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Carl August Pentz von Schlichtegroll (Walter Panitz), 1884–1969

6. Januar 1884 Grevesmühlen (Deutsches Reich) - 27. Februar 1969 Bad Eilsen (Bundesrepublik Deutschland)
Original- und Ausgangssprache(n)
Polnisch
Schlagworte
Übersetzte GattungenAnthologien, Balladen, Lyrik, Oden, Poeme, Versepen/Verserzählungen Sonstige SchlagworteArchiv (Nachlass)

Das übersetzerische Hauptwerk des Carl August Pentz von Schlichtegroll erschien 1955 bzw. 1956 sowohl in der DDR (Aufbau-Verlag) wie in der BRD (Rowohlt): Pan Tadeusz oder Der letzte Einritt in Litauen. Versepos in 12 Büchern. In dem gut 600 Seiten starken Band wird als Übersetzer allerdings ein „Walter Panitz“ genannt. Dass dieser Name ein Pseudonym ist, hinter dem sich Carl August Pentz von Schlichtegroll verbirgt, wurde 2024 durch einen Aufsatz der Greifswalder Dozentinnen für Niederdeutsch bzw. Polonistik „wiederentdeckt“ (vgl. Ritthaler-Praefcke/Stern 2024).1In der Bibliographie Polnische Literatur in deutscher Übersetzung (Kuczýnski 1987) wurde das Pseudonym bereits aufgelöst und sogar noch ein weiteres verzeichnet: „Felix Zgryzota“. Durch Kontakt zur Enkeltochter Tina von Pentz konnten Ritthaler-Praefcke und Stern die Lebensstationen des Übersetzers Pentz/Panitz rekonstruieren (Ritthaler-Praefcke/Stern 2024: 321–323):

Als ältester Sohn des Gutsbesitzers Hugo von Pentz wuchs Carl August von Pentz auf der Domäne Santow bei Grevesmühlen in Nordwestmecklenburg auf. Das Abitur machte er auf dem humanistischen Gymnasium in Lübeck, eine landwirtschaftliche Ausbildung anschließend in Rostock. 1912 übernahm er das seit dem 14. Jahrhundert im Besitz der Familie von Pentz befindliche, gut 900 Hektar umfassende Allodialgut Volzrade. In beiden Weltkriegen diente er in der Armee des Deutschen Reiches. Im zweiten Weltkrieg, schreibt seine Enkelin,

wohnte er sozusagen im Vorzimmer des Fürsten Radziwill […] Seine Schilderungen aus Polen, wo er als Wirtschaftsoffizier für die Lebensmittelproduktion auf beschlagnahmten Gütern zuständig war und überall polnische Freunde hatte, haben mich eigentlich mein ganzes Leben belastet.2E-Mail Tina von Pentz an A. Kelletat, 17. Januar 2025.

Das Polnische soll er schon als Gymnasiast durch Kontakte zu polnischen Seeleuten im Lübecker Hafen und zu Saisonarbeitern auf Volzrade sowie durch die Lektüre des Pan Tadeusz autodidaktisch erlernt haben. In einem Wie ich Übersetzer wurde betitelten Nachlass-Typoskript erwähnt er einen Kaplan, der ihn „auf die polnische Literatur gebracht [hat], und ihm verdanke ich, dass ich mich mit dem Pan Tadeusz befasste“ (Ritthaler-Praefcke/Stern 2024: 322).

Im Herbst 1945 wurde das Gut Volzrade im Zuge der Bodenreform enteignet, das Gutshaus kam in den Besitz der Gemeinde Lübtheen und diente u. a. Flüchtlingsfamilien als Unterkunft. In einem für seine Kinder und Enkel geschriebenen Erinnerungstext Welcher Weg ist der richtige erzählt von Pentz, dass er zwischen 1946 und 1951 mit einer kleinen Gruppe von polnischen und deutschen Kindern Veranstaltungen durchgeführt hat, auf denen die Kinder Volkslieder wie Góraly, czy nie żal sangen sowie

Gedichte von der Konopnicka oder Tetmajer aufsagten, die ich übertragen hatte. Auch von Lenartowicz war eins dabei. Ein Mädchen aus der polnischen Gruppe sagte dann den polnischen Text auf, ein anderes deklamierte die deutsche Fassung. Diese kleinen Veranstaltungen, meist in Schulen, Kinderheimen und Lazaretten, hatten solchen Erfolg, daß man an mich herantrat mit der Bitte, sie auch in größerem Rahmen durchzuführen.

Das geschah und als besonderer Höhepunkt wurde eine Schauspielerin engagiert, die die Ode an die Jugend von Mickiewicz vortragen sollte. Doch schon bei der ersten Zeile „nur Völker von Skeletten“ brach „brüllendes Gelächter“ los. Also veränderte von Pentz die Übersetzung und strich das Wort „Skelett“. Das freilich führt bei ihm zu generellen translationspoetologischen Überlegungen. Muss der Übersetzer mitunter nicht „falsch“ übersetzen, um im Deutschen in etwa das auszudrücken, was Mickiewicz auf Polnisch gesagt hatte. Schon

der Heilige Hieronymus, der Schutzheilige der Übersetzer, sagt: Non verbum exprimere e verbo sed sensum de sensu. Mickiewicz wollte einen seelenlosen Menschen darstellen, einen Materialisten. Gewiß, ein Skelett ist seelenlos, aber iom Deutschen verbinden wir durchaus nicht diesen Begriff mit dem Worte „Skelett“. Ganz im Gegenteil, ein skelett-magerer Mensch könnte eher als Asket gelten. Umgekehrt sieht man im Deutschen in einem Fettleibigen gern einen Egoisten, einen Materialisten […]. Also sage ich das, was der Dichter mit dem Worte „Skelett“ ausdrücken wollte korrekter, wenn ich ihn – – falsch übersetze.

Seine übersetzerische „Praxis, nicht verbum exprimere e verbo“ habe ihm „wütende Angriffe mancher Kritiker eingebracht“, aber er sei überzeugt gewesen, „auf dem richtigen Weg zu sein“:

Mickiewicz selbst hat oft gesagt: Ich möchte, dass jede Bäuerin mein Buch zur Hand nähme und meine Verse läse, so ganz als ob es ihre eignen wären. Wollte man das bei einer Übersetzung zum Beispiel der des ‚Pan Tadeusz‘ erreichen, oder auch nur anstreben, so müsste er ins – Plattdeutsche übertragen werden, denn das ist nun einmal bei uns die Sprache des Volkes. Große Teile dieses Gedichtes habe ich ins Plattdeutsche übertragen und noch gestern am 11.11.1961 habe ich bei einer Veranstaltung feststellen können, dass die Zuhörer immer neue Proben dieser meiner plattdeutschen Versuche hören wollten. Ein wahrer Dichter wird sagen: Die Meinung des Publikums lässt mich völlig kalt, wir geht es nur um das Kunstwerk. Und hier zeigt sich auch, dass ich eben gar kein Dichter bin, denn mir geht es nur darum, die Vorurteile zu beseitigen, die unser Volk noch immer gegen den Nachbarn im Osten hat und zwar, da mir keine andere Möglichkeit gegeben ist, auf dem Gebiete der Literatur. Und schließlich soll doch ein Deutscher, der mit großen Vorurteilen an die Lektüre von Werken der polnischen Literatur herangeht, diese in einer Form dargeboten bekommen, die er einmal verstehen kann und zweitens, die er auch mit einem gewissen Vergnügen liest. Ich habe mehrfach den Versuch gemacht, den Eindruck der verschiedenen Übersetzungen auf den deutschen Leser zu testen, indem ich einem zum Beispiel die Spazier’sche Übersetzung des Pan Taddeus in die Hand gab, oder die neueste Heidelbergische Hexameter Übertragung, ( von Buddensieg) und ihn bat, eine Seite davon zu lesen und dann den Sinn des Gelesenen kurz wiederzugeben. Fast immer bekam ich die Antwort: Es ist keinerlei Zusammenhang und keinerlei Handlung zu erkennen. Die Spazier’schen Knüttelverse erregten ausnahmslos Kopfschütteln, die Hexameter Unbehagen, denn erstens ist dies Versmaß dem Deutschen unbequem, und wer sich noch aus der Schulzeit der Regeln erinnert, die für den Hexameter seit nahezu 3.000 Jahren Gültigkeit haben, der wird mit Erstaunen feststellen, daß fast kein einziger der Heidelberger Hexameter in dieses Schema passt. Die weitaus beste Übertragung des Pan Tadeusz hat Frau Dr. Friedenberg geschrieben, die ganz auf Vers und Reim verzichtet und in Prosa geschrieben hat, aber in einer edlen, poetischen Sprache, die alle barbarischen Wortformungen vermeidet und von einer tiefen Kenntnis des Milieus zeugt, deren Fehlen zusammen mit den Sprachmonstren die Heidelberger Übertragung zum Ärgernis macht. Pro captu lectoris habent sua fata libelli! – wie sie der Leser versteht, so ist das das Schicksal der Bücher! – hat schon im 3. Jahrhundert Terentianus Maurus in seinem Carmen heroicum (einem Teil des Gedichtes De litteris, syllabis et metris) gesagt.

Gut hundertmal will von Pentz in den Jahren 1946 bus 1951 mit seiner deutsch-polnischen Kinderschar in ausverkauften Kinosälen mit 300 oder sogar 1.200 Plätzen aufgetreten sein. 1951 verließ der inzwischen 67-Jährige die DDR und ließ sich in Wilhelmshaven nieder. Jetzt erst veröffentlichte er – mitunter als Privatdruck in kleiner Auflage – seine Übersetzungen, im Band Polen? Deutschland? auch die ins Niederdeutsche. Die meiste Beachtung fand seine 1955/56 parallel in Ost- und Westdeutschland zur Wiederkehr des hundersten Todestages von Adam Mickiewicz erschienene Nachdichtung des Versepos Pan Tadeusz.

Eine gründlichere Darstellung seiner Sprach- und Topobiographie sowie eine Würdigung seiner übersetzerischen Leistungen steht noch aus. Hierfür wären auch der im Deutschen Polen-Institut Darmstadt aufbewahrte Teil-Nachlass zu sichten und die Resultate jener biographischen Recherchen zu berücksichtigen, die derzeit von seiner Enkeltochter Tina von Pentz anhand umfangreicher Nachlass-Materialien3„Es sind spannende Geschichten, die er auf leider 1000den von Seiten für uns Enkelkinder ungeordnet in die Schreibmaschine geschrieben hat.“ (E-Mail 17. Januar 2025) für eine Veröffentlichung aufbereitet werden.

Anmerkungen

  • 1
    In der Bibliographie Polnische Literatur in deutscher Übersetzung (Kuczýnski 1987) wurde das Pseudonym bereits aufgelöst und sogar noch ein weiteres verzeichnet: „Felix Zgryzota“.
  • 2
    E-Mail Tina von Pentz an A. Kelletat, 17. Januar 2025.
  • 3
    „Es sind spannende Geschichten, die er auf leider 1000den von Seiten für uns Enkelkinder ungeordnet in die Schreibmaschine geschrieben hat.“ (E-Mail 17. Januar 2025)

Quellen

Kuczýnski, Krzysztof (1987): Polnische Literatur in deutscher Übersetzung. Von den Anfängen bis 1985. Darmstadt: Deutsches Polen-Institut.
Ritthaler-Praefcke, Karin / Stern, Ulrike (2024): Polnische Gedichte in deutscher und niederdeutscher Übertragung – Carl August von Pentz alias Walter Panitz wiederentdeckt. In: Aktuelle Trends in der Übersetzungswissenschaft. Hg. von Artur Dariusz Kubacki und Piotr Sulikowski. Göttingen: V & R unipress, S. 317–331.

Archiv

Deutsches Polen-Institut, Darmstadt: Teilnachlass, der vor allem unveröffentlichte Manuskripte und maschinenschriftlich vervielfältigte Übersetzungen enthält. (Bestandsverzeichnis in Bearbeitung). Ein Teil seiner Polonica wurde in die Bibliothek des Instituts aufgenommen. (Zurzeit wird der Nachlass digitalisiert und ist daher nicht einsehbar; Stand: Januar 2025).

Zitierweise

Kelletat, Andreas F.: Carl August Pentz von Schlichtegroll (Walter Panitz), 1884–1969. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 18. Januar 2025.

Bibliographie (Auszug)

Übersetzungen (Buchform)

Sekundärliteratur

Detaillierte Bibliographie