Eugen Betzer, 1901–1969
In Bibliotheks- und Antiquariatskatalogen ist nur eine einzige Übersetzung von Eugen Betzer verzeichnet: das 1955 im Ost-Berliner Privatverlag von Alfred Holz veröffentlichte, von Bert Heller (1912–1970) illustrierte, 55 Seiten starke Charlie Chaplin-Kinderbuch von Michael Gold, dessen Original (Charlie Chaplin’s Parade) 1930 in New York erschienen war. Michael Gold (1894–1967) war für die Kommunistische Partei der USA ein wichtiger Unterstützer aus dem Kulturbereich und das spätestens seit seinem Bestseller Jews Without Money (ebenfalls 1930, deutsch von Paul Baudisch bereits 1931). So erstaunt es nicht, dass in der DDR nicht nur Juden ohne Geld 1950 erneut verlegt wurde (bei Dietz, weitere Auflage 1989), sondern auch Michael Golds Kinderbuch. Die Erstauflage im Alfred Holz Verlag betrug 10.000 Exemplare, ein Reprint der Ausgabe erschien 1990 im SED-eigenen Kinderbuchverlag Berlin, an den Holz seinen Verlag Anfang der 60er Jahre hatte überführen müssen (Links 2018: 31).
Über den Übersetzer lassen sich bei einer ersten Internet-Recherche nur wenige Daten ermitteln, die fast alle aus der Nachlassdatenbank bzw. der Beständeübersicht des Bundesarchivs (SAPMO) stammen. Dort finden sich die Angaben, dass Eugen Betzer Gewerkschafter und KPD-Funktionär gewesen ist, ferner Mitglied der Reichsleitung der 1930 gegründeten Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit, die 1931 über 100.000 Mitglieder zählte und ihre eigene Sportzeitung herausgab: Rot Sport – Chefredakteur: Eugen Betzer. Aufgezählt werden in der Datenbank seine Exilstationen: CSR, Großbritannien und Australien, wobei er vielleicht 1940 als „feindlicher Ausländer“ in ein Internierungslager im fernen Australien geschafft worden sein mag.
Über die Exilzeit in Prag findet sich ein winziger Hinweis in Henry Jacobys Autobiographie Davongekommen, in einem Passus über seine Kontakte zu anderen aus Deutschland Geflüchteten:
Hin und wieder besuchten wir das Massenquartier der KPD-Emigranten, wo auch eine Reihe SAPler und Parteilose untergebracht waren. Hier trafen wir einen ehemaligen Angehörigen der Freien Jugend, Erich Sz., mit seiner Frau sowie Eugen Betzer, einst einer der führenden Leute in der anarcho-syndikalistischen Jugend. Jetzt waren sie eifrige und gläubige Parteimitglieder. Erst in dieser Massenunterkunft kam einem das Elend der Emigration so recht zu Bewusstsein. Ein Haufen von Menschen hockte hier miteinander, die nichts Rechtes mit sich anzufangen wussten, sich gegenseitig im Wege waren, von der Partei mit allerlei Scheinaktivitäten in Gang gehalten und gleichzeitig auf jedes Wort hin beobachtet wurden. (Jacoby 1982: 31).
Weitere Recherche-Splitter:
Das Amsterdamer Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis (IISG) bewahrt in seinem Archiv drei Plakate aus dem Jahr 1927, auf denen die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten) zu Kundgebungen in Berlin aufrief: 1. Mai: Große Mai-Demonstration auf dem Bülow-Platz, 31. Juli: Anti-Kriegstag in Treptow1Die Bleistiftnotiz 1926 auf dem Plakat ist falsch, denn erst 1927 fiel der 31. Juli auf einen Sonntag., 7. August Krieg jedem Kriege in Strausberg. Auf allen Plakaten wird unter drei bis vier Rednern jeweils auch „Eugen Betzer“ bzw. (auf dem 1. Mai-Plakat) der „Gen[osse] Eugen Betzer“ genannt (Archiv, IISG).
Im DDR-Schriftstellerlexikon gibt es im Artikel über Resi Flierl unter den Angaben zu ihrem Leben in den noch West-Berliner Nachkriegsjahren (1945–1950) die Information: „Ehe und Zusammenarbeit mit dem antifaschistischen Widerstandskämpfer und Journalisten Eugen Betzer“ (DDR 1974: 144).
Anmerkungen
- 1Die Bleistiftnotiz 1926 auf dem Plakat ist falsch, denn erst 1927 fiel der 31. Juli auf einen Sonntag.