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Otto Putz, 1954–2011

12. August 1954 Passau (Bundesrepublik Deutschland) - 1. August 2011 Waldenbuch (Bundesrepublik Deutschland)
Berufe/Tätigkeiten
Übersetzer, Japanologe
Original- und Ausgangssprache(n)
Japanisch
Schlagworte
Übersetzerisches ProfilPhilologe als Übersetzer Übersetzte GattungenDramen, Erzählungen, Essays, Romane

Otto Putz (jap. プツ・オット) zählt zu den Übersetzern japanischer Literatur, die sich auf der Basis eines intensiven japanologisch-philologischen Studiums ihrer Tätigkeit widmeten. Er übersetzte Klassiker aus dem Kanon der literarischen Moderne (kindai bungaku 近代文学) und der Gegenwart (gendai bungaku 現代文学) nach 1945, meist arrivierte Schriftsteller und Schriftstellerinnen, die in ihrem Heimatland die Bildungsgesellschaft der Ära Shôwa repräsentieren. Es sind „literarische Literaten“, Vertreter der sogenannten „reinen Literatur“ (junbungaku 純文学) mit akademischem Hintergrund, für gewöhnlich ausgezeichnet mit renommierten Preisen wie dem Akutagawa-Preis oder dem Tanizaki-Junʼichirô-Preis.

Bei einer seiner ersten wichtigen Übersetzungen handelte es sich um Enchi Fumikos 円地文子 (1905–1986) Die Wartejahre (1984; 女坂 Onnazaka, jap. 1957); Enchi, Absolventin der Frauenuniversität Ochanomizu, war von 1958 bis 1976 Präsidentin des japanischen Schriftstellerinnen Verbandes gewesen und wurde 1970 zum Mitglied der Japanischen Akademie der Künste, Nihon Geijutsuin 日本芸術院, ernannt.

Innerhalb von drei Jahrzehnten übertrug Otto Putz eine Reihe umfangreicher Werke aus dem Japanischen, darunter Titel des Schriftstellers und Anglisten Natsume Sôseki 夏目漱石 (1867–1916) sowie des Nobelpreisträgers von 1994, Ôe Kenzaburô 大江 健三郎 (*1935), seines Zeichens Romanist. Er engagierte sich für die Sache der japanischen Literatur darüber hinaus seit 1988 als Redaktionsmitglied, aktiver Übersetzer und langjähriger Mitherausgeber bei den Heften für Ostasiatische Literatur (HOL);1Zu den HOL-Herausgebern zählen u.a. Hans Peter Hoffmann, Hans Kühner, Thorsten Traulsen, Wolf Baus und Asa Bettina Wuthenow; zur Geschichte des Magazins siehe Wuthenow (2021). als einer seiner ersten Beiträge für die zu Beginn der 1980er Jahre (erste Ausgabe 1983) von Asienwissenschaftlern gegründete Zeitschrift erschien 1985 eine Miyazawa Kenji-Übersetzung (siehe Wuthenow 2011: 42). Für HOL übertrug er u.a. kürzere Texte von Ishikawa Takuboku 石川啄木 (1886–1912), Akutagawa Ryûnosuke 芥川龍之介 (1892–1927), Ogawa Kunio 小川国夫 (1927–2008), Ri Kaisei 李恢成 (*1935), Tsutsui Yasutaka 筒井康隆 (*1934) und Maruyama Kenji 丸山健二 (*1943).

Die Redaktion der Hefte, die beim Iudicium Verlag, München (zunächst Kai Yeh, Köln), erscheinen, widmete seinem Andenken die 51. Ausgabe, Herbst 2011. Aus den hier gesammelten Kommentaren und Kurzberichten von Weggefährten ergibt sich ein anschauliches Portrait des früh verstorbenen Übersetzers, von dem der Verlag sagt, er sei „Teil seiner Geschichte“ (HOL: 5).2Die 51. Ausgabe enthält zahlreiche Informationen über die von Otto Putz geleisteten Übersetzungsarbeiten, Erinnerungen, Würdigungen sowie ihm zugeeignete „Übersetzungen für einen Übersetzer“. Das Vollständige Inhaltsverzeichnis (1983–2021) informiert zudem über die Erscheinungsdaten seiner für HOL erbrachten Einzelbeiträge (Tiefenbach 2021).

Der in Passau geborene Otto Putz begann im Wintersemester 1974/ 1975 ein Studium der Japanologie, Linguistik und Neueren Deutschen Literaturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Seine Magisterarbeit schrieb er über ein Thema der modernen japanischen Literatur, nämlich über die Tagebücher Ishikawa Takubokus; siehe Putz 1981) bei Wolfgang Schamoni (*1941), in diesen Jahren Dozent an der LMU (Putz war wohl sein erster Absolvent) – ein unüberbietbarer Lehrmeister der sorgfältigen Textinterpretation. Das Studium wurde im Sommersemester 1981 abgeschlossen; die Magisterurkunde erhielt der Absolvent Ende des Wintersemesters 1981/1982. Nach dem Abschlussexamen setzte er zwischen WS 1982 und SS 1984 seine Studien der modernen japanischen Literatur im Magister- und Doktorkurs der Universität Hokkaidô (Sapporo) bei Kamei Hideo 亀井秀雄 (1937–2016) fort; Kamei war 1987 (Mai bis Juli) Gastprofessor an der LMU. Von April 1986 bis Ende 1992 war Putz wissenschaftlicher Angestellter am Seminar für Japanologie der Universität Tübingen; die Stelle teilte er sich mit Gerhard Leinss (*1956).3Für Hinweise zu Werdegang und Biographie danke ich Martina Drijkoningen (Universität Tübingen), Claudius Stein vom Referat Universitätsarchiv der LMU München sowie Eva-Maria Meyer (Universität Tübingen) und Elisabeth Armbruster, aus deren Besitz das für diesen Artikel verwendete Foto stammt. Der Japanologe unterrichtete bis zum Jahr 2010 die bei den Studenten und Studentinnen beliebte Übung Moderne Lektüre: Erzählungen zeitgenössischer Autoren. Seit Anfang der 1990er Jahre (eigenen Angaben nach: seit 1993) war er als freiberuflicher Übersetzer tätig,4Eine Hoch-Zeit der Übersetzung japanischer Literatur brachte die Frankfurter Buchmesse 1990 mit ihrem Japanschwerpunkt; über 230 Neuübersetzungen und Nachdrucke entstanden in diesem Jahr. Die Zahl der Übersetzer stieg im Gefolge des Events an. Während bis 1995 drei Langgedienten, Oscar Benl (1914–1986), Jürgen Berndt (1933–1993) und Siegfried Schaarschmidt (1925–1998), die meisten der bis zu diesem Datum erschienenen Titel zu verdanken waren (siehe Stalph 1995: xiiif.). wobei er allein im Zeitraum von 1992 bis 2007 im Auftrag des Kulturinstituts Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (JDZB) über 500 Seiten Textbeiträge für Konferenzen bearbeitet hat (Hoppner 2011: 54). Regelmäßig übernahm er Lehraufträge am japanologischen Institut in Tübingen, das von seinem Wohnort nicht allzu weit entfernt lag. Putz lebte mit Frau Elisabeth in Waldenbuch.

Die Motivation zu seiner Arbeit lag einerseits im starken Interesse für Sprachen begründet, andererseits in der Überzeugung, dass das weltliterarische Spektrum der Ausweitung bedürfe (Eschbach-Szabo 2011: 65).5Ab den 2000er Jahren wurde das Thema „Weltliteratur“ auch in der japanologischen Gemeinde öfter diskutiert, siehe etwa den Beitrag von Wolfgang Schamoni (2009). In vielen Würdigungen hält man fest, Otto Putz sei einer der wenigen zentralen Akteure deutsch-japanischer Literaturbeziehungen jener Zeit gewesen: Von den frühen 1990er Jahren bis in die erste Dekade der 2000er Jahre legte er in steter Abfolge Arbeiten vor.6Ähnlich aktiv waren während dieser Zeitspanne – in einer Folgegeneration nach den „großen alten Übersetzern“ Benl, Schaarschmidt und Berndt – Barbara Yoshida-Krafft (1927-2003; Arbeiten ab den 1980ern) und Wolfgang Schamoni. In zweiter Reihe zu nennen sind Irmela Hijiya-Kirschnereit (1948), Jürgen Stalph (1954) und Wolfgang Schlecht (*1950). Zwei seiner weithin anerkannten Übersetzungsleistungen, für die er 1999 den Noma Award for the Translation of Japanese Literature erhielt, sind Ich der Kater (1996; jap. 吾輩は猫である Wagahai wa neko de aru) von Natsume Sôseki und Ôe Kenzaburôs Reißt die Knospen ab (1997; jap. 芽 む し り 仔 撃 ち Memushiri kouchi). Der Noma-Preis für die Übersetzung japanischer Literatur ist dazu gedacht, den interkulturellen Austausch zu fördern; die Ehrung möchte zudem die wachsende Bedeutung von Übersetzern hervorheben, wie es ein Repräsentant des Kôdansha Verlags im Artikel zum „Buch als stillem Botschafter“ erklärt: „With the emergence of dozens of world-class Japanese writers, the translators of Japanese literature have acquired a new significance and a new importance“ (Yoshizaki 2004).

Für Ich der Kater wurde ihm darüber hinaus 1999 der in diesem Jahr erstmalig ausgelobte Japan Foundation-Übersetzerpreis zugesprochen. Am 12. Februar 2011 ehrte man Putz im Japanischen Kulturinstitut zu Köln mit dem den JaDe-Preis für Leistungen im Bereich japanisch-deutscher Kulturbeziehungen. In der Laudatio hebt man ebenfalls die Rolle der Übersetzer hervor:

Mit der Preisvergabe möchte die JaDe-Stiftung auch deutlich machen, dass Übersetzungstätigkeit als Kulturleistung zu verstehen ist und für das Verständnis einer Kultur eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat. (Marutschke 2011: 63)

Der Übersetzer als Geist der Übersetzung

Wie es in etlichen Schilderungen dargestellt wird, gehörte es zu seinem Selbstverständnis als Übersetzer, dass Putz sich einem translatorischen Ehrenkodex unterwarf, dem gemäß er danach strebte, alle Kräfte dafür aufzubieten, dem Text gerecht zu werden. Er beabsichtigte die stilgetreue Wiedergabe, die den Ton des Autors spüren lassen sollte, selbst auf die Gefahr hin, Leser zu befremden. Die Japanologin und Herausgeberin der zwischen 1990 und 2000 publizierten 34-bändigen Japanischen Bibliothek im Insel-Verlag, Irmela Hijiya-Kirschnereit (*1948), betont: „Otto Putz war Übersetzer aus Leidenschaft. Er hat mit vielen Stillagen experimentiert und seine Autoren als traduttore nie ‚verraten‘“ (Hijiya-Kirschnereit 2011: 62).

Grundlage seines Verfahrens bildete das gewissenhafte Nachschlagen jeder unvertrauten Vokabel und die sorgfältige Recherche selbst zu entlegenen Themen, die in einem Text behandelt werden, sowie manche Rückfragen bei Native Speakern – welche ihrerseits einige Male an ihre Grenzen stießen. Letztes Mittel, eine seltene Prägung zu entschlüsseln, war die Kontaktaufnahme mit dem Autor. Auf diese Weise entwickelte sich auch die freundschaftliche Beziehung zu Ikezawa Natsuki 池澤夏樹 (*1945). Die Einstellung des sich dergestalt Verpflichtenden, der als Einsiedler in der Übersetzerwerkstatt doch stets den telefonischen Dialog mit Personen aus dem einschlägigen Umfeld pflegte, beschreibt eine Heidelberger Kollegin folgendermaßen:

Als einer der wenigen freiberuflich tätigen Übersetzer für die japanische Sprache, die versuchen, sich ihren Lebensunterhalt durch das Übersetzen von Literatur zu verdienen, war Otto Putz […] gezwungen, pausenlos hart zu arbeiten, im Akkord kreative Ideen zu produzieren und sich mühsam Seite für Seite durch dicke Romane – man denke nur an Nire-ke no hitobito, das in der deutschen Ausgabe ganze 992 Seiten umfaßt – zu kämpfen, eine wahre Sisyphusarbeit, unterstützt von Kaffee und Zigaretten, der Putz sich jedoch mit Hingabe widmete […]. (Wuthenow 2011: 40f.)

Sie bekräftigt, er habe „nie die Kunst verraten“, um mit „billigen Lösungen“ an „sein Honorar zu kommen“. Im Gegenteil habe er „mit Worten und Sätzen gerungen“ und es im Streben nach der „bestmöglichen Lösung“ sogar riskiert, „vertraglich gesetzte Abgabetermine“ nicht einzuhalten; „er war keiner, der wußte, wie man sich schont“ (ebd.).

Putz gehörte einer Generation von Studierenden an, die sich der Sache der Geisteswissenschaften ganz verschrieben und sich später im Beruf weiter mit philologischen Aufgaben beschäftigen wollten. Fast charakteristisch für literaturwissenschaftlich Forschende und Übersetzer dieser Ära war es, dass man sich mehr oder weniger mit „seinem“ Text identifizierte. Eduard Klopfenstein (*1938), Lyrikübersetzer und Betreuer des deutschsprachigen JLPP-Projekts,7Das „Unternehmen zur Übersetzung und Verbreitung moderner japanischer Literatur“ ist ein vom japanischen Amt für kulturelle Angelegenheiten, Bunka-chô, im Jahr 2002 aufgelegtes Projekt, das die finanzielle und organisatorische Unterstützung bei der Übersetzung und Publikation wichtiger Werke beabsichtigt. Beteiligt sind die Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch und Russisch (Klopfenstein 2014); in Klopfensteins Beitrag wird das Projekt vorgestellt sowie eine Liste von Werken und deren Übersetzern / Übersetzerinnen, darunter Otto Putz, beigefügt. erläutert dies am Beispiel von Kita Morios 北杜夫 (1927–2011) in Anlehnung an die Buddenbrooks gestaltetem Generationenroman Das Haus Nire (2010; Nire-ke no hitobito 楡家の人々, 1963), dessen Hauptschauplatz eine Nervenklinik ist.8Kita Morio ist der Künstlername von Saitô Sôkichi, Sohn des bekannten Dichters Saitô Môkichi 斎藤茂吉 (1882–1953); Sôkichi studierte Medizin und reiste 1958 als Schiffsarzt für mehrere Monate nach Europa. 1960 erhielt er den bedeutenden Akutagawa-Preis. Der Schweizer Japanologe diagnostiziert Putz an dieser Stelle einen leichten translatorischen Immersionswahn:

Otto machte sich einen Spaß daraus, so zu tun, als zöge er sich während seiner Übersetzungsklausur jeweils in diese Klinik oder gar in die geschlossene Abteilung zurück. (Klopfenstein 2011: 70)

Zu seinen Eigenheiten gehörte ebenso die Verwendung des Eszett in der Schlussformel „Herzliche Gruesze“ (ebd.: 69). Die Anspielung auf Kurrentschrift und Feder bzw. auf alte Schreibformen bringt einen gewissen historisierenden Manierismus zum Ausdruck, mit dem der Raum des Literarischen als Fluchtort in einer trivialen Realität beschworen wird. Auf das Motiv der Fluchtmöglichkeit weist auch das melancholische Motto der Sonderausgabe vom November 2011 hin: „Einmal nicht Ich sein müssen“.

Bei der Lektüre der Nachreden in HOL ersteht das Bild des Übersetzers als translatorischem „Held“ (Bromanns 2016),9Den Übersetzenden wird mit dem Aufstieg der Kulturtransferforschung mehr Aufmerksamkeit zuteil, so Broomans. Übersetzerbibliographien seien „Bausteine für eine transnationale Literaturgeschichte“ (2016: 263f.). Generell würden Lebensbeschreibungen von Übersetzern häufig als „Mischung zwischen Heldengeschichte“ und „Sisyphusarbeit“ konstruiert: „Als Held kämpft er für seine noch nicht übersetzten Autoren oder den herausragenden literarischen Text, der unbedingt in seinem eigenen Land eingeführt werden soll. Als Handwerker vollendet er seine Übersetzung aber nie, sie bleibt Sisyphusarbeit.“ der selbstironisch das Vergessen antizipiert, während er, wie man ahnt, doch hofft, Teil einer Kulturtradition zu werden, sich einzuschreiben in die Reihen der geschätzten Sprachkünstler. Opposition bezieht er mit dieser dandyhaften Attitüde in erster Linie gegen die Vereinnahmung des Literarischen durch den Medienmarkt und sein Diktat der schnellen Verwertung. Es ist in letzter Konsequenz ein Protest gegen die Inbesitznahme des Geists. Tatsächlich übersetzte Putz viel aus eigenem Antrieb, eventuell auch um die Anerkennung von Peers wie Wolfgang Schamoni oder Jürgen Stalph zu erlangen. Das Ergebnis sind etliche gelungene deutsche Texte – meist für die Hefte, darunter auch Arbeiten der Autoren Miyazawa Kenji 宮沢賢治 (1896–1933 / HOL 4, 1985), Nakamura Shinʼichirô 中村真一郎 (1918–1997 / Ostasienverlag 1985), Masaoka Shiki 正岡子規 (1867–1902 / HOL 8, 1989) und Tanikawa Shuntarô 谷川俊太郎 (*1931 / HOL 13, 1995).

Das Übersetzerdasein – wie man es in den 1980er und 1990er Jahren im Umfeld der Asienwissenschaften noch wahrzunehmen vermochte – bildete (unter bestimmten Bedingungen) eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten, einen Lifestyle jenseits von Massen- und Konsumgesellschaft zu führen. Die romantisierende Sicht des Berufs verband Vorstellungen der Werthaftigkeit geistiger Arbeit und der Nachhaltigkeit des von Schriftstellern und Übersetzern in kongenialer Allianz geschaffenen „Werks“, das „ewig“ fortdauert; sie beinhalten zudem die Gefährdung eines mit der Kunst befassten Pioniers, der die sogenannte Normalität verlässt, um sich einer poetisierten Raumerweiterung auszusetzen. Zum Selbstverständnis des Übersetzers gehören Risiko und Freiheit, Sicherheitsverlust und Abenteuer, das intensive Gespräch mit Gleichgesinnten ebenso wie das einsame Leiden im Laufe der Textproduktion, die Hingabe an die Sprachästhetik, die Selbstausbeutung, die Ambition erfolgreicher Kulturvermittler zu sein, häufige Valentinaden („Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“; Ortmanns 2011: 76) und sarkastische Episoden. Putz’ Ärger riefen speziell die sich im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts konstant zum Schlechteren hin verändernden Bedingungen für Kultur und Wissenschaft hervor: „Aufgeregt“ habe er sich vor allem über die reforminduzierte Selbstzerstörung der Universität, wie der sinologische Redaktionskollege bei den Heften für Ostasiatische Literatur, Übersetzer und Universitätsdozent Hans Peter Hoffmann (*1957), in seinem Beitrag Nicht geführtes Gespräch berichtet. Unverständlich war es dem eng mit dem akademischen Milieu Verbundenen, der in diesem Zusammenhang „philologischer Übersetzer“ zu nennen wäre, warum man diese so wichtige Enklave unabhängigen Denkens ohne angemessenen Widerstand preisgegeben habe (Hofmann 2011: 11). Bei Treffen mit Putz wird der Legende nach zur Kompensation dementsprechend oft getrunken – bis zu drei Stangen Kölsch auf einmal (plus die zuvor bereits angelieferte; Ortmanns 2011: 75) oder im Laufe eines Abends neun Bier, wie man es erzählt (Sakamoto 2011: 80).

Diese und ähnliche Elemente einer Übersetzerbiographie sind Standardnarrative (Bromanns 2016); sie repräsentieren die Sozialfigur und prägen die Soziologie des Berufs, wie man sie bis ins 20. Jahrhundert darstellen konnte. Insofern wundert es kaum, wenn eine verwandte Persönlichkeit zunächst als Gestalt in einem fiktiven Text Ikezawa Natsukis in Erscheinung tritt und sich dann in der posthumen Hommage des Autors als der „Geist“ des Literaturspezialisten präsentiert. Dieser will sich dem Freund aus Japan anlässlich des Besuchs an seinem Grab mitteilen: „Die ganze Zeit über war Otto mit uns“ (Ikezawa 2011: 22). Ikezawa beschwört die Figur des Übersetzers – ganz im Sinne des biographischen Narrativs – als eine der Permanenz. In diesem Zusammenhang wäre noch einmal die Frage nach der Charakteristik des „japanologisch-philologischen Übersetzers“ aufzugreifen: Ihn kennzeichnet ein individualistischer Zugang zur Materie und die Aussicht, sich mit intellektuellem Tun – auch unter schwierigen Bedingungen – selbst zu verwirklichen. Sein Ziel ist eben nicht die Vermehrung von Bestseller-Content, sondern die Pflege des literarisch-intellektuellen Felds. Nicht selten ist eine enge Anbindung an die Literaturwissenschaft, d.h. an die mit japanischer Literatur befassten universitären Seminare bzw. an die Forschungsgemeinde gegeben. Aus dieser Richtung wehte, solange man den Zeitläufen standhalten konnte, noch leise der Hauch der Inspiration und, wenn man sich so sehen wollte, des Exklusiv-Elitären in verschiedenen Abstufungen. Im Literaturführer Yomitai! Neue Literatur aus Japan ist zum Thema des philologischen Übersetzens angemerkt:

Übersetzungen aus der japanischen Sprache wurden traditionell von gut ausgebildeten Philologen durchgeführt. […] Japanologische Literaturwissenschaftler an den Universitäten können aufgrund der wachsenden Bürokratisierung meist keine zeitaufwendigen Arbeiten mehr übernehmen. Übersetzen als edles Geschäft der Philologie muss also häufig zurückgestellt werden. (Yomitai! 2012: 239f.)

Folge sei, dass Leser mit „weniger Philologendeutsch behelligt werden“, die Übersetzungsqualität jedoch partiell nachgelassen habe.

Kleiner Exkurs: Übersetzerideal und Kulturindustrie

Die Auswahl von zu übersetzenden Büchern bzw. die Politik der Buchübersetzung war aber selbst im akademischen Umfeld keine rein interne philologische Angelegenheit, sondern entsprang manches Mal von außen herangetragenen kulturpolitischen Interessen. Viele Übersetzungen wurden erst durch bestimmte Programme oder durch finanzielle Förderung von offizieller japanischer Seite ermöglicht. Gewisse Einschränkungen ergaben sich daher auch im philologischen Bereich, wobei sich viele professionelle Japanisch-Übersetzer stärker als Akteur / Akteurin auf dem Buchmarkt positionieren und, um Erfolg zu haben, an dessen Geschäftsgebaren anpassen. Translatorische Ambitionen im Sinne der engagierten Verteidigung von experimenteller Avantgardekunst, Literarizität und Esprit haben heute an diesem Platz wie an anderen Orten der Kulturindustrie des 21. Jahrhunderts schon länger nicht mehr Priorität. Vertritt die Redaktion eine andere Sprachästhetik als der Übersetzungsdienstleister, entscheidet im Zweifelsfall die Redaktion – tonangebende Instanzen sind das Medienunternehmen mit seinem Marketingteam, weniger der Advokat der „Literatur“: Dessen Verständnis von Kunst und intellektueller Orientierung wurde mittlerweile beinahe ganz ad acta gelegt.

Im Katzenzustand: Zur Übersetzung von Ich der Kater

Putz brachte nach Ikezawas Roman Aufstieg und Fall des Macias Guili (2002; Mashiasu Giri no shikkyaku マシアス・ギリの失脚, 1993) sukzessive Tsutsui Yasutakas 筒井康隆 (*1934) Mein Blut ist das Blut eines anderen (2006; Ore no chi wa tanin no chi 俺の血は他人の血 ,1979), das Das Haus Nire. Verfall einer Familie (2009) sowie Inoue Yasushis 井上靖 (1907–1991) Die schwarze Flut (2007; Kuroi shio 黯い潮, 1950) zur Publikation. Zu den frühen Arbeiten zählt ferner noch Endô Shûsakus 遠藤周作 (1923–1996) Roman einer „spirituellen Reise“ nach Indien, Wiedergeburt am Ganges (1995; Fukai kawa 深い河, 1973). Als Herausgeber zeichnete er im Übrigen bei der Sammlung von Funk- und Vortragsmanuskripten des Übersetzerkollegen Siegfried Schaarschmidt (1925–1998) verantwortlich, die unter dem Titel Aufschlußversuche. Wege zur modernen japanischen Literatur 1998 publiziert wurde. Beteiligt war er außerdem an der Zusammenstellung des 2002 im Hamburger Buske Verlag erschienenen Japanisch-Deutschen Zeichenlexikons von Wolfgang Hadamitzky (*1941). Fukunaga Takehikos 福永武彦 (1918–1979) Kusa no hana 草の花 (2012; Des Grases Blumen, 1954) war seine letzte Übersetzung, bevor er am 1. August 2011 der Krankheit erlag. Des Grases Blumen ist ein Jugendroman des Professors für Neuere französische Literatur, ein Text, der wie die Verlagsankündigung schreibt, mit „großer Sensibilität in die Psyche eines heranwachsenden jungen Intellektuellen vordringt und dabei auch die Auseinandersetzung des Autors mit dem Christentum widerspiegelt.“

Neben den literarischen Übertragungen fertigte Putz Übersetzungen z.B. philosophischer Texte an, etwa für die beim Iudicium Verlag erscheinende, von der Saison Foundation gesponsorte „Reihe Japan und sein Jahrhundert“. Darunter befand sich Die Entstehung eines sanften Individualismus: Zur Ästhetik der Konsumgesellschaft (2002; Yawarakai kojinshugi no tanjô 柔らかい個人主義の誕生, 1984) des Literaturkritikers, Dramatikers, Philosophen und Universitätsdozenten Yamazaki Masakazu 山崎正和 (1934–2020). Yamazaki wurde 2006 als Person mit besonderen kulturellen Verdiensten (Bunka Kôrôsha) ausgezeichnet sowie 2018 mit dem vom Kaiser überreichten Kulturorden (Bunka Kunshô) geehrt; er gehörte zur konservativen Elite des Landes (Gebhardt 2000: 11) und korrespondierte – bis auf den Umstand, dass er sich vehement gegen das Ende der 1980er Jahre in Japan verhängte öffentliche Rauchverbot ausgesprochen hatte – wahrscheinlich kaum mit den Auffassungen des Übersetzers.

Der Text, der Putz früh in seiner Laufbahn begegnete und der ihn vor eine besondere Herausforderung stellte, war Natsume Sôsekis Kater. Japanisch-Lektorin Sakamoto Noriko, in deren Besitz sich eine erste Version der Übersetzung mit dem Titel WIR. Die Aufzeichnungen des Katers Namenlos befindet, blickt zurück:

Zu dieser Zeit setzte sich Herr Putz gerade mit dem Kater von Natsume Sôseki auseinander, und seine vordringliche Aufgabe war es zu klären, wie er die Erzählungen des Katers ins Deutsche bringen sollte. Er zerbrach sich den Kopf darüber, ob er nicht die prahlerische Selbstreferenz des Katers, der das Pronomen wagahai gebrauchte, mit dem Pluralis Majestatis wiedergeben sollte. (Sakamoto 2011: 81)

Der Germanist Franz Hintereder-Emde (*1958) kommentiert in seiner Rezension für die Zeitschrift des Deutschen Instituts für Japanstudien (DIJ) wie folgt:

Die Schwierigkeiten, diesen Text zu übersetzen, man ahnt es, sind nicht zu unterschätzen. Sie beginnen mit dem ersten Satz und damit auch mit dem Titel, die im Original identisch sind. Nicht so in der vorliegenden Übertragung. Dem Übersetzer wird bewußt gewesen sein, daß er sich mit welcher Lösung auch immer der Kritik aussetzt. Hier wird auf engstem sprachlichem Raum bereits der Schlußstein gesetzt für ein Textgewölbe, das auf den ersten Blick lediglich als eine Reihe lose verknüpfter Episoden erscheint.

Zusätzlich erläutert er:

Die nur zur Meiji-Zeit (1868–1912) gebräuchliche Ich-Bezeichnung wurde überwiegend von den neuen Eliten der Militärs, Beamten und Intellektuellen, also Männern, benutzt. Aus wagahai sprechen repräsentativer Machtanspruch und ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein. All diese Töne schwingen mit, wenn jemand wie Sôsekis Held wagahai benützt, sie werden aber stehenden Fußes dementiert, wenn es sich beim Sprecher eben nicht um eine Respektsperson, sondern um eine namenlose Katze handelt. Dieses Paradoxon prägt den gesamten Text.

Ziel der Einlassungen, denen ihr Autor Sôseki eine seegurkenähnliche Struktur attestierte, ist, wie es der Germanist zusammenfasst, ein „ästhetisches wie ethisches Plädoyer für eine freie Subjektivität, die sich dem zusehends autoritär vorgegebenen Identitätsschema eines kaisertreuen Untertanen mittels Wahn, genußvoller Leiblichkeit und spielerischem Nonsens entzieht“ (ebenda). Veröffentlicht wurde die zeitkritische Gesellschaftssatire mit subversiver Agenda im Haiku-Magazin Hototogisu von Januar 1905 bis August 1906. Die Leserschaft fand großen Gefallen an den Einsichten, eigenwilligen Missdeutungen und bissigen Kommentaren des Katers zu seiner Umgebung; in einer fulminanten Samplekunst von landeseigenem parodistischen gesaku-Stil der Edo-Ära und mannigfachen Anleihen aus dem neuen westlichen Register gaben sie die irritierenden Fremdheitserfahrungen des Feliden wieder, denen man sich im zeitgenössischen Japan durch den staatlich forcierten Transformationsprozess hin zu einer konkurrenzfähigen Nation tagtäglich selbst ausgesetzt sah.

Als Vertreter des Homo Sapiens stehen im Mittelpunkt das Alter Ego des Autors, im japanischen Original Chinno Kushami 珍野苦沙弥, neurasthenischer Gymnasiallehrer für Englisch, sowie der launige Wahrnehmungsphilosoph Meitei 迷亭, eine zweite Variante des akademisch gebildeten Sonderlings. Die Übersetzungsleistung von Putz beginnt bei den deutschen Äquivalenten für die sprechenden Namen der Protagonisten: Meitei wird zu „Professor Wirrhaus“, Kushami zu „Rarus Schneutz“, wobei allerdings die Gesamtkonnotation der Zeichen, die eine religiöse Komponente aufweisen (eventuell treffender: Rarus Niesklausner), verloren geht und mit ihr das metasprachliche Moment. Während zahlreiche der Putz’schen Lösungen auf Beifall stoßen, fordert der Rezensent des Katers an manchen Passagen ein „präziseres Bild“ – im Fall der „Bohnenmusstückchen“ als Speise von unklarer Konsistenz – oder eine „elegantere, dann wieder saftigere Formulierung“ ein. Zu beanstanden sei:

Nudeln haben in der Regel keine Schwänze, sondern Enden.

Unstimmig erscheint ihm zudem die Prägung die „Psychologie des Jemand-Ärgerns“, für die er „Hänseln“ vorschlägt. Kleinere Fehler sieht der aufmerksame Kritiker zudem im Anmerkungsteil des Übersetzers, wenn dieser u.a. die Stadt Karatsu auf Kyûshû nach Honshû verlegt. Angesichts der „Fülle gelungener, witziger und kreativer Lösungen“, die „der Übersetzer zu bieten“ habe, seien einige Fehlgriffe jedoch eher unerheblich (Hintereder-Emde 1997: 371f.). In der Tat hat man die translatorische Arbeit von Otto Putz in dem Maß gewürdigt, als dass viele Sätze des Katers im „größten Deutsch-Japanischen Wörterbuch als Belege angeführt werden“,10Es handelt sich um das Große Japanisch-Deutsche Wörterbuch (2009–2022), das von Jürgen Stalph, Irmela Hijiya-Kirschnereit, Wolfgang Schlecht und Ueda Koji herausgegeben wird und das Satzbelege aus Zeitungen, Zeitschriften, Werbung, Wissenschaft und Literatur mit Quellenangaben enthält. Online unter http://www.wadokudaijiten.de/ sowie https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/oas/japanologie/forschung/woerterbuch/index.html (letzter Aufruf 15. März 2022). Auf der Seite 529 des Lexikons findet sich z.B. die Zitation „Geht mein Herr aus dem Haus, verschwendet er keine Gedanken an sein Äußeres, sondern geht einfach“, die – die im Kater gebrauchte japanische Wendung burari to ぶらり と – illustriert, welche besagt, dass jemand ohne zielgerichtete Absichten sein Haus verlässt (deru to futokorode wo shite burari to deru), „einfach“ mal so. wie der Iudicium Verlag seinerzeit warb.

Abschließend zitiert der in Japan beheimatete Germanist eine Schlüsselpassage des selbstreflexiven Romans, die auch hier noch einmal als gelungene Übersetzungsprosa vorgestellt werden soll:

Es mag Leser geben, die der Meinung sind, ich schriebe, wie mir die Schnauze gewachsen ist, aber ich bin keineswegs ein Kater von solch leichtfertiger Denkungsart. Es versteht sich von selbst, daß in jedem Wort, daß in jeder Wendung die fundamentalen philosophischen Prinzipien eingeschlossen sind, die im Kosmos walten; liest man diese Wörter und Wendungen für eine Weile ohne Pausen einzulegen, so wird eine innere Stringenz sichtbar, bei der alles mit allem verbunden ist und der Anfang das Ende beleuchtet, und was als Ansammlung von belanglosen Geschichten gedeutet und mit leichtem Sinn gelesen wurde, wandelt sich urplötzlich und wird zum bedeutenden Kompendium von Sprüchen und Lehren […]. Ich möchte mir daher strikt die Unhöflichkeit verbitten, diesen Text im Liegen oder mit ausgestreckten Beinen zu lesen und jeweils fünf Zeilen auf einen Blick zu nehmen.

Die Einforderung von Achtung für Sprache als sinnstiftendes und reflektierendes Moment enthält nicht nur die spöttische Mahnung des Alter Egos von Natsume Sôseki, sondern mag auch in felider Konfiguration die Einstellung des Übersetzers Putz echoen. Aus ihr, so deutet der Kater an, entspringt die Freude, die Wortlogik über temporär glossolalische Passagen in eine musikalische Intonation münden zu lassen, was eine – auf eine Sphäre der Erlösung vom irdischen Dasein hin ausgerichtete – rauschhafte bis spirituelle Note impliziert. Der Lifestyle-Code der fin de siècle-Moderne um 1900 kann aktuell wohl kaum mehr goutiert werden. Den Übersetzenden, der heute eine „dritte Weltliteratur“ produziert (Morita 2019), bringt er allerdings nach wie vor in einen – frei nach Schrödinger – „Katzenzustand“ und in höchste Schwierigkeiten.

Anmerkungen

  • 1
    Zu den HOL-Herausgebern zählen u.a. Hans Peter Hoffmann, Hans Kühner, Thorsten Traulsen, Wolf Baus und Asa Bettina Wuthenow; zur Geschichte des Magazins siehe Wuthenow (2021).
  • 2
    Die 51. Ausgabe enthält zahlreiche Informationen über die von Otto Putz geleisteten Übersetzungsarbeiten, Erinnerungen, Würdigungen sowie ihm zugeeignete „Übersetzungen für einen Übersetzer“. Das Vollständige Inhaltsverzeichnis (1983–2021) informiert zudem über die Erscheinungsdaten seiner für HOL erbrachten Einzelbeiträge (Tiefenbach 2021).
  • 3
    Für Hinweise zu Werdegang und Biographie danke ich Martina Drijkoningen (Universität Tübingen), Claudius Stein vom Referat Universitätsarchiv der LMU München sowie Eva-Maria Meyer (Universität Tübingen) und Elisabeth Armbruster, aus deren Besitz das für diesen Artikel verwendete Foto stammt.
  • 4
    Eine Hoch-Zeit der Übersetzung japanischer Literatur brachte die Frankfurter Buchmesse 1990 mit ihrem Japanschwerpunkt; über 230 Neuübersetzungen und Nachdrucke entstanden in diesem Jahr. Die Zahl der Übersetzer stieg im Gefolge des Events an. Während bis 1995 drei Langgedienten, Oscar Benl (1914–1986), Jürgen Berndt (1933–1993) und Siegfried Schaarschmidt (1925–1998), die meisten der bis zu diesem Datum erschienenen Titel zu verdanken waren (siehe Stalph 1995: xiiif.).
  • 5
    Ab den 2000er Jahren wurde das Thema „Weltliteratur“ auch in der japanologischen Gemeinde öfter diskutiert, siehe etwa den Beitrag von Wolfgang Schamoni (2009).
  • 6
    Ähnlich aktiv waren während dieser Zeitspanne – in einer Folgegeneration nach den „großen alten Übersetzern“ Benl, Schaarschmidt und Berndt – Barbara Yoshida-Krafft (1927-2003; Arbeiten ab den 1980ern) und Wolfgang Schamoni. In zweiter Reihe zu nennen sind Irmela Hijiya-Kirschnereit (1948), Jürgen Stalph (1954) und Wolfgang Schlecht (*1950).
  • 7
    Das „Unternehmen zur Übersetzung und Verbreitung moderner japanischer Literatur“ ist ein vom japanischen Amt für kulturelle Angelegenheiten, Bunka-chô, im Jahr 2002 aufgelegtes Projekt, das die finanzielle und organisatorische Unterstützung bei der Übersetzung und Publikation wichtiger Werke beabsichtigt. Beteiligt sind die Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch und Russisch (Klopfenstein 2014); in Klopfensteins Beitrag wird das Projekt vorgestellt sowie eine Liste von Werken und deren Übersetzern / Übersetzerinnen, darunter Otto Putz, beigefügt.
  • 8
    Kita Morio ist der Künstlername von Saitô Sôkichi, Sohn des bekannten Dichters Saitô Môkichi 斎藤茂吉 (1882–1953); Sôkichi studierte Medizin und reiste 1958 als Schiffsarzt für mehrere Monate nach Europa. 1960 erhielt er den bedeutenden Akutagawa-Preis.
  • 9
    Den Übersetzenden wird mit dem Aufstieg der Kulturtransferforschung mehr Aufmerksamkeit zuteil, so Broomans. Übersetzerbibliographien seien „Bausteine für eine transnationale Literaturgeschichte“ (2016: 263f.). Generell würden Lebensbeschreibungen von Übersetzern häufig als „Mischung zwischen Heldengeschichte“ und „Sisyphusarbeit“ konstruiert: „Als Held kämpft er für seine noch nicht übersetzten Autoren oder den herausragenden literarischen Text, der unbedingt in seinem eigenen Land eingeführt werden soll. Als Handwerker vollendet er seine Übersetzung aber nie, sie bleibt Sisyphusarbeit.“
  • 10
    Es handelt sich um das Große Japanisch-Deutsche Wörterbuch (2009–2022), das von Jürgen Stalph, Irmela Hijiya-Kirschnereit, Wolfgang Schlecht und Ueda Koji herausgegeben wird und das Satzbelege aus Zeitungen, Zeitschriften, Werbung, Wissenschaft und Literatur mit Quellenangaben enthält. Online unter http://www.wadokudaijiten.de/ sowie https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/oas/japanologie/forschung/woerterbuch/index.html (letzter Aufruf 15. März 2022). Auf der Seite 529 des Lexikons findet sich z.B. die Zitation „Geht mein Herr aus dem Haus, verschwendet er keine Gedanken an sein Äußeres, sondern geht einfach“, die – die im Kater gebrauchte japanische Wendung burari to ぶらり と – illustriert, welche besagt, dass jemand ohne zielgerichtete Absichten sein Haus verlässt (deru to futokorode wo shite burari to deru), „einfach“ mal so.

Quellen

Broomans, Petra (2016): Vergessener Held oder dienender Handwerker. Zur Diskursstrategie in Übersetzerbiographien. In: Kelletat, Andreas F. / Tashinskiy, Aleksey / Boguna, Julija (Hg.): Übersetzerforschung: Neue Beiträge zur Literatur- und Kulturgeschichte des Übersetzens. Berlin: Frank & Timme Verlag, S. 255–264.
Eschbach-Szabo, Viktoria (2011): Otto Putz und die Übersetzung der japanischen Literatur. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 65–68.
Gebhardt, Lisette (2000): Die „Ekstase der Oktopusse“: Anmerkungen zum japanischen Kulturdiskurs anhand der Reihe „Japan und sein Jahrhundert“. In: Gesellschaft für Japanforschung e.V. (Hg.): JAPANFORSCHUNG. Mitteilungen der Gesellschaft für Japanforschung e.V., Jg. 2000, H. 2, S. 10–16.
Hefte für Ostasiatische Literatur (HOL) 1–70. Vollständiges Inhaltsverzeichnis (1983–2021). Erstellt von Thilo Tiefenbach (2021). Online unter: https://www.iudicium.de/katalog/Gesamtregister_HOL.pdf (letzter Aufruf 30. März 2022).
Hoffmann, Hans Peter (2011): Nicht geführtes Gespräch. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 11–14.
Hoppner, Inge (2011): Otto Putz und seine Übersetzungen für das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 54–55.
Hijiya-Kirschnereit, Irmela (2011): „Die Zeit der Katzen wird kommen!“ Otto Putz übersetzt Natsume Sôseki. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 59–62.
Hintereder-Emde, Franz (1996): NATSUME Sôseki: Ich der Kater. Aus dem Japanischen übertragen und mit einem Nachwort versehen von Otto PUTZ. Rezension. In: Japanstudien 9 (1996), S. 363–374. Online unter: https://www.dijtokyo.org/articles/JS9_Hintereder-Emde.pdf (letzter Aufruf 15. Januar 2022).
Ikezawa Natsuki (2011): Die Übersetzung, um die ich ihn nicht bitten kann. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 20–23.
Ikezawa Natsuki (2011): Ein Platz fürs Leben. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 24–39.
Klopfenstein, Eduard (2011): Zum Gedenken an Otto Putz. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 69–74.
Klopfenstein, Eduard (2014): Zehn Jahre JLPP – Versuch einer zusammenfassenden Darstellung und Bilanzierung des Japanese Literature Publishing Project. In: Gebhardt, Lisette / Schulz, Evelyn (Hg.): Neue Konzepte japanischer Literatur? Nationalliteratur, literarischer Kanon und die Literaturtheorie. Berlin: EB-Verlag, S. 11–43.
Marutschke, Hans-Peter (2011): Aus der Laudatio für Otto Putz anläßlich der Verleihung des JaDe-Preises im Japanischen Kulturinstitut, Köln, am 12. Februar 2011. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 63–64.
Natsume Sôseki (1996): Ich der Kater. Roman. Aus dem Japanischen übertragen und mit einem Nachwort versehen von Otto Putz. Frankfurt/M.: Insel Verlag.
Morita Norimasa (2019): Die Entstehung der dritten Weltliteratur. Anmerkungen zum Gegenwartsroman in Japan und der Welt von den 1990er Jahren bis heute. In: Radaelli, Giulia und Nike Thurn (Hg.): Gegenwartsliteratur – Weltliteratur. Historische und theoretische Perspektiven. Bielefeld: Transcript, S. 119–150.
Ortmanns, Annelie (2011): Telefonseelsorge. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 75–76.
Putz, Otto (2011): Übersetzung von Ikezawa Natsuki: Ein Platz fürs Leben. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 24–39.
Putz, Otto (1985): Ishikawa Takubokus Tagebuch Meiji shijûichinen nisshi – sono ni. In: Bochumer Jahrbuch zur Ostasienforschung, Bd. 8 )1985), S. 301–434.
Putz, Otto (1981): Ishikawa Takuboku und die literarische Szene in Tôkyô 1908 – dargestellt anhand des Tagebuchs. München: LMU (unveröffentlichte Magisterarbeit).
Sakamoto Noriko (2011): Woran ich mich erinnere. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 80–84.
Schamoni, Wolfgang (2009): Der Abschied vom „Western Canon“. In: Hefte für Ostasiatische Literatur Nr. 47 (2009), S. 108–125 (Rezension zu: David Damrosch (Hg.): The Longman Anthology of World Literature, 6 Bde. New York 2004).
Stalph, Jürgen (1995): Vorwort. In: Stalph, Jürgen, Gisela Ogasa / Puls, Dörte (Hg.): Moderne japanische Literatur in Übersetzung. Eine Bibliographie der Jahre 1868–1994. München: Iudicium Verlag, S. ix–xv.
Wuthenow, Asa Bettina (2011): In memoriam Otto Putz. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 40–42.
Wuthenow, Asa Bettina (2011): Schriftenverzeichnis Otto Putz. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 51 (2011), S. 43–50.
Wuthenow, Asa Bettina (2021): Die Literaturen Ostasiens in deutscher Übersetzung – Vier Dekaden Hefte für Ostasiatische Literatur. In: Hefte für Ostasiatische Literatur, Nr. 70 (2021), S. 129–141.
Yomitai! Neue Literatur aus Japan (2012). Herausgegeben von Lisette Gebhardt. Berlin: EB-Verlag.
Yoshizaki Toyo (2004): Books are Silent Ambassadors: The Noma award for the translation of Japanese literature. In: Publishing Research Quarterly 19, 4 (2004), S. 31–36.

Zitierweise

Gebhardt, Lisette: Otto Putz, 1954–2011. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 5. April 2022.
CaptionOtto Putz, um 1982 (Quelle: Privatarchiv Elisabeth Armbruster/Otto Putz, © privat)
Publication Date25. Juli 2022
Otto Putz, um 1982 (Quelle: Privatarchiv Elisabeth Armbruster/Otto Putz, © privat)