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Barbara Zulkarnain, 1945–1989

25. Juni 1945 Dresden (SBZ) - 7. August 1989 Berlin (DDR)
Original- und Ausgangssprache(n)
Slowakisch, Tschechisch
Schlagworte
Übersetzerisches ProfilBerufsübersetzer, DDR-Übersetzer Übersetzte GattungenDramen, Erzählungen, Hörspiele, Jugendliteratur, Kinderliteratur, Reiseliteratur, Romane Sonstige SchlagworteBikulturelle Ehe

Das Abitur wurde in Dresden abgelegt, anschließend studierte Barbara Zulkarnain, geb. Merzdorf, 1964 bis 1969 an der Berliner Humboldt-Universität Slawistik, Russisch und Tschechisch. Das dritte Studienjahr verbrachte sie im Austausch der Universitäten an der Prager Universität. Noch während des Studiums in Berlin erlernte sie das Slowakische. Beim internationalen Sommerkurs 1968 an der Bratislavaer Universität überraschte die Teilnehmer am 21. August der Einmarsch von Truppen der Warschauer Pakt-Staaten, der dem Prager Frühling ein Ende setzte. Die Kursteilnehmer retteten sich nach Ungarn, von Budapest aus brachte sie wie viele andere an einer Heimkehr Richtung Norden Gehinderte ein verschlossener Zug, in dem es keinerlei Versorgung gab, in langer Fahrt durch die damals sowjetische Ukraine zunächst nach Südostpolen. Nach fast einwöchiger Odyssee wurde Berlin erreicht.

Der Schock angesichts des Geschehenen saß tief – musste man doch in der DDR befürchten, dass die nunmehr gewaltsame politische Maßregelung der Tschechoslowakei ernsthafte Auswirkungen auf die eben erst mit Engagement angestrebte Sprach- und Landesausrichtung haben könnte. Würde man erneut in die Tschechoslowakei reisen können? Würde es in der DDR berufliche Einschränkungen auf diesem Gebiet geben?

Zunächst erfolgte 1969 der Diplom-Abschluss des Studiums, darauf arbeitete Barbara Zulkarnain als Lektorin und Redakteurin für Tschechisch und Slowakisch, auch Russisch im Verlag Neues Leben, dem Jugendbuchverlag der DDR. In dieser Zeit begann sie nebenberuflich zu übersetzen.

Schwierigkeiten und Beschränkungen bei der Publikation tschechischer und slowakischer Literatur nach 1968 gab es durchaus in den DDR-Verlagen, das betraf vor allem während des Prager Frühlings besonders hervorgetretene Schriftsteller, die zudem ins westliche Exil gegangen waren. Den Bereich des Jugendbuches wie auch den des Hörspiels berührte es offensichtlich weniger, wie sich an dem später erreichten Publikationsumfang von Zulkarnain ablesen lässt.

Nachdem bereits 1972 ihr gemeinsamer Sohn geboren war, heiratete sie 1973 den Ingenieur Amir Zulkarnain (geb. 1941), einen Indonesier, der in der Sukarno-Zeit in Brünn /Brno/Tschechoslowakei studiert hatte und wegen des Regimewechsels in Indonesien und der damit verbundenen Gefahr vor allem für Rückkehrer aus sozialistischen Ländern erst nach 18 Jahren wieder die Reise in sein Heimatland wagte. Mit den beiden gemeinsamen Kindern, die Tochter wurde 1977 geboren, lebte die Familie von Anfang 1980 bis Herbst 1982 in Indonesien, in Djakarta und auf Sumatra.

Vor der Ausreise verlangte die DDR die totale Aufgabe der Wohnung. Ein Aufenthalt „zur Probe“ in einer so fremden Kultur oder auch ein zeitweiser Wechsel zwischen zwei Wohnorten waren, damals noch vor jeglicher Globalisierung, ausgeschlossen. In ihren privaten Briefen beschrieb Barbara Zulkarnain sehr anschaulich das alltägliche, an existentiellen Erschütterungen reiche Leben der Familie in Indonesien. Bessere Arbeitsstellen waren rar, bisweilen scheute ein Konkurrent nicht vor einer Verleumdung zurück, etliche Umzüge der Arbeit des Mannes hinterher wurden notwendig, worunter auch die Schulbildung der Kinder litt, die ja zudem erst die Sprache erlernen mussten. Barbara Zulkarnain, der Alltagssprache bald mächtig, konnte mit ihrem Beruf nichts beginnen, auch eine andere Tätigkeit ergab sich nicht für sie, so dass sie nicht, wie sie es in Berlin gewohnt war, den Familienunterhalt mittragen konnte. Angesichts mangelnder Zukunftsaussichten, auch für die Kinder, reifte der Entschluss zu Trennung und Rückkehr.

In Berlin richtete sie sich, anknüpfend an ihre vorherige Tätigkeit und in Fachkreisen geschätzt, erfolgreich als freiberufliche Übersetzerin ein, um als nunmehr Alleinerziehende mehr für die Kinder präsent zu sein. Sie wurde Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. Als Übersetzerin und Gutachterin arbeitete sie für mehrere Verlage und für den Rundfunk. Sie übersetzte Kinder- und Jugendbücher, ebenso Erwachsenenliteratur – Erzählungen, Romane, Theaterstücke, Reisebeschreibungen – sowie zahlreiche Hörspiele.

Ihre Produktivität ist umso erstaunlicher, als sie in den Folgejahren gegen eine schwere Krebserkrankung ankämpfen musste. Viel zu früh verstarb sie im Alter von nur 44 Jahren. Ihre beiden Kinder wurden maßgeblich von befreundeten Familien unterstützt und ins Erwachsenenalter begleitet.

Zitierweise

Lichtenfeld, Kristiane: Barbara Zulkarnain, 1945–1989. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 19. Juli 2023.