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Johannes Öhquist, 1861–1949

6. Dezember 1861 Venjoki (Ingermanland) (Russisches Kaiserreich) - 15. Oktober 1949 Wolfach (Bundesrepublik Deutschland)
Original- und Ausgangssprache(n)
Finnisch, Schwedisch
Schlagworte
Übersetzte GattungenAnthologien, Lyrik Übersetzerisches ProfilAuch-Übersetzer, Kollektives Übersetzen Sonstige SchlagwortePseudoübersetzung

Johannes Wilhelm Öhquist wurde 1861 in Venjoki, Ingermanland, geboren. Nach dem Abitur 1881 in St. Petersburg studierte er Rechtswissenschaften und Philosophie in St. Petersburg, Moskau und schließlich in Helsinki, wo er 1887 das Examen in Rechtswissenschaften an der Kaiserlichen Alexander-Universität zu Helsingfors (Universität Helsinki) bestand. Von 1888 bis 1910 arbeitete Öhquist als Archivar in der Kanzlei des russischen Generalgouverneurs, daneben auch als Lehrer für deutsche Sprache und Literatur an mehreren Schulen in Helsinki sowie, von 1895 bis 1919, als Lehrbeauftragter bzw. Lektor für deutsche Sprache an der Universität Helsinki. Zur gleichen Zeit profilierte sich Öhquist immer stärker durch sein weitgefächertes kulturpolitisches Engagement und trug in zahlreichen Rollen – als Dichter, Sachbuchautor, Publizist, Herausgeber, Übersetzer, Kunst- und Literaturkritiker sowie politischer Aktivist – beachtlich zur Entwicklung deutsch-finnischer Beziehungen bei. Vor dem ersten Weltkrieg setzte sich Johannes Öhquist (oft unter dem Pseudonym Wilhelm Habermas) mit seinen publizistischen Beiträgen und Übersetzungen für die Sichtbarmachung Finnlands in der deutschsprachigen Öffentlichkeit ein. Auch die Erklärung vom Januar 1910, d.h. die von 71 deutschen, österreichischen und Schweizer Gelehrten unterschriebene Manifestation gegen die Finnlandpolitik des russischen Zaren, ist auf seine Bemühungen zurückzuführen.

Die Vermittlertätigkeit und literarischen Aktivitäten setzte Öhquist ab 1918 als Presseattaché der finnischen Gesandtschaft in Berlin und unvermindert auch noch nach seiner Pensionierung im Jahre 1927 fort. In der Zwischenkriegszeit wurde er zusammen mit seiner dritten Ehefrau, der Übersetzerin Rita Öhquist (geb. Winter, verw. Clausen), zu einer zentralen Relaisstelle für den finnisch-deutschen literarischen Austausch. Mit Öhquists Hilfe suchten deutsche Verlage sowohl Wege für die Verbreitung deutscher Literatur in Finnland als auch für die Verbreitung finnischer und skandinavischer Werke auf dem deutschen Buchmarkt. Johannes Öhquist verfasste Gutachten für deutsche und finnische Verleger und informierte sie über für das jeweilige Publikum interessante Werke. Nicht selten erschienen seine Urteile später als Rezensionen in deutschen und finnischen Tageszeitungen und Zeitschriften, für die Öhquist auch europäische, russische und amerikanische Neuerscheinungen rezensierte. Als Übersetzer konzentrierte er sich vor allem auf politisch-historische Sachtexte sowie auf finnische bzw. finnlandschwedische Lyrik. Von ihm übersetzte Autoren und Autorinnen waren u.a. Johan Ludvig Runeberg (1804–1877), Zacharias Topelius (1818–1898), Larin-Kyösti (1873–1948), L. Onerva (1882–1972) und V.A. Koskenniemi (1885–1962).

In den 1930er Jahren entwickelte sich Johannes Öhquist politisch zu einem Propagandisten des nationalsozialistischen Deutschland. Einen Höhepunkt fand das in seinem zwischen 1938 und 1943 ins Finnische, Finnlandschwedische, Französische, Niederländische und Rumänische übersetzte Buch Das Reich des Führers. Ursprung und Kampf, Weltanschauung und Aufbau des Nationalsozialismus geschildert von einem Ausländer. 1940 übersiedelten Johannes Öhquist und seine Frau nach Deutschland, von wo aus sie ihre finnisch-deutsche Vermittlungsarbeit bis zum Kriegsende, nun immer stärker im Dienste des „Dritten Reichs“, fortsetzten. Johannes Öhquists Versuche, nach 1945 als Autor und Übersetzer erneut einen Verlag zu finden, scheiterten, er starb 1949 in Wolfach im Schwarzwald. Rita Öhquists Position als wichtige Übersetzerin finnischer Literatur blieb bis zu ihrem Tod 1968 unangefochten.

Quellen

Menger, Manfred (1994): Johannes Öhquist und Deutschland. In: Literarische Wechselbeziehungen zwischen Finnland und Deutschland. Greifswald: Ernst-Moritz-Arndt-Universität, S. 84-92.

Zitierweise

Kujamäki, Pekka: Johannes Öhquist, 1861–1949. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 23. August 2022.
BeschreibungJohannes Öhquist mit einem unbekannten Schachpartner, um 1905 (Quelle: Johannes Öhquist: Pietarista kolmanteen valtakuntaan. Espoo: Fenix-Kustannus 2006).
Datum28. September 2022
Johannes Öhquist mit einem unbekannten Schachpartner, um 1905 (Quelle: Johannes Öhquist: Pietarista kolmanteen valtakuntaan. Espoo: Fenix-Kustannus 2006).