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Ellen Otten, 1909–1999

28. Juni 1909 Berlin (Deutsches Reich) - 12. September 1999 Minusio (Schweiz)
Original- und Ausgangssprache(n)
Englisch, Jiddisch
Schlagworte
Übersetzte GattungenErzählungen, Romane Sonstige SchlagworteExil (NS-Zeit), Frankreich (Exil), Großbritannien (Exil), Spanien (Exil) Übersetzerisches ProfilExilübersetzer

Vorbemerkung der Redaktion

Dieses Biogramm entstand im Rahmen des DFG-geförderten D-A-CH-Projekts Exil:Trans (2019–2022) und erschien zuerst in: Tashinskiy, Aleksey / Boguna, Julija / Rozmysłowicz, Tomasz: Translation und Exil (1933–1945) I: Namen und Orte. Recherchen zur Geschichte des Übersetzens. Berlin: Frank & Timme 2022, S. 442–445.

Ellen Otten wuchs in einer wohlhabenden Berliner Familie gemeinsam mit ihrem Bruder Lux auf. Der frühe Tod ihrer Eltern – Vater Dr. Heinrich Kro­ner, Rechtsanwalt, und Mutter Jenny Kroner, geb. Kastan – 1928 bzw. 1929 veranlasste die zwanzigjährige Ellen Kroner, ihr begonnenes Jurastudium ab­zubrechen. In der Folge erwarb sie keine systematische Ausbildung. In Paris beginnt sie ein Studium an der Faculté des Lettres der Universität Paris, das sie nicht weiterführt. In Vorbereitung auf eine mögliche Ausreise aus Deutsch­land unternimmt sie zunächst eine Ausbildung in „Buchführung und fran­zösischer Handelskorrespondenz“, plant später dann eine Tätigkeit als Hand­weberin und erwirbt zu diesem Zweck diverse Webstühle, nachdem sie eine Chance sieht, auf Mallorca für ein dortiges Unternehmen als Weberin arbei­ten zu können. Als sogenannte „Nichtarierin“ sieht sie, dass sie Deutschland definitiv verlassen muss, eruiert die Bedingungen in Palma de Mallorca, kehrt kurzzeitig nach Berlin zurück, um vor allem ihre Vermögensangele­genheiten und die Verschiffung der erworbenen Webstühle nach Mallorca zu regeln, was sich zu einer jahrelangen bürokratischen Auseinandersetzung ausweitet. Der Streit um die Zahlung einer „Reichsfluchtsteuer“, eine finanz­amtliche „Unbedenklichkeitserklärung“, die Verfügung über ihre zu „Aus­ländersperrkonten“ erklärten Vermögenswerte zieht sich endlos hin. 1936 erfolgt ihre Ausbürgerung aus Deutschland.

Schließlich verlässt sie Spanien nach Ausbruch des Bürgerkrieges wieder und reist 1936 über Marseille nach London, wohin ihr Karl Otten, den sie 1930 kennengelernt hatte und mit dem sie 1939 in England die Ehe eingeht, folgte. Karl Otten arbeitete zunächst für die Propaganda-Abteilung der BBC. In dieser Tätigkeit löst ihn Ellen Otten 1946 quasi ab. Diese Ehe mit Karl Otten, expressionistischer deutscher Schriftsteller, wird fortan weite Teile ihres Lebens bestimmen. Sie erarbeitet größtenteils die Basis ihres gemeinsa­men Lebens, den wesentlichen Lebensunterhalt der Beiden, zumal Karl Otten ab 1944 erblindet ist. Sie erteilt Unterricht, arbeitet zehn Jahre lang für die BBC im Transcription Service, bevor sie 1958 aus medizinischen Gründen, wie beide immer wieder betonen, in die Schweiz übersiedeln. Mittlerweile hatten beide ihre Entschädigungsanträge in Deutschland gestellt und erhielte eine bescheidene Rente. Die Bücher scheinen hingegen kaum für weitere Ein­künfte gesorgt zu haben, wie Ellen Otten in dem nach Karls Tod einsetzenden Erbstreit mit Karl Ottens Sohn Julian, der in den USA lebte, darlegt. Dessen Erwartung auf ein Erbe aus der schriftstellerischen und herausgeberischen Tätigkeit seines Vaters, mit dem er offenbar kaum Kontakt gehabt hatte, zer­schlägt sich. Ellen Otten listet sehr genau auf, welche Bücher wann wo er­schienen sind, welche Vorschüsse Karl Otten erhalten hat und welchen „Nicht“-Ertrag sie erbrachten.

Mit Karl Ottens zunehmender und dann auch völliger Erblindung über­nimmt sie weitgehend die Manuskriptbearbeitung und Herausgabe seiner Werke. In dem gemeinsamen Interesse an der Bewahrung deutsch-jüdischer Kultur, besonders in Bezug auf die Avantgarde-Literatur, die faktisch mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten eliminiert worden war, zu erforschen, bearbeiten sie Anthologien und Biografien und geben sie heraus. Darüber hinaus recherchierte Ellen Otten die Lebenswege und Aufenthaltsorte der Autoren.

Karl Otten starb 1963 in der Schweiz. Da er seit 1944 blind war, ist zumin­dest für die in der Schweizer Zeit meist unter seinem Namen herausgege­be­nen expressionistischen Werke eine maßgebliche Arbeit von Ellen Otten an­zunehmen. Ab 1963, also Karl Ottens Todesjahr, wird sie auch ausdrücklich genannt:

  • Ego und Eros: Meistererzählungen des Expressionismus. Hrsg. von Karl Otten. Mit einem Nachwort von Heinz Schöffler. [Die bio-bibliographen Notizen bes. Ellen Otten.] Stuttgart: Goverts 1963.
  • Salomo Friedländer: Rosa, die schöne Schutzmannsfrau und andere Grotesken / Mynona. Hrsg. von Ellen Otten. Zürich: Die Arche 1965.
  • Ahnung und Aufbruch: Expressionistische Prosa. Hrsg. und eingeleitet von Karl Otten. Mit einem Nachwort von Hans Bender. Für die vorliegende Neuausgabe wurde der bio-bibliographische Anhang neu bearbeitet von Ellen Otten. Darmstadt: Luchterhand 1977.

Für die Bücher ihres Ehemannes Karl Otten, die bis zu seinem Tod erschie­nen, darf ihre Mitarbeit, vor allem ab 1944, dem Jahr seiner definitiven Er­blindung, unterstellt werden:

  • Karl Otten: Expressionismus – grotesk. Zürich: Die Arche 1962, 1988.
  • Das leere Haus: Prosa jüdischer Dichter. Hrsg. von Karl Otten. Stuttgart: Cotta 1959.
  • Schrei und Bekenntnis: Expressionistisches Theater / Karl Otten. Neuwied a. Rh: Luchterhand 1962.
  • Schofar: Lieder und Legenden jüdischer Dichter. Hrsg. und eingeleitet von Karl Otten. Neuwied a. Rh. / Berlin-Spandau: Luchterhand 1962.
  • Gedichte und Prosa / Albert Ehrenstein. Hrsg. und eingeleitet von Karl Otten. Neuwied a. Rh. / Berlin-Spandau: Luchterhand 1961.
  • Zwei alte Tanten tanzen Tango … und andere Lieder / Georg Kreisler. Hrsg. und eingeleitet von Karl Otten. Zeichnungen von Werner Hofmann. Zürich: Sanssouci 1961.
  • Der gute alte Franz: Und andere Lieder / Georg Kreisler. Zeichnungen von Werner Hofmann. Hrsg. und eingeleitet von Karl Otten. Zürich: Sanssouci 1972.

Ihre eigene herausgeberische Tätigkeit:

  • Briefwechsel eines Verlegers: 1911–1963 / Kurt Wolff. Hrsg. von Bernhard Zeller und Ellen Otten. Frankfurt/M.: Scheffler 1966.

Werke ihres Mannes Karl Otten, in denen sie ausdrücklich als Herausgeberin erwähnt wird:

  • Der unbekannte Zivilist: Geschichte eines Zeitgenossen (1932) / Karl Otten. Hrsg. von Ellen Otten. Mit einem Nachwort von Roland H. Wiegenstein. Stuttgart: Aka­demischer Verlag 1981.
  • Karl Otten: Werk und Leben; Texte – Berichte – Bibliographie. Hrsg. von Bernhard Zeller und Ellen Otten. Mainz: von Hase & Koehler 1982.

Als Vorwort-Verfasserin:

  • Pfemfert: Erinnerungen und Abrechnungen, Texte und Briefe. Hrsg. von Lisbeth Exner und Herbert Kapfer. Unter Mitarbeit und mit einem Vorwort von Ellen Otten. München: Belleville 1999.

Zu dieser Beschäftigung mit der jüdischen Kultur passt auch ihre eigentliche übersetzerische Tätigkeit. Es handelt sich um eine nach-exilische Tätigkeit, eine, die einen Autor im Blick hat: Isaac B. Singer. Ihre Übersetzungen wer­den bis heute neu aufgelegt.

  • Der Kabbalist vom East Broadway: Geschichten / Isaac Bashevis Singer. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten [Der Sohn aus Amerika wurde von Elisabeth Schnack, Der Bart von Alma Singer übers.]. München: Hanser 1976.
  • Leidenschaften: Geschichten aus der neuen und der alten Welt / Isaac Bashevis Singer. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten. München / Wien: Hanser 1977.
  • Schoscha: Roman / Isaac B. Singer. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten. München, Wien: Hanser 1980.
  • Geschichten aus New York / Isaac B. Singer. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten. Frankfurt/M.: Büchergilde Gutenberg 1981.
  • Verloren in Amerika: vom Schtetl in die Neue Welt / Isaac Bashevis Singer. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten. München, Wien: Hanser 1983.
  • Old love: Geschichten / Isaac Bashevis Singer. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten. München, Wien: Hanser 1985.
  • Wahnsinns-Geschichten / Isaac Bashevis Singer. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten. [Die Erzählung Der Bart wurde von Alma Singer übers.]. Nördlingen: Greno 1986.
  • Ein Tag des Glücks und andere Geschichten von der Liebe / Isaac Bashevis Singer. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten. München, Wien: Hanser 1990.
  • Die Hexe / Isaac B. Singer. Ill. von Georg Janßen. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten. Münster: Ed. Bosch 1990.
  • Der Tod des Methusalem und andere Geschichten vom Glück und Unglück der Menschen / Isaac B. Singer. Aus dem Amerikanischen von Ellen Otten. München, Wien: Hanser 1992.
  • Späte Liebe: drei Geschichten / Isaac B. Singer. Aus dem Amerikanischen von El­len Otten. Mit einem Nachwort von Jan Schütte. Zürich: Diogenes 2008.

Quellen

Ranc, Julijana (2004): Alexandra Ramm-Pfemfert. Ein Gegenleben. Hamburg: Nautilus.

Archiv

LBI Archives AR 25106, Leo-Baeck-Institute New York/Berlin. Nachlass Ellen Otten. (Ihr Nachlass liegt dort weitgehend in Microfiches vor.)

Zitierweise

Schippel, Larisa: Ellen Otten, 1909–1999. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 22. Juli 2022.