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Peter de Mendelssohn, 1905–1988

1. Juni 1908 München (Deutsches Reich) - 10. August 1982 München (Bundesrepublik Deutschland)
Original- und Ausgangssprache(n)
Deutsch, Englisch, Französisch

Vorbemerkung der Redaktion

Zuvor erschienen in: Tashinskiy, Aleksey / Boguna, Julija / Rozmysłowicz, Tomasz: Translation und Exil (1933–1945) I: Namen und Orte. Recherchen zur Geschichte des Übersetzens. Berlin: Frank & Timme 2022, S. 438–440.

Aufgewachsen in Hellerau bei Dresden, wo sein Vater als Goldschmied ar­beitete, studierte Peter Mendelssohn ab 1926, nach Abschluss der Internats­oberschule Strausberg, in Berlin zwei Semester Englisch und Staats­wissen­schaft. Nach Abbruch des Studiums begann er ein Volontariat beim Tages­spiegel und ging 1926/27 als Hilfskorrespondent der Zeitung nach London. 1928/29 war er Redakteur der Nachrichtenagentur United Press in Berlin. 1929 schrieb er seinen ersten Roman in Paris.

Ab 1930 veröffentlichte er Romane, Erzählungen und Essays in deutscher und englischer Sprache und übersetzte aus dem Englischen und Fran­zö­sischen. Bekannt wurde er vor allem für seine Biographien (u.a. Churchill und Thomas Mann) sowie für seine umfangreiche Monographie S. Fischer und sein Verlag (1970).

1933 ging er zunächst nach Paris und heiratete Edith von Tschirschnitz (die Ehe wurde 1934 geschieden). In seinem dort gegründeten deutschspra­chigen Verlag Mercure de l’Europe/Europäischer Merkur erschien seine Übersetzung aus dem Französischen von André Maurois: Amerika – Neubau oder Chaos.

In Wien heiratete er 1936 die Schriftstellerin, Übersetzerin und Journa­listin Hilde Spiel (1911–1990) und emigrierte noch im selben Jahr mit ihr nach London. Im Exil engagierte er sich für die American Guild for German Cultural Freedom, wurde der Leiter von deren europäischem Büro und konn­te unter anderem Thomas Mann für diese Akademie der deutschen Wissen­schaften und Künste im Exil gewinnen. 1938 vollzog er den Sprachwechsel, und All That Matters, sein erster Roman auf Englisch, erschien; 1939 folgte mit Across the Dark River ein zweiter. 1941 wurde er britischer Staatsbürger. Er übersetzte Erzählungen seiner Ehefrau Hilde Spiel ins Englische, die im Daily Express erschienen, und das Ehepaar übersetzte die von ihm auf Eng­lisch verfasste Erzählung Fortress in the Skies, die unter dem Titel Festung in den Wolken 1946 in Zürich bei Amstutz, Herdeg & Co. erschien, gemeinsam ins Deutsche.

Nach dem Krieg wurde er Pressechef bei der britischen Kontroll­kom­mis­sion in Düsseldorf, berichtete von den Nürnberger Prozessen und war maß­geblich beim Aufbau eines demokratischen Pressewesens in der britischen Besatzungszone beteiligt.

In den 1960er Jahren erschienen seine Übersetzungen der Werke von Desmond Bagley (Die Gnadenlosen 1967), Antony Drew (Stunden im Dunkel 1964), Dorothy Dunnett (Das Königsspiel 1969), John Dennis Fitzgerald (Der Fluch der Fitzgeralds 1962), Mervyn Jones (der Liebesroman John und Mary 1968) und von Steven Runciman (eine rund 1400-seitige Geschichte der Kreuzzüge) aus dem Englischen ins Deutsche.

1970, nach der Scheidung von Hilde Spiel und der Wiedererlangung der deutschen Staatsbürgerschaft, kehrte er dauerhaft in seine Geburtsstadt München zurück. Er blieb mit der Familie von Thomas Mann befreundet und widmete sich als Biograph und Herausgeber, insbesondere der umfang­reichen Tagebücher, seinem Werk.

1972 wurde Peter de Mendelssohn Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, 1976 erhielt er den Bayerischen Verdienstorden und 1978 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

Sein Nachlass befindet sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach, in der Münchner Stadtbibliothek Monacensia (150 Kassetten) sowie im Institut für Zeitungsforschung in Dortmund (1 Mappe).

Seine 1939 geborene Tochter Christine Shuttleworth ist ebenfalls Überset­zerin. Sie schildert, wie sie von den Eltern zum Übersetzen ermuntert und dass zu Hause eine Mischung aus Englisch und Deutsch gesprochen wurde (Shuttleworth 2014). Der 1941 geborene Sohn (1944–2016) Felix de Men­delssohn, verheiratet mit der amerikanischen Philosophin Susan Neiman, war wie sein gleichnamiger Onkel Psychoanalytiker und publizierte auf Eng­lisch und auf Deutsch.

Quellen

Harry, Pross (1994): Mendelssohn, Peter de. In: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 63–65. Online unter: ‹https://www.deutsche-biographie.de/pnd118580752.html#ndbcontent› (letzter Aufruf 21. August 2021).
Lakner, Antonina (2020): Peter de Mendelssohn – Translation, Identität und Exil. Berlin: Frank & Timme.
Shuttleworth, Christine (2014): Christine Shuttleworth, Translator, on Fanny von Arnstein. Online unter: ‹http://newvesselpress.com/blog/shuttleworth-reflection/› (letzter Aufruf 21. August 2021).

Zitierweise

Baumann, Sabine: Peter de Mendelssohn, 1905–1988. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 22. Juli 2022.