Colón in Buenos Aires. Mit dem Lufthansa-Erstflug aus Montevideo kehrte Freund als Journalist 1957 erstmals nach Deutschland zurück. Er konnte verhindern, dass der Nationalsozialist Hans Globke, wie ursprünglich vorgesehen, unter den Ehrengästen der Maschine war. 1960 kam er endgültig nach Deutschland zurück, nachdem ihn Gottfried Berman Fischer als Lektor für seinen Verlag angeworben hatte. Er starb am 29. Februar 2004 in Frankfurt und wurde dort auf dem Neuen Jüdischen Friedhof beigesetzt.
Translatorisches
Schon als Jugendlicher habe er beim Lesen immer auf Verfasser und Übersetzer geachtet, schreibt er in seiner Autobiografie Vor dem Zitronenbaum. Autobiographische Abschweifungen eines Zurückgekehrten (2005: 24). Aus Berlin rührte die Freundschaft mit der nach England emigrierten Familie Hamburger: Dem Sohn Michael, der in und aus zwei Sprachen übersetzte, begegnete er im Verlag später wieder (ebd.: 74). Für die Dichterin, Verlegerin und Herausgeberin der Zeitschrift Entregas de la Licorne Susana Soca, die länger in Paris gelebt hatte, empfahl und übersetzte er deutsche Beiträge, die zum Teil der Neuen Rundschau des Verlags S. Fischer entstammten, für den Freund nach seiner Rückkehr nach Deutschland den Rest seines Lebens als Lektor tätig sein und unter anderem die Ausgabe der Tagebücher Thomas Manns betreuen sollte. Nachdem Freund 1954 auf einer Tagung der UNESCO Dolf Sternberger kennengelernt hatte, steuerte dieser einen Essay für Susana Socas Zeitschrift bei. Für La Licorne übersetzte Freund außerdem Die Wege und die Begegnungen von Hugo von Hofmannsthal, Plato, das Mittelmeer und das optische Mysterium von Rudolf Pannwitz, ein Fragment von Thomas Mann sowie Kapitel über Caroline aus dem Schelling-Buch von Karl Jaspers (ebd.: 371f.).