Klaus Lambrecht, 1912 – ?
Vorbemerkung der Redaktion
Erweiterte Fassung eines Biogramms, das im Rahmen des DFG-geförderten D-A-CH-Projekts Exil:Trans (2019–2022) entstand und zuerst erschienen ist in: Tashinskiy, Aleksey / Boguna, Julija / Rozmysłowicz, Tomasz: Translation und Exil (1933–1945) I: Namen und Orte. Recherchen zur Geschichte des Übersetzens. Berlin: Frank & Timme 2022, S. 54-56.
Von Klaus Lambrecht (1912–?) wurden zwischen 1938 und 1941 seine Übersetzungen von etwa zehn englischsprachigen Werken herausgegeben (Gesamtumfang ca. 4000 Druckseiten) – von der Büchergilde Gutenberg und Simon Menzels Humanitas-Verlag. Es handelte sich meist um soeben in den USA bzw. in England erschienene und erfolgreich vermarktete Romane u.a. von Sinclair Lewis, John Dos Passos und John Steinbeck. Einzelne seiner Übersetzungen, insbesondere Steinbecks Früchte des Zorns wurden immer wieder neu aufgelegt. Seine 1941 bei Humanitas unter dem Titel Sohn dieses Landes erschienene Übersetzung des damals in den USA mit sehr großem Erfolg („Book of the Month“) veröffentlichten Romans Native Son von Richard Wright wurde 2019 im Kein & Aber Verlag (Zürich, Berlin) neu herausgegeben – mit der Angabe „Aus dem Amerikanischen von Klaus Lambrecht, ergänzt und überarbeitet von Yamin von Rauch“. Vermarktet wird das Buch als nunmehr in vollständiger deutscher Übersetzung vorliegender „erster Bestseller eines afroamerikanischen Autors“. Dass Lambrechts Übersetzung von 1941 in Exilkreisen beachtet wurde, belegt Manfred Vogels im Juni 1942 in der Zeitschrift Orient (Haifa) veröffentlichte Rezension, in der es u.a. heißt:
Dieses Buch von 500 Seiten, das Debut eines amerikanischen Halbnegers, ist ein aufregender Bekenntnisroman […]. Wir erleben in diesem Buch den großartigen Ausdruck einer ewig sozialen und sozialistischen Idee: der Emanzipation aller Rassen […]. Aus dem herrlichen Buch von Wright gellt ein Ton gegen die verrammelten Tore einer morschen Welt, die man nicht überhören kann.
Über seinen Lebensweg bis zu seiner Flucht in die USA gibt ein Curriculum vital Auskunft, das Lambrecht Anfang 1939 für die American Guild for German Cultural Freedom erstellt hat. Danach wurde er am 29. Oktober 1912 in Weimar geboren, wo er auch das Gymnasium besuchte. In den 20er Jahren arbeitete er als Lektor für den Berliner Duncker-Verlag und schrieb Beiträge für Zeitschriften. 1936 verließ er mit seiner Ehefrau Irene Lambrecht Deutschland:
It was our own voluntary decision to leave and did neither result from racial causes, as we both are no Jews, nor had we any political reasons except that of our democratic conviction and the wish for individual and spiritual freedom. Since that time we are living in Paris, and I am glad to say that we have always been able to earn our life. I got in touch with several English and American literary agencies and worked for them by placing books with German publishing houses outside Germany, chiefly in Switzerland, and translating these books into the German language. […] Moreover, I am a regular collaborator of a Swiss weekly newspaper (Die Weltwoche) for which I write articles and reviews on American and English literature. (Deutsches Exilarchiv 1933–1945: Archiv der American Guild for German Cultural Freedom, New York, Sign. EB 70/117-D.06.02.0002)
Lambrecht hoffte, seine Arbeit als Übersetzer und Literaturvermittler in den USA fortführen zu können. Bei der Ankunft in New York (Anfang März 1940) benötigte er für den Start „a subsidy or loan“, worum er die American Guild bat. In einem Memorandum: for the files hielt deren Geschäftsführer Volkmar von Zühlsdorff am 26. März 1940 u. a. fest:
He has at present two books in commission, for translation, from a Swiss publisher: 1) Priestley, “LET THE PEOPLE SING”, and 2) Thomas Woolf [sic!], “THE WEB IN THE ROCK”. […] I referred Mr. Lambrecht to the Christian Committee for Refugees, advising him that he could not expect at present a subsidy from the Guild […] as he was not engaged in creative work of his own. (Ebd.: Sign. EB 70/117-D.06.02.0007)
Das Originalitätsprimat mit der Annahme, dass das Literaturübersetzen kein „creative work“ sei, wirkte also auch hier. Dennoch: Lambrechts Priestley-Übersetzung erschien 1941 unter dem Titel Laßt das Volk doch singen (343 S.) in der Büchergilde Gutenberg, die Wolfe-Übersetzung Strom des Lebens im Umfang von 743 Seiten ebenfalls 1941 in mehreren Auflagen bei Scherz in Bern. Im verlegerischen Peritext vermerkte der Scherz-Verlag zwar, dass es sich um die „einzig autorisierte Übertragung aus dem Amerikanischen“ handle, verschwieg jedoch den Namen des Übersetzers. Nach 1941 sind von ihm keine weiteren Übersetzungen mehr erschienen. Auch über seinen weiteren Lebensweg in den USA konnten bisher nur wenige Angaben gefunden werden. So verzeichnet Maas (1978: 401) für Klaus Lambrecht einen Beitrag in der in New York wöchentlich erscheinenden, sozialdemokratisch orientierten Neuen Volkszeitung („oldest Anti-Nazi newspaper, den Interessen des arbeitenden Volkes gewidmet“), Jg. 9 (1940), Nr. 21. Der Text war mir nicht zugänglich.
Am ergiebigsten für die Frage nach Lambrechts weiteren Lebensstationen ist ein Eintrag im Biographic Register (Stand 1. April 1951) des amerikanischen Außenministeriums:
Lambrecht, Klaus. – b. Weimar, Germany, Oct. 29, 1912; high sch. Grad.; U. of Jena; free-lance journalist 1930–32, 1936–40; chief editor in publishing house 1936; translator 1936–40; chief of German desk for broadcasting co. 1941–48; app. Radio script writer, CAF-11, in the Dept. of State Jan. 19, 1949; GS-11 Oct. 30, 1949; GS-12 Jan. 21, 1951; married. – IBD. (Biographic Register 1951: 255)
Der Eintrag ergibt, dass Lambrecht ab 1941 für den Rundfunk und ab 1949 als „Radio script writer“ für „IBD“ (= Division of International Broadcasting) des amerikanischen Außenministeriums gearbeitet hat. „GS-11“ und „GS-12“ informieren über die Gehaltsstufen, demnach dürfte Lambrecht zwischen 5.400/6.400 bzw. 6.400/7.400 Dollar Jahreseinkommen verfügt haben (ebd.: IX). In der nächsten Ausgabe des Biographic Register (Stand 1. Mai 1955) ist Lambrecht nicht mehr aufgeführt. Seine weiteren Lebensstationen konnten bisher nicht ermittelt werden.