Dorothea Bjelfvenstam, Jg. 1933
Dorothea Richard wuchs bis zu ihrem 11. Lebensjahr mit ihrer Mutter bei den Großeltern in Königsberg (Preußen) auf. Nach den verheerenden Bombennächten im Spätsommer 1944 wurde sie im Rahmen der Kinderlandverschickung nach Oelsnitz im Erzgebirge evakuiert und nach Kriegsende von der Mutter nach Potsdam geholt. 1951 übersiedelte sie nach West-Berlin. 1955 wanderte sie nach Stockholm aus, und da sie sich für die schwedische Sprache und Literatur interessierte, verlegte sie sich auf das Übersetzen. In den ersten Jahren verdiente sie sich den Lebensunterhalt mit Übersetzungen von Geschäftsbriefen und Broschüren, bei verschiedenen Arbeitgebern, u.a. Übersetzungsbüros.
Am Teehäuschen im Stockholmer Kungsträdgården lernte sie den amerikanischen Kinderbuchautor Percy MacMahon kennen und übersetzte aus dem Manuskript sein Bilderbuch Kirri Pirri. Um es in Deutschland zu veröffentlichen, suchte sie 1956 den Verleger Heinrich Ellermann in Hamburg auf. Diese ihre erste Übersetzung erschien im Jahr darauf unter Pseudonym, dem Namen ihrer Großeltern: Tribukait.
Heinrich Ellermann vermittelte die Bekanntschaft mit Nelly Sachs in Stockholm, über die sich ein Kontakt mit den finnlandschwedischen Autoren Bo Carpelan und Tove Jansson anbahnte, die sie für den Schweizer Benziger Verlag übersetzte. Peter Weiss, an dessen Übersetzung von Strindbergs Der Vater sie mitarbeitete, lernte sie ebenfalls in Stockholm kennen. Auf seinen Rat hin bemühte sie sich um weitere Übersetzungsaufträge beim Suhrkamp- bzw. Insel Verlag und übersetzte Anfang der 70er Jahre Bücher von Olof Lagercrantz und Lars Norén.
Nach ihrer Heirat 1961 übersetzte sie zunächst weiterhin vor allem für den Benziger Verlag Zürich. Allerdings wurden die deutschen Rechte für die späteren Bücher von Tove Jansson vom Bonnier Verlag an die Agentin und Übersetzerin Birgitta Kicherer vergeben, die Übersetzungen von Dorothea Bjelfvenstam an die Verlage Arena in Würzburg und Oetinger in Hamburg weiterverkauft.
Ihre letzte große Übersetzung wurde noch für den DDR-Verlag Kiepenheuer geplant, erschien aber erst 1991: die Memoiren eines Neffen von August Strindberg, Die Strindbergs in Vasastan von Axel Strindberg.
1975 absolvierte Dorothea Bjelfvenstam eine Lehrerausbildung zur Studienrätin und unterrichtete an Stockholmer Gymnasien sowie in der Erwachsenenbildung Deutsch und Schwedisch. Auch trat sie als Autorin eigener Werke hervor: Man nannte uns Hitlermädchen (2012) und Apfelbaum (2021) und erarbeitete zusammen mit der schwedischen Künstlerin Hanna Sjöberg die Wanderausstellung Eine europäische Odyssee, die den Stationen ihres Lebens folgte und in den Jahren 2007 bis 2010 an ihren Lebensorten – von Königsberg/Kaliningrad über Oelsnitz und Postdam bis Stockholm – gezeigt wurde.
Zum Festival Tove 22 wurde Dorothea Bjelfvenstam nach Brake an der Weser eingeladen, wo sie aus ihren Übersetzungen und Briefen Tove Janssons las.