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Dmitrij Umanskij, 1901–1977

4. März 1901 Nikolaev, Ukraine (Russisches Kaiserreich) - 3. Oktober 1977 Moskau (Sowjetunion)
Original- und Ausgangssprache(n)
Deutsch, Russisch

Vorbemerkung der Redaktion

Das Biogramm soll später durch einen ausführlichen Essay ersetzt werden.

Budjonnys Reiterarmee. Übertragen aus dem Russischen von Dmitrij Umanskij“ – so wurde Isaak Babelˈs Werk 1926 im Berliner Malik-Verlag herausgebracht und diese deutsche Ausgabe war die weltweit erste, sie erschien noch knapp vor der russischen Originalausgabe. Von dem Übersetzer Umanskij war in Deutschland lange kaum mehr als der Name bekannt (vgl. noch Jekutsch 2005). Erst jüngere Quellen – durch die Tochter Umanskijs auf einem genealogischen Portal im Internet hinterlegtes Material (Umanski 2011) sowie eine exzellente Archiv-Recherche-Kooperation zwischen dem Institut für russische Literatur (Puschkin-Haus) der Russischen Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg, und Russischer Nationalbibliothek (Ljubimova/Šumilova 2014) – lassen nunmehr zumindest eine grobe Rekonstruktion seiner Lebens- und Schaffensbiographie zu.

Dmitrij Aleksandrovič Umanskij, geboren am 4. März 1901 in Mykolaiv (Nikolaev, Ukraine), lebte 1905 bis 1910 und – nachdem er in Moskau das Abitur gemacht hatte – 1918 bis 1925 in Wien, wo er studierte und zuletzt als Presse-Attaché bei der sowjetischen Vertretung tätig war. Schon ab 1922 übersetzte er für die Verlage Zsolnay (Leonid Leonov) und Malik russische Literatur. 1925 trat er der Kommunistischen Partei Österreichs bei, lebte dann zwei Jahre in Berlin und kehrte 1927 nach Moskau zurück, wo er als Redakteur für den Verlag „Land und Fabrik“ (den nachmaligen „Staatsverlag für schöngeistige Literatur“) sowie für eine staatliche Literatur-Agentur arbeitete. 1934 wurde er Mitglied des Schriftstellerverbands. Im zweiten Weltkrieg war er als Propagandist für die sowjetische Marine tätig, verfasste Flugblätter und betreute Rundfunksendungen in deutscher Sprache. Er starb 1977 in Moskau.

Wie Babelˈ überhaupt zu Malik fand, ist nicht übermittelt. Sehr wahrscheinlich war es seinem Förderer Maksim Gorˈkij zu verdanken, der, vom Berliner Verlag Iwan Ladyschnikow kommend, selbst zu diesem Verlag zu wechseln im Begriff war. Doch genauso könnte Übersetzer Umanskij die Hand im Spiel gehabt haben, ein umtriebiger junger Mann mit Geschäftssinn und Initiative, der noch als Student in Wien Anstalten machte, sich im Literaturbetrieb zu etablieren, Autoren zu vermitteln und an sich zu binden. Erhalten sind seine – teils mit fertigen Verträgen versehenen – Offerten an die prominenten Autoren Konstantin Fedin, Evgenij Zamjatin und Fedor Sologub, in denen er sich als Agent und Übersetzer ins Deutsche empfiehlt und bester Kontakte „zu meinen Übersetzerfreunden (Ruoff, Frisch, Barchan, Luther, Groeger)“,1Brief Umanskijs an Zamjatin vom 13. August 1914, IMLI, A. 47/3/197/ Bl. 9, zit. nach Ljubimova/Šumilova 2014,  übers. A.T. Theaterregisseuren und Verlegern rühmt, was etwas hoch gestapelt scheint. Die Vorstöße glückten nur zum Teil; in manchem scheint er sich übernommen zu haben. Semen Liberman, Mitarbeiter bei Ladyschnikow, riet Zamjatin von Umanskij ab, seine Übersetzungen seien stark überarbeitungsbedürftig, der Aufwand lohne nicht, es gebe genug gute Übersetzer. „Bei Zoščenkos Koza (Ziege) hat er einen Bock geschossen und sie zur Hälfte rasiert“, spottete er.2Brief Libermans an Zamjatin vom 25. September 1925, IMLI, A. 47/3/122/Bl. 3, zit. nach Ljubimova/Šumilova 2014, übers. A.T. Konstantin Fedin wiederum bezeichnete ihn einem Kollegen gegenüber als „Person von mäßiger Zuverlässigkeit, er überzieht gern und schwätzt viel“ (zit. nach Kabanova 2008: 124, übers. A.T.).

Manches an diesen Reaktionen könnte der Immunabwehr des schwer umkämpften Betriebes gegen einen allzu forsch eindringenden Neuling geschuldet sein. Jedenfalls gelang es Umanskij offenbar nicht, Fuß zu fassen, er ging zurück in die Sowjetunion, wo er nunmehr für eine staatliche Literatur-Agentur sowjetische Autoren an den Westen verkaufte, später auch Werke deutscher antifaschistischer Autoren im Exil (Willi Bredel, Theodor Plievier, Friedrich Wolf, Adam Scharrer u.a.) ins Russische übersetzte. 1935 zeichnete er als Redakteur verantwortlich für die Exportausgabe des großen Propagandawerks zur Errichtung des Stalin-Weißmeer-Ostsee-Kanals, wie der damals hieß. Babelˈ indes – die Reiterarmee, zuvor die Odessaer Geschichten – blieb Umanskijs großer Wurf, der ihn überleben sollte. Das Buch (rotes Leinen mit Goldprägung, Heartfields Reihenentwurf) kam sensationell gut an. Rezensionen lieferten keine Geringeren als Kurt Tucholsky in der Weltbühne oder Hermann Hesse in der Frankfurter Zeitung. Eine Werbeanzeige in Upton Sinclairs Sumpf (1928) behauptete gar (was sich andernorts allerdings nicht belegen lässt), dass Thomas Mann Umanskij in einem persönlichen Brief für diese Übersetzung gedankt habe. Ein großer Autor war für Deutschland entdeckt.


 

Anmerkungen

  • 1
    Brief Umanskijs an Zamjatin vom 13. August 1914, IMLI, A. 47/3/197/ Bl. 9, zit. nach Ljubimova/Šumilova 2014,  übers. A.T.
  • 2
    Brief Libermans an Zamjatin vom 25. September 1925, IMLI, A. 47/3/122/Bl. 3, zit. nach Ljubimova/Šumilova 2014, übers. A.T.

Quellen

Babel, Isaak (1926): Budjonnys Reiterarmee. Übertragen aus dem Russischen von Dmitrij Umanskij. Berlin: Malik.
Jekutsch, Ulrike (2005): Isaak Babels „Konarmija“ im Deutschland der zwanziger Jahre. In: Zeitschrift für Slawistik, Jg. 50 (2005), H. 3, S. 255–269.
Kabanova, I. (Hg.) (2008): Svela nas Rossija. Perepis-ka K. A. Fedina i I. S. Sokolova-Mikitova, 1922–1974. Moskau: Tovariščestvo Naučnych Izd. KMK.
Ljubimova, M.Ju. / Šumilova, T.E. (2014): Korrespondent Fedora Sologuba D. A. Umanskij. In: Russkaja literatura, Jg. 56 (2014), H. 1, S. 216–224.
Umanski, Natalija (2011): Dimitri Umansky. [Biografischer Eintrag auf der Datenbank] Hohenems Genealogie. (www.hohenemsgenealogie.at/gen/getperson.php?personID=I12517&tree=Hohenems).

Zitierweise

Tretner, Andreas: Dmitrij Umanskij, 1901–1977. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 14. April 2024.
CaptionDmitrij Umanskij (Quelle: Archiv Albert Ottenbacher, München)
Publication Date14. April 2024
Dmitrij Umanskij (Quelle: Archiv Albert Ottenbacher, München)