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Hermann Stresau, 1894–1964

19. Januar 1894 Milwaukee (Wisconsin) (USA) - 21. August 1964 Waldacker (Hessen) (Bundesrepublik Deutschland)
Original- und Ausgangssprache(n)
Englisch
Schlagworte
Übersetzte GattungenAutobiographien/Memoirenliteratur, Briefe, Romane, Sachtexte Sonstige SchlagworteInnere Emigration (NS-Zeit)

Hermann Friedrich Stresau wurde am 19. Januar 1894 als Sohn deutscher Eltern in Milwaukee, Wisconsin geboren. Er wuchs zweisprachig auf. 1900 zog die Familie nach Frankfurt am Main, wo Stresau die Schule besuchte. Im Englisch-Unterricht soll er wegen seiner amerikanischen Aussprache und der Nicht-Beachtung grammatischer Regeln schlechte Noten bekommen haben. Ab 1912 studierte er – unterbrochen durch den im Anschluss an seine Einbürgerung freiwillig geleisteten Kriegsdienst – in Berlin, Frankfurt, München, Greifswald und Göttingen Germanistik, Kunstgeschichte, Philosophie und Geschichte, machte allerdings nie einen offiziellen Abschluss.

Ab 1929 arbeitete er in der Spandauer Bibliothek, bis er im April 1933 wegen Kritik an Hitler und dessen von Stresau als „Nasolismus“ verspottetem Regime entlassen wurde. Eine Weile konnte er noch an der Berliner Bibliothekarsschule unterrichten, bis ihm dort im Sommer 1934 ebenfalls gekündigt wurde. Eine amerikanische Erbschaft, Beiträge für die Frankfurter Zeitung oder die Neue Rundschau, Lektoratsarbeiten für den Fischer-Verlag1Das Ende 1938 vereinbarte „Lektoratsverhältnis zu S. Fischer ist zum 1. Oktober [1939] gekündigt, da wir mit englischer und amerikanischer Literatur nichts mehr machen können“ (Stresau 1948: 194). sowie gelegentliche Übersetzungsaufträge halfen ihm, sich finanziell über Wasser zu halten. So erschien 1938 bei Rowohlt seine Übersetzung des Faulkner-Romans Absalom, Absalom!2Stresaus nur zwei Jahre nach Erscheinen des Originals veröffentlichte Übersetzung wurde durch 50 Jahre mehrfach neu aufgelegt, herausragend die Übernahme der Stresau-Fassung in das Programm des DDR-Verlags Volk und Welt 1985 sowie ihre Aufnahme in die von Walter Boehlich 3 herausgegebene Rowohlt-Jahrhundert-Reihe mit hundert Klassikern der Moderne (1991). – In ihrer Rundfunk-Rezension der 2015 bei Rowohlt erschienenen zweiten deutschen Übersetzung des Romans durch Nikolaus Stingl spricht Edelgard Abenstein, ohne ihre Einschätzung zu begründen, von Stresaus „hoffnungslos veralteter Übersetzung von 1938.“ Der Versuch, Ende 1939 an der Universität Göttingen als Lektor oder Bibliothekar eine feste Stelle zu bekommen, scheiterte:

Wenn man nicht Pg. ist, schließen sich die Türen eher, als daß sie sich öffnen, obwohl der Dekan der Philosophischen Fakultät wie der Direktor der Bibliothek keinen sehr nationalsozialistischen Eindruck machen. Man riecht das ja sehr bald heraus, wes Geistes Kind die Leute sind. In sechs Jahren gewinnt man Übung darin. Vorderhand sind wir aber, was Einnahmen anbelangt, etwas gedeckt. Denn als wir sozusagen am ratlosesten waren, kam ein Angebot des [Schweizer] Scientia-Verlages, ein Buch aus dem Amerikanischen zu übersetzen, O. D. Russsels Buch über die Mitsuis, mit einem anständigen Honorar […]. (Stresau 1948: 198)

Neben der Übersetzung des wirtschaftsgeschichtlichen Sachbuchs über die japanische Unternehmensdynastie der Mitsuis gelang es Stresau 1939, das Buch Deutsche Tragiker – Hölderlin, Kleist, Grabbe, Hebbel zu veröffentlichen. 1940 folgte sein Nibelungen-Roman Die Erben des Schwertes und 1943 der Caesar-Roman Adler über Gallien, der als Zeugnis der inneren Emigration gilt, ähnlich den 1948 veröffentlichten Tagebuch-Notizen Von Jahr zu Jahr.

In der Nachkriegszeit wurde Stresau zu einem weithin geschätzten Kritiker und Essayisten sowie Übersetzer und Vermittler englischer und amerikanischer Literatur. Besonders erfolgreich scheinen seine Joseph Conrad- und Faulkner-Ausgaben sowie die Übersetzung des Briefwechsels von George Bernard Shaw mit der Schauspielerin Patrick Campbell gewesen zu sein. Zudem veröffentlichte er Monographien über Joseph Conrad, Ernest Hemingway, G. B. Shaw und Thornton Wilder, aber auch über deutsche Autoren wie Heinrich Böll und Thomas Mann. Von seinem Ansehen im westdeutschen Kulturbetrieb zeugt seine Mitte der 50er Jahre erfolgte Aufnahme in den PEN-Club sowie in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Dass dieses Ansehen nicht zu dauerhafter materieller Sicherheit führte, lässt sich aus der Tatsache schließen, dass ihm 1964 finanzielle Unterstützung aus der „Künstlerhilfe“ des Bundespräsidenten gewährt werden musste.

Stresau lebte seit 1939 in Göttingen, er starb am 21. August 1964 in Waldacker (Hessen). Das Deutsche Literaturarchiv Marbach verwahrt seinen umfangreichen Nachlass (Tagebücher 1924–1963, autobiographische Aufzeichnungen, Briefe, Übersetzungs-Manuskripte, Verlagsverträge, Rezensionen, Fotoalben usw.), dessen translationsorientierte Auswertung noch zu leisten ist.

Anmerkungen

  • 1
    Das Ende 1938 vereinbarte „Lektoratsverhältnis zu S. Fischer ist zum 1. Oktober [1939] gekündigt, da wir mit englischer und amerikanischer Literatur nichts mehr machen können“ (Stresau 1948: 194).
  • 2
    Stresaus nur zwei Jahre nach Erscheinen des Originals veröffentlichte Übersetzung wurde durch 50 Jahre mehrfach neu aufgelegt, herausragend die Übernahme der Stresau-Fassung in das Programm des DDR-Verlags Volk und Welt 1985 sowie ihre Aufnahme in die von
  • 3
    herausgegebene Rowohlt-Jahrhundert-Reihe mit hundert Klassikern der Moderne (1991). – In ihrer Rundfunk-Rezension der 2015 bei Rowohlt erschienenen zweiten deutschen Übersetzung des Romans durch Nikolaus Stingl spricht Edelgard Abenstein, ohne ihre Einschätzung zu begründen, von Stresaus „hoffnungslos veralteter Übersetzung von 1938.“

Quellen

Abenstein, Edelgard (2016): Inzest, Gewalt, Verrat und Rassismus. William Faulkner: Absalom, Absalom! In: Deutschlandradio Kultur, 2. Januar 2016.
Stresau, Hermann (1948): Von Jahr zu Jahr. Berlin.

Zitierweise

Baumann, Elke: Hermann Stresau, 1894–1964. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 1. November 2016.
BeschreibungHermann Stresau (Quelle: DLA in Marbach)
Datum24. März 2022
Hermann Stresau (Quelle: DLA in Marbach)

Bibliographie (Auszug)

Übersetzungen (Buchform)

Übersetzungen (Zeitschriften, Anthologien)

Sonstige Übersetzungen

Originalwerke

Sekundärliteratur

Detaillierte Bibliographie