Hans-Hermann Bartens, Jg. 1945
Hans-Hermann Bartens, geboren im Februar 1945 in Adelebsen, hat nach dem Abitur am Felix-Klein-Gymnasium in Göttingen (Schulfremdsprachen: Englisch und Latein) von 1965 bis zur Promotion 1978 zunächst Deutsche Philologie und dann primär Finno-Ugristik studiert. Das tat er ebenfalls in Göttingen an der Georg-August-Universität, unterbrochen von einem Gastsemester in Groningen (Wintersemester 1967/68)1„Nach Groningen bin ich über das Niederdeutsche gekommen, es gab damals zwischen Göttingen und Groningen einen Austausch für einen Studenten, der Gelegenheit hatte, am Dialektatlas für die Ostniederlande und angrenzende Gebiete mitzuarbeiten. […] In dem halben Jahr habe ich bei meinem täglichen Aufenthalt im Institut fließend Niederländisch zu sprechen gelernt. Und an einem Friesischkurs teilgenommen. Zu dem bin ich gekommen, weil der Professor für Friesisch jemanden brauchte, der ihm beim Übersetzen der alten friesischen Texte ins Deutsche helfen würde. Das alles ist für später nur insofern relevant gewesen, als ich trotz geschwundener Kenntnisse später Nutzen beim Lesen niederländischer Texte hatte.“ (E-Mail an den Verfasser vom 19. September 2024). und einem Forschungsaufenthalt im finnischen Turku. Dort in Finnland hat er von 1970 bis 1973 als Stipendiat der Finno-Ugrischen Gesellschaft zunächst Material in Helsinki gesammelt und dann vor allem in Turku unter Kaino Heikkilä am Wörterbuch des Mordwinischen mitgewirkt, nach Heikkiläs frühem Tod dessen Arbeit zeitweise weitergeführt (E-Mail vom 19. September 2024). Von 1978 bis zur Pensionierung zum Ende des Wintersemesters 2009/10 hat er an der Universität Göttingen unterrichtet, ab 1980 als Akademischer Rat.
Neben sprachwissenschaftlichen Publikationen aus dem Bereich der Finno-Ugristik (Monographien, Aufsätze, Rezensionen) hat Bartens immer auch Übersetzungen veröffentlicht, wobei der Anstoß zu dieser Arbeit meist von ihm selbst kam (ebd.). Das betraf in den 1970er und frühen 80er Jahren aus dem Ungarischen und Estnischen ins Deutsche gebrachte sprachwissenschaftliche Fachtexte (u. a. eine 349 S. starke Einführung in die ostseefinnischen Sprachen von Arvo Laanest), später auch Erzählungen (etwa von Kirsti Paltto) und zahlreiche folkloristische Texte, meist aus dem Samischen/Lappischen, zusätzlich aus sehr „kleinen“ bzw. distanten Sprachen wie dem Wotjakischen, Tscheremissischen oder Syrjänischen. Einzelne Übersetzungen entstanden in Zusammenarbeit mit der aus Vaasa stammenden Helsinkier Professorin für Finno-Ugristik Raja Bartens, geb. Jokinen (Jg. 1933).2„Literarische Übersetzungen aus diesen kleineren Sprachen in Russland sind teils auf Anregung von János Pusztay entstanden, dem ich seit seiner Lektorentätigkeit in Göttingen freundschaftlich verbunden bin. Er bat mich, die deutsche Übersetzung für die viersprachigen Publikationen zu übernehmen. Natürlich lag es auch daran, dass es in der Familie eine Übesetzerin gab, an deren Sprachkenntnisse ich aber nie auch nur annähernd herangekommen bin.“ (E-Mail vom 19. September 2024).
Das Übersetzen diente Bartens nicht zuletzt der Unterstützung des eigenen Unterrichts am Göttinger Finnisch-Ugrischen Seminar, ablesbar z. B. an seinem aus dieser Lehre entwickelten Lehrbuch der saamischen (lappischen) Sprache (1989, 533 S.).
Als sein Opus magnum kann die 2018 bei Frank & Timme (Berlin) verlegte, 463 Seiten umfassende und gründlich kommentierte Sammlung Sagen aus Lappland bezeichnet werden. „Der Impuls zu den lappischen Märchen ist vom Verlag ausgegangen, es hat viele Jahre gedauert, bis das Buch veröffentlicht wurde. Die Beschäftigung mit der Folklore ist dann aber wesentlich aus den Kontakten mit der damaligen Arbeitsstelle Enzyklopädie des Märchens hervorgegangen, besonders mit dem Leiter Prof. Dr. Hans-Jörg Uther“ (ebd.). Eine an ein breiteres Publikum gerichtete Ausgabe der Sagen aus Lappland erschien 2019 unter dem Titel Die Frau mit der Bärentatze (251 S.) in dem ebenfalls von Karin Timme geleiteten Berliner Literaturverlag Noack & Block.
Am wissenschaftlichen, lexikographischen, sprachdidaktischen und übersetzerischen Lebenswerk von Hans-Hermann Bartens ist erkennbar, welch dominierende Rolle das Deutsche als internationale Kommunikationssprache der Finno-Ugristik durch über hundert Jahre gespielt hat. Diese Zeit ist vorüber, auch in dieser Disziplin ist in der jüngsten Forschergeneration ein vollständiger Umzug ins Englische erfolgt. Dass sich ein für zahlreiche überaus komplexe und schwer zu erlernende Sprachen zuständiges Fach wie die Finno-Ugristik im heutigen Bachelor-Master-Schmalspursystem kaum noch sinnvoll studieren lässt, ist Bartens bewusst. Seinen mir übermittelten Rückblick schließt er mit dem Kommentar: „Ich würde als Student heute bestimmt als fortwährender Studienabbrecher/-wechsler geführt. Aber damals war man ja noch so frei, und eigentlich bedauere ich die heutigen Studenten, die sofort wissen sollen, wohin sie wirklich wollen“ (ebd.).
Anmerkungen
- 1„Nach Groningen bin ich über das Niederdeutsche gekommen, es gab damals zwischen Göttingen und Groningen einen Austausch für einen Studenten, der Gelegenheit hatte, am Dialektatlas für die Ostniederlande und angrenzende Gebiete mitzuarbeiten. […] In dem halben Jahr habe ich bei meinem täglichen Aufenthalt im Institut fließend Niederländisch zu sprechen gelernt. Und an einem Friesischkurs teilgenommen. Zu dem bin ich gekommen, weil der Professor für Friesisch jemanden brauchte, der ihm beim Übersetzen der alten friesischen Texte ins Deutsche helfen würde. Das alles ist für später nur insofern relevant gewesen, als ich trotz geschwundener Kenntnisse später Nutzen beim Lesen niederländischer Texte hatte.“ (E-Mail an den Verfasser vom 19. September 2024).
- 2„Literarische Übersetzungen aus diesen kleineren Sprachen in Russland sind teils auf Anregung von János Pusztay entstanden, dem ich seit seiner Lektorentätigkeit in Göttingen freundschaftlich verbunden bin. Er bat mich, die deutsche Übersetzung für die viersprachigen Publikationen zu übernehmen. Natürlich lag es auch daran, dass es in der Familie eine Übesetzerin gab, an deren Sprachkenntnisse ich aber nie auch nur annähernd herangekommen bin.“ (E-Mail vom 19. September 2024).