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Manfred von Busch, 1897–1955

14. November 1897 Sankt Petersburg (Russisches Kaiserreich) - 1. Dezember 1955 Potsdam-Babelsberg (DDR)
Original- und Ausgangssprache(n)
Chinesisch, Georgisch, Kasachisch, Russisch, Ukrainisch, Usbekisch

Vorbemerkung der Redaktion

Die Arbeit an diesem Porträt wurde vom Deutschen Übersetzerfonds im Rahmen des Projekts UeLEX-Neustart unterstützt.

Manfred von Busch – mit vollem Vornamen: Manfred Rudolf Nikolai – gehört zu einer Generation von Literaturübersetzern aus dem Russischen, die nicht aus primärer Neigung, sondern durch die in ihr Leben fahrende Geschichte zu diesem Metier kamen. Aus einer Familie Sankt Petersburger Deutscher stammend, strandete er nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin, wo er sich eine Existenz als Journalist aufbaute und einige wenige Übersetzungen anfertigte, darunter die umfangreichen Memoiren zweier eben Emigrierter, des zarischen Generals und Kriegsministers a.D. Wladimir Suchomlinow und des Journalisten und Politikers Wladimir (Wolodomir) Korostowetz, der sich nicht zuletzt in der Hetman-Bewegung einen Namen machen sollte. Von Buschs hauptberufliches Übersetzerdasein nach dem Zweiten Weltkrieg – von 1948 bis zu seinem frühen Tod 1955 – weist eine recht erkleckliche Liste von Titeln auf, die er aus dem Russischen ins Deutsche gebracht hat: Reisetexte, dem sozialistischen Realismus verpflichtete Werke (für junge Menschen und Erwachsene), Kinderliteratur, Märchen. Seine Auftraggeber in dieser Zeit waren zum einen jene neuen Verlage von SBZ und DDR, die verschiedenen gesellschaftlichen Organisationen oder dem Staat gehörten bzw. unterstanden, zum anderen aber auch private Kinderbuchverlage, die dort vielfach bis in die 1960er Jahre überdauern konnten und ebenfalls Neugründungen waren. Sein Werdegang, ja sein Leben ist beispielhaft für eine ganze Reihe russlanddeutscher Übersetzerinnen und Übersetzer der Jahre nach dem Ersten wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Man ergreift diesen Beruf eher aus existenzieller Not als aus intrinsischer Motivation und ist Spielball der ökonomischen und politischen Zeitläufte, vom raschen Entstehen und Vergehen der Verlage, von deren improvisierten, teils dilettierenden, teils auch freibeuterischen Praktiken, von Richtungskämpfen in- und außerhalb des Unternehmens, von kulturpolitischen und propagandistischen Vorgaben, von Systemwechseln. So spiegelt Manfred von Buschs Übersetzerbiographie nicht nur ein Stück Geschichte, wie mit Übersetzern und ihren Werken verfahren wurde (und mitunter noch immer wird), sondern sie erweist sich auch als ein Stück Zeitgeschichte.

St. Petersburg – Riga – Berlin

Manfred von Busch kommt als zweites von fünf Kindern der Eheleute Ida Henriette (geb. Bertoldy) und Manfred Heinrich Lucius von Busch am 14. November 1897 in Sankt Petersburg zur Welt. Der Vater ist Kunsthändler, besitzt ein Geschäft für Gemälde, Drucke und Rahmen auf dem Newski Prospekt, Ecke Morskaja uliza. Der erste Petersburger von Busch war Eduard Heinrich (1811–1887). Aus Glückstatt an der Elbe stammend, folgte er dem üblichen Weg der ostnorddeutschen Auswanderer: ins Baltikum und weiter ostwärts. An der Newa machte er eine rasche Karriere als Lehrer in verschiedenen schulischen Einrichtungen. Für seine Verdienste um die Erziehung der Söhne des Großfürsten Konstantin verlieh ihm Alexander II. 1872 den erblichen Adelstitel (Voigt/Heidebrecht 2007: 193).1Die im Folgenden festgehaltenen biographischen Daten, Fakten und Geschichten stammen, sofern keine andere Quelle angegeben ist, von Erika Voigt und Margit von Busch, Töchter Manfred von Buschs. Die Gespräche mit Erika Voigt (1935–2022, Osteuropahistorikerin und u.a. am Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR tätig) fanden 2017 am 11. Januar, am 1. Februar und am 19. Juli statt. Margit von Busch (bis 30. November 2022 Klinger, geb. 1939, OP-Schwester und gesellschaftlich bis heute aktiv) war bei dem Gespräch im Februar 2017 zugegen; im September 2022 hat sie den Porträttext gegengelesen und in zwei Gesprächen (am 24. September und 20. Oktober) noch wertvolle Informationen nachgetragen. Auch im September 2022 ermöglichte mir Frau Voigts Sohn Holger Stoecker noch einmal eine detaillierte Durchsicht des von ihr zusammengestellten umfangreichen Dokumentenordners. Ein Teil dieser Dokumente besteht in Kopien aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv, auf denen kein Aktenzeichen angegeben ist, deshalb im Folg. bezeichnet als „Kopie BLHA“. Angaben zu anderen Dokumenten aus diesem Ordner tragen die Bezeichung „Privatarchiv Voigt/Stoecker“.

Manfred von Busch, Eduard Heinrichs Urenkel, erhielt eine deutsche Schulausbildung, zunächst an der Deutschen Kirchenschule zu St. Petri, ab 1911 an der Reformierten Schule, wo er 1914 das Handels-Abitur ablegte.2Tabellarischer Lebenslauf, erstellt von Erika Voigt, sowie Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Akte Rep. 2 A I St Nr. 4654, Bl. 5, vom 31. Jan. 1929. Blatt 5 ist ein Teil der Dokumente im Zusammenhang mit von Buschs Einbürgerungsantrag (siehe unten) und eine Art Fragebogen zu seinem Lebenslauf. Das Formular ist mit „Bericht“ überschrieben und wurde am 31. Januar 1929 beim „127. Polizeirevier (Polizeiamt Chlbg.) verhandelt“. Die Reformierte Schule, gegründet 1818 und seit 1864 ein achtzügiges altsprachlich-naturwissenschaftliches Gymnasium, sollte nach der Revolution noch bis 1927 als deutsche Schule weiterexistieren. Das Gebäude selbst, in der Mojka Uferstraße 38, beherbergt heute die Oberschule Nr. 336 mit vertieftem Fremdsprachenunterricht.

Eigentlich wollte Manfred von Busch in die Landwirtschaft gehen, doch durch den Beginn des Ersten Weltkriegs war er gezwungen, eine Offiziersausbildung zu beginnen. Nach dem Besuch der Junkerschule in St. Petersburg 1915/16 wird er als Leutnant der Infanterie dem Moskauer Leibgarde-Regiment zugeteilt.3Bundesarchiv (BArchiv), Bestand R 9361 V (Personenbezogene Unterlagen der Reichskulturkammer [RKK]), Akte 15662, getippter Lebenslauf mit Stempel der Reichsschrifttumskammer [RSK] vom 5.4.1940). Im Herbst 1917, nach dem bolschewistischen Umsturz, flieht die Familie zunächst ins deutsch besetzte Lettland, nach Riga, wo der Vater im April 1919, gerade einmal 52 Jahre jung, stirbt. Erika Voigt erzählt, dass manche „Petersburger von Buschs“ zunächst ins Baltikum gingen, weil sie glaubten, man könne sich „dort verstecken und zurückgehen, wenn alles vorbei ist“.

Als die Bolschewiki eine Invasion vorbereiten, erlaubt das deutsche Oberkommando im November 1918 die Aufstellung einer landeseigenen Schutztruppe.4Ebd. Sowie für Manfred und Arvid von Busch: Lettisches Nationalarchiv, Staatliches Historisches Archiv von Lettland, Riga, Bestand 5434, Verz. 1, Akte 983, Bl. 2 (undatierte „Namentliche Liste der beim Bataillon vorhandenen Offz.“), Bl. 67 (undatiertes „Verzeichnis der zur Front abkommandierten Mannschaften d. II Compagnie“). Die Truppe war dem deutschen Oberkommando unterstellt und bestand überwiegend aus baltendeutschen und russischen Soldaten. Mit dem lettisch-russischen Friedensvertrag vom Oktober 1920 ging sie im lettischen Heer auf. Manfred von Busch dient ein Jahr in der „Baltischen Landeswehr“, ein Photo zeigt ihn in schlichter Soldatenuniform, dann wird er mit den deutschen Truppen aus dem Baltikum nach Deutschland abtransportiert, wo er vom 22. November 1919 bis zum 1. Februar 1920 „in Altengrabow beim Oberkom. d. russ. Truppen in Deutschl.“ stationiert war.5BLHA, Bl. 5, vom 31. Jan. 1929. Auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt wurden Weiße Truppen stationiert, die bis November 1919 im Baltikum gegen die Bolschewiki gekämpft hatten (Kollegg 2005: 101). Die offiziellen Bescheinigungen – eine russisch- und eine deutschsprachige – besagen, dass „Oberleutnant“ (russ.: porutschik) Manfred von Busch „krankheitshalber“ aus den Russischen Truppen in Deutschland zum 1. Februar 1920 entlassen und bis zum 10. November 1919 „gelöhnt“ worden sei (Kopie BLHA). Im März/April 1920 arbeitet er als Platzarbeiter in der „Millygrube“ bei Mückenberg in der Niederlausitz, von April bis Dezember desselben Jahres auf dem Rittergut Dambeck nahe Schwerin als „Landwirt“ – so zumindest in der polizeilichen Anmeldung die Berufsbezeichnung des Mannes, der nie eine Berufsausbildung abschließen wird. Ab Januar 1921 schließlich lebt er in Berlin, bis 1923 mit russischem Pass, dann als Staatenloser, da er nach Abschluss des Rapallo-Vertrags weder für die sowjetische noch die deutsche Staatsbürgerschaft optiert hatte. Jahre hindurch wohnte er zur „Aftermiete“, nahezu stets in jenem Perimeter, in dem mehr oder minder auch die gesamte russische Diaspora lebt, nämlich in Charlottenburg oder Wilmersdorf: Fasanen-, Joachimstaler, Ansbacher, Bleibtreu-, Augsburger, Emser, Pariser, Zähringerstraße … Die polizeilichen An- und Abmeldungen haben sich nicht vollständig erhalten.

Anfänge als Journalist

So häufig wie die Adressen wechseln auf den Anmeldeformularen auch die Berufsbezeichnungen: einmal noch Landwirt, dann: mehrfach Journalist, zweimal Schriftsteller, einmal (im Februar 1930) auch Kaufmann. Die Rekonstruktion, die Erika Voigt anhand des Versicherungsverlaufs ihres Vaters erstellt hat, nennt von 1921 bis 1955 diese Berufe: (Büro-)Angestellter, selbständiger Übersetzer, selbständiger Journalist, Redakteur, Dolmetscher – alles im fliegenden Wechsel. In einem Schreiben der Industrie- und Handelskammer zu Berlin an „den Herrn Polizeipräsidenten Abteilung I Berlin – Schöneberg“ vom 22. März 1929 wird zitiert, was von Busch selbst der Kammer zu seinem bisherigen Werdegang geschrieben hat, darunter, dass er im Januar 1921 eine Anstellung bei der Auskunftei Schimmelpfeng erhalten habe und, nach Ablauf der Probezeit dort, eine Anstellung bei dem Geheimen Regierungsrat Cleinow. „Nach etwa 2jähriger Tätigkeit wurde ich auf dessen Empfehlung bei der Japanischen Botschaft in Berlin als Lektor für russische Sachen angestellt. Dort verblieb ich ein Jahr.“ Danach sei er im „russischen Büro“ des Verlages Gebr. Richter, Erfurt, Abteilung Berlin, angestellt gewesen, wo er und Cleinow die Korrespondenz Russland und Asien gegründet hätten, die er nach Auflösung der Berliner Abteilung am 1. Juli 1925 offiziell übernommen habe.6Kopie BLHA. In den drei Lebensläufen, die von Busch im Zusammenhang der Beantragung zur Aufnahme in den Deutschen Schriftsteller-Verband (DSV) verfasst hat (vermutlich alle 1953), erwähnt er seine Tätigkeit für die Japanische Botschaft nicht (Akademie der Künste [AdK], Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840).

Mit dieser Übernahme, die auch ein Schritt in die Freiberuflichkeit ist, und der vermeintlichen Konsolidierung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland scheint von Buschs Leben nun auf einer soliden Basis zu stehen. Auf dem Weg dorthin war die Bekanntschaft mit Georg von Cleinow zweifellos entscheidend. 1873 im damals zum Russischen Reich gehörigen Lublin geboren, publizierte von Cleinow seit 1904 zu Wirtschafts- und politischen Fragen, mit Schwerpunkt Polen und Russland, von 1909 bis 1920 war er zudem Herausgeber der national-liberalen Zeitschrift Die Grenzboten. Von 1914 bis 1916 leitete er die Presseverwaltung des „Oberbefehlshabers Ost“ und „Generalgouverneurs in Warschau und Lodz“, später war er in die geheime Ostpolitik der Weimarer Republik involviert, und ab 1930 wird er am Eurasischen Seminar der von Friedrich Naumann gegründeten privaten Deutschen Hochschule für Politik lehren (Krekeler 1973: 24). In seinem Korrespondenz-Büro überlässt von Cleinow freilich ihm und anderen „Knechten“ (Erika Voigt) die Arbeit, während er selbst sich häufig in Russland aufhält. Die beiden Männer harmonieren nicht, und von Busch geht schließlich den Weg der Selbständigkeit.

Seine „Politische Korrespondenz für Wirtschaft und Kultur des Nahen und Fernen Ostens“ Russland und Asien enthält Ausarbeitungen, die er täglich alleine schreibt, auf Wachsmatrize tippt, auf dem Hektographiergerät vervielfältigt und an 50 bis 100 Abonnenten aus der Wirtschaft sowie an das deutsche Auswärtige Amt und die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft verschickt. Die Informationen dafür besorgt er sich aus Zeitungen und – als einer der Ersten, betont Erika Voigt – aus dem Radio der UdSSR. Parallel arbeitet er nach eigenen Angaben auch für die Westfälische Zeitung sowie die Deutsche Allgemeine Zeitung.7BArchiv, Bestand R 9361 V, Akte 15662, Fragebogen der RSK vom 3.3.1940.

Der Einstieg in das Übersetzen

Zu dieser Zeit übersetzt von Busch auch die ersten Bücher: 1924 die Erinnerungen Wladimir Suchomlinows, 1925 dessen Buch über Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, 1926 eine oder zwei Erzählungen von Leonid Leonow (Wetterleuchten, zs. mit M. Romaschow) sowie, im selben Jahr, von Wladimir Korostowetz Neue Väter – neue Söhne. Drei russische Generationen und vom selben Autor 1928 möglicherweise (siehe unten) auch Lenin im Hause der Väter.

General Suchomlinow (Kaunas 1848 – Berlin 1926) war von 1909 bis 1915 russländischer Kriegsminister. Aus einer vorangestellten Widmung – „Meinen früheren Kameraden in der russischen zarischen Armee!“ (S. V, russisch S. VII) mit Datum „November 1923“ und der Ortsangabe „Wandlitz i.d. Mark“ – geht hervor, dass das russische Original nach der Übersetzung erschienen ist, in einem der zahlreichen kurzlebigen Verlage für russischsprachige Literatur in Deutschland, dem Russischen Universal-Verlag (Russkoe universal’noe izdatel’stvo), gegründet 1921, liquidiert 1925 (Kratz 1987: 113f.).

Auf der nächsten Seite widmet Suchomlinow einen der beiden Absätze „Zur deutschen Ausgabe“ (mit gleicher Ortsangabe, aber dem Dezember 1923 als Datum) speziell dem Übersetzer:

Ein besonderer Dank gebührt dem früheren Kaiserlichen Porutschik (Oberleutnant) im Moskauer Leibgarde-Regiment, Herrn Manfred v. Busch, der mit mir das Los des heimatlosen Flüchtlings teilt und mir bei der Redaktion des deutschen Textes, ebenso wie beim Lesen der Korrekturen, geholfen hat.

Der Verlag, Reimar Hobbing, dagegen nennt den Übersetzer an keiner Stelle des Buchs, dem noch eine Einführung in das Werk durch den Geheimen Regierungsrat Georg Cleinow beigefügt ist (S. XIII–XXXI) sowie zuletzt ein Namensverzeichnis. Die meisten der Fußnoten tragen von Cleinows Kürzel (G.Cl.); die ungezeichneten stellen knappe Erläuterungen zu Personen, Örtlichkeiten, Zitatquellen u.ä. dar. Ob diese vom Übersetzer stammen, lässt sich nicht ermitteln, Suchomlinows Dank indes mag dies nahelegen. Zur Honorierung habe ihr Vater, so Erika Voigt auf zwei mit „7.6.05“ datierten handschriftlichen Blättern, für die Übersetzung der Erinnerungen „von S. eine goldene Uhr … (Taschenuhr)“ erhalten.

Der Welt-Export-Verlag, der Suchomlinows Großfürst Nikolai Nikolajewitsch (seines Zeichens ehemaliger Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte), in die deutschsprachige Welt brachte, hat offenbar nur dieses eine einzige Büchlein publiziert. Laut Adressbuch für den Berliner Buchhandel (Ausgabe 52/1926: 181), wurde er am 1. September 1925 von Paul Creutzburg8Bruder von August Creutzburg (1892–1941), einem KPD-Funktionär, der 1935 in die Sowjetunion ging, 1938 als angeblich deutscher Spion verhaftet und 1941 in einem Lager bei Orjol hingerichtet wurde (Martin Creutzburg 2004: 78); mehr war zu Paul Creutzburg nicht zu ermitteln. gegründet und hatte seinen Sitz in der Kochstraße 54. Vom russischen Original (Velikij knjaz’ Nikolaj Nikolaevič (mladšij). Očerki rubežom), ebenfalls 1925 in Berlin herausgekommen, heißt es auf dem Titelblatt lapidar „izdanie avtora“ (Selbstverlag). Gedruckt wurde es in der Feilchenfeld’s Buchdruckerei A.G., in der zeitweise auch das seit 1921 von Iosif Gessen (1865–1943) herausgegebene Archiv der russischen Revolution gedruckt wurde, eine bis 1937 auf 22 Bände anwachsende Sammlung aus Erinnerungen, Materialien und Dokumenten. Was die Übersetzung von Suchomlinows Bändchen zu Großfürst Nikolai Nikolajewitsch betrifft, so legt dieser Kontext die Vermutung nahe, dass Manfred von Busch von Suchomlinow selbst beauftragt worden sein könnte; im Buch ist er zwar nicht genannt, doch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) als „Mitwirkender“ verzeichnet – ein Sammelbegriff für irgend am Buch noch Beteiligte, ob an dessen Herausgabe, Bearbeitung, Übersetzung oder gar, mitunter, Illustration.

Was die beiden Memoirenbände von Wladimir Korostowetz (Gatschina 1888 – New York 1953) betrifft, so wird Manfred von Busch im ersten Band als Übersetzer genannt, im zweiten hingegen heißt es im Haupttitel nur: „Autorisierte Übersetzung aus dem Russischen“. Was immer der Anlass für die Nichtnennung des Übersetzers gewesen sein mag, es könnte (!) von Busch gewesen sein: Seine Tochter Erika Voigt, die 2009 eine Bibliographie der Publikationen ihres Vaters erstellt hat, führt Lenin im Hause der Väter nicht an. Indes verzeichnet sie – ohne Nennung eines Verlags oder Publikationsorts – „W. K. Korostowetz, Vom Doppeladler zur roten Fahne, 1928“. Auch von Busch selbst nennt in einem der drei Fragebögen, die er zur Aufnahme in den Deutschen Schriftsteller-Verband ausfüllen muss, unter den erfragten „Veröffentlichungen vor 1945“ einen Titel von „ca. 500 S.“, der 1930 erschienen sei: „zur Roten Fahne“, nicht jedoch einen Verlag.9AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840. Noch kryptischer ist in diesem undatierten Formular die Angabe zu einem anderen Titel: Von Chingis Khan, bei dem er weder den Umfang noch das Erscheinungsjahr angibt. Im Übrigen gibt er bei keinem der von ihm aufgelisteten Bücher den Verlag an, der indes abgefragt wird – während interessanterweise das Formular keine Spalte für einen Autorennamen vorsieht. Tatsächlich existiert ein Werk (fast) dieses Titels: Vom Zarenadler zur roten Fahne. Allerdings handelt es sich um ein dreibändiges Werk des Kosakengenerals Pjotr Nikolajewitsch Krasnow10Pjotr Nikolajewitsch Krasnow (1869–1947) führte im Ersten Weltkrieg Kosakendivisionen an, kämpfte im Bürgerkrieg gegen die Bolschewiki und kollaborierte im Zweiten Weltkrieg mit der Wehrmacht. Im Mai 1945 von der Roten Armee in Tirol verhaftet und nach Moskau verbracht, wird er 1947 durch ein Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Sein mitunter als „Erinnerungen“ eingestufter, russisch bei D’jakova, deutsch zunächst im Vier-Falken-Verlag erschienener, mehr als 1000-seitiger Roman erlebte in den 1920er und 1930er Jahren schwindelerregende Auflagen (ab 1932 in einer „völlig neubearbeiteten“ einbändigen „Volksausgabe“) und kam auf Deutsch letztmalig 1953 heraus im für zwei Jahre mit insgesamt drei Titeln wiederauferstandenen Verlag für Kulturpolitik, Darmstadt., auf Deutsch wie auf Russisch erstmals 1921 in Berlin publiziert und eindeutig nicht von Manfred von Busch übersetzt oder mitübersetzt. Die Übersetzer heißen Baron Georg von Steinmann, Major Alfred von Cochenhausen, Sophie Baibus, Freiherr Wladimir von Plotho. In dem auf März 1927 datierten Vorwort zu Lenin im Hause der Väter schreibt Korostowetz, „Der zweite Band meiner Erinnerungen umfaßt die Zeit vom Jahre 1911 bis zum Herbst des Jahres 1919“ – mit anderen Worten jene Zeit, die sich auch unter die emblematischen Begriffe „Doppeladler“ und „rote Fahne“ fassen lässt. Man kann folglich die Vermutung wagen, dass Vom Doppeladler zur roten Fahne ein Arbeitstitel eben jenes zweiten Erinnerungsbandes gewesen sein könnte und der nicht genannte Übersetzer Manfred von Busch war. Von den beiden Titeln lässt sich – wie auch bei anderen Werken Korostowetz’ – im Übrigen kein russisches Original nachweisen.11Korostowetz (auch: von Korostowetz bzw. Vladimir [de] Korostovets), von 1912 bis 1917 Mitarbeiter im russländischen Außenministerium, dann Journalist, der vor allem für britische Medien schrieb, lebte von 1923 bis ca. 1930/31 in Berlin, wo er, wie auch später in London, u.a. eine aktive Rolle in der ukrainischen Diaspora spielte. Von zwei weiteren ins Deutsche gebrachten Titeln des Autors wird gesagt, es handele sich um Übersetzungen aus dem Englischen, was vermutlich auch für sein Re-Birth of Poland (1928), London, gilt: Die deutsche Ausgabe verschweigt zwar die Ausgangssprache, doch heißt es von der französischen, dass sie aus dem Englischen übersetzt sei (Polnische Auferstehung. Berlin: Verlag für Kulturpolitik, übers. von Rudolf Paul, datiert auf 1929, doch bereits 1928 herausgekommen; Quo vadis Polonia? Choses vues en Europe orientale, Paris 1929). Da sich wieder kein russischsprachiges Original finden lässt noch zu Rudolf Paul irgendeine Spur, kann hier natürlich eine Übersetzung aus dem Russischen nicht gänzlich ausgeschlossen werden – und somit auch für Lenin im Hause der Väter nicht absolut, dass ein anderer Übersetzer als Manfred von Busch der Urheber des deutschen Textes ist, doch scheint beides eher unwahrscheinlich.

Der Verlag für Kulturpolitik (1921 in München gegründet, 1926 nach Berlin übersiedelt), in dem Korostowetz’ Titel erschienen sind, veröffentlichte neben Belletristik und kulturpolitischen Schriften zahlreiche Biographien und Memoiren, deren Verfasser oftmals einstige Offiziere und Amtsträger der untergegangenen k. u. k. Monarchie waren, die so ihre kargen Pensionen aufbessern konnten (Macho 2008: 242, 245). Auch Korostowetz’ oder Suchomlinows Motiv, dickleibige Werke zu verfassen, und Manfred von Buschs Beweggrund, sie zu übersetzen, dürfte der pekuniären Not geschuldet sein.

Um überhaupt Arbeit zu haben, greift man, so wird deutlich, auf alte Beziehungen – und wohl auch auf neue, doch durch alte vermittelte – zurück. So notiert der Schriftsteller Roman Gul, der einstige Moskauer Verleger G. G. (alias Georg) Blumenberg12Sein 1908 gegründeter Verlag Moskovskoe izdatel’stvo war 1921 liquidiert worden, Blumenberg, nun Geschäftsführer der Glagol Verlagsgesellschaft m.b.H., Berlin, bringt in der deutschen Hauptstadt zunächst russischsprachige Titel heraus (1921 noch unter beiden Verlags- und Ortsnamen); 1925 wird aus Glagol der rein Berliner Taurus Verlag (Schlögel et al. 1995: 520). habe Suchomlinow geholfen, seine Bücher unterzubringen, denen jedoch kein Erfolg beschieden gewesen sei (Gul 1984: 5). Manfred von Busch dürfte seine Übersetzungsaufträge Kontakten ins russische Militär verdankt haben – dies legen zumindest seine Zeit in der Baltischen Landeswehr, die von ihm übersetzten Titel und zudem die Tatsache nahe, dass sein Bruder Arvid, der, wie die ganze Familie, ebenfalls nach Deutschland gegangen war, während des Ersten Weltkriegs als Marineoffizier in der russländischen Armee gedient hatte.

Auch Roman Gul (1896–1986), der 1920 nach Berlin kam, war eingezogen worden, nun hielt er sich als Redakteur und freier Autor für russischsprachige Zeitschriften über Wasser, verfasste Romane und Sachbücher, die in Berlin, vereinzelt auch in sowjetischen staatlichen Verlagen herauskamen; nach seiner Verhaftung durch die Nazis 1933 wird er nach Paris gehen, 1945 schließlich nach New York. Leonows Wetterleuchten, zu dem er ein kurzes „Geleitwort“ schrieb, erschien als erster Titel einer geplanten Reihe „Neue Dichtung im neuen Rußland“. Die Reihe sollte „eine Auswahl der hervorragendsten Prosawerke junger russischer Dichter“ vorstellen, „die sich in ihrer Heimat bereits einen Namen gemacht haben, in Deutschland aber noch ganz unbekannt sind“, so der Ankündigungstext am Ende von Wetterleuchten. Als zweites Werk der Sammlung kam 1926 Zwischen gestern und morgen. Eine Novellenfolge heraus (in Wetterleuchten noch unter anderem Titel angekündigt), mit Texten u.a. von Konstantin Fedin und Boris Pilnjak und wieder mit einem Geleitwort Guls. Ebenfalls 1926 erschien noch der zweibändige Dictionnaire français–russe, russe–français; danach hat der Taurus-Verlag allen Recherchen zufolge kein Buch mehr herausgebracht, obwohl er noch 1935 im Adressbuch für den Berliner Buchhandel auftaucht (Nr. 61/1935: 208) – unter der Adresse von Grad Kitesch, einer 1922 gegründeten Verlags-Versandbuchhandlung (Schlögel et al. 2016: 521).

Wie bei Korostowetz gerät, wer versucht, den Übersetzern der Leonowschen Erzählungen von 1926 auf die Spur zu kommen und vielleicht doch noch zu klären, wer welchen Text übertragen hat, auf eine interessante Odyssee: Im St. Gallener Midas Verlag erschien 1989 die Erzählung Ende eines kleinen Mannes, ohne Nennung eines Übersetzernamens, mit folgendem Quellenverweis:

Die vorliegende Übersetzung ist der Ausgabe „Gesammelte Prosa in Einzelausgaben, Erzählungen“, herausgegeben von Harry Burck, Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin 1967, entnommen. Das russische Original folgt dem ersten Band der „Gesammelten Werke, Novellen und Erzählungen“, Chudoschestwennaja Literatura Moskwa, 1981. Die deutsche Übersetzung wurde von Christoph Keller neu durchgesehen und, wenn es der moderne Sprachgebrauch verlangte, geringfügig geändert. (Leonow 1989: 111)

In besagtem KuFo-Band von 1967 heißt es wiederum zu den enthaltenen Erzählungen allgemein: „Unsere Texte folgen der neunbändigen russischen Werkausgabe, Moskau, 1960–1962, für die der Autor auch die Erzählungen neu durchsah, stilistische Änderungen oder auch textliche Neufassungen vornahm. Bereits erschienene Übersetzungen wurden nach dieser Ausgabe bearbeitet.“ Und zu Ende eines kleinen Mannes speziell: „Deutsch zusammen erschienen mit Umsturz im Hahnendorf. Für unsere deutsche Fassung wurde die alte Übersetzung mit [sic!] verwendet.“ (Leonow 1967: 707, 709) Dass diese unter dem Titel Wetterleuchten (nicht Umsturz im Hahnendorf) herauskam, lässt sich nur dem Nachwort entnehmen. Wann und in welchem Verlag, das bleibt ebenso ungesagt wie der Übersetzer-/die Übersetzernamen.

Und noch etwas bleibt hinsichtlich der Übersetzung von Leonows beiden Erzählungen im Dunkeln: Erika Voigt notiert in der von ihr 2009 erstellten Bibliographie: „Der Briefwechsel mit L. Leonow befindet sich unter de[n] 78 + 46 Dokumenten, die 1954 von [sic] Eduard Claudius im Zuge der ‚Überprüfungen’ im Schriftstellerverband, dem M. v. Busch angehörte, eingefordert hatte und [die] bis heute nicht wieder aufgetaucht sind.“ Doch mehr dazu weiter unten. Hier lässt sich schon einmal die Beobachtung festhalten, dass im Zuge von Weiterverwertungen nicht nur der Name des Urhebers sang- und klanglos verlorengeht – so im Übrigen auch geschehen bei der aus dem Deutschen übersetzten und gekürzten englischsprachigen Ausgabe von Korostowetz’ Erinnerungen, die 1931 herauskam13Vladimir Korostovetz, Seed and Harvest, Translated from the German by Dorothy Lumby, London: Faber and Faber Limited, 1931. Nicht im Buch, doch in verschiedenen Katalogen heißt es präzisierend: „Abridged translation of ‚Neue Väter – neue Söhne’ and ‚Lenin im Hause der Väter’“. –, sondern dass überdies mit urheberrechtlich geschützten Texten vielfach nach alter Gutsherrenart verfahren wird.

Irgendwie im Journalismus die Zeit überdauern

1931 heiratet Manfred von Busch – es ist seine zweite Ehe14Aus verschiedenen Aktenmaterialien geht hervor, dass Manfred von Busch von ca. 1921 bis 1930 mit Clara Woronowicz (geb. 1882) verheiratet war, die aus Hungerburg bei Narwa (heute Narva-Jõesuu, Estland) stammte. – Olga Schmidt, ihrerseits Petersburg-deutsche Emigrantin, geboren 1907, Tochter des Architekten Carl Schmidt und seiner Frau Erika. Carl Schmidt, der an der Newa eine ganze Reihe Wohnhäuser und erlesener Villen, auch eine Mädchenschule, eine Entbindungsanstalt sowie mehrere Fabrikgebäude und Geschäftshäuser (darunter einige sehr berühmte Bauten) errichtet hat, konnte in Deutschland als Architekt nicht mehr Fuß fassen. Die Schmidts und von Buschs waren verwandt, nun war man sich in Berlin wiederbegegnet. Olga hat an der Lette-Schule Photographie studiert, den Beruf jedoch nie ausgeübt. In den 1930er Jahren kommen die Töchter Ingrid (1932–2017), Erika (1935–2022) und Margit (*1939) zur Welt. Olga kümmert sich um den Haushalt und hält ihrem Mann – den sie um 53 Jahre überleben wird – den Rücken frei.15Zu Olga von Busch (1907–2008) siehe: Kretzschmar 2016: 140-143. Nach dem Tod ihres Mannes arbeitete sie halbtags als Sekretärin und war eine der großen Aktivistinnen im Kleinmachnower Kulturbund.

Ab 1933 gerät Manfred von Buschs berufliches Leben erneut ins Räderwerk der Geschichte: die Pressedienstarbeit gestaltet sich im Zuge der zunehmenden Gleichschaltung immer schwieriger. Ende 1936 macht ein Polizeiverbot dem eigenen, unabhängigen Büro ein Ende, von Buschs Korrespondenz wird, folgt man dem o.g. Lebenslauf in der Bundesarchiv-Akte, 1937 vom Ostwelt-Verlag als Ostasiendienst „aufgenommen“, von Busch wird dessen verantwortlicher „Schriftleiter“.16In einem Personalfragebogen der Provinzialverwaltung Brandenburg, ausgefüllt am 16. August 1945 (BLHA, Akte Rep. 203 MdI, PA 544, Bl. 2), gibt Manfred von Busch als Beschäftigungszeitraum „7.37 bis 4.45“ an, als Grund der Entlassung „Feindeinwirkung“, in einem der Lebensläufe im Zusammenhang des Aufnahmeantrags in den Deutschen Schriftsteller-Verband schreibt er „bis zum Zusammenbruch“ (Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840); in seinem Arbeitsbuch ist als Anstellungszeitraum 1937 bis 1944 vermerkt (Privatarchiv Voigt/Stocker). Der Ostasiendienst war eine der Einzelreihen der Korrespondenz Der Ost-Express, 1920 gegründet und formal existent bis 1949, doch, dem Katalog der Stanford Libraries nach, „vermutlich 1944 eingestellt“. Der Ostwelt-Verlag war zwar formal ein unabhängiges Unternehmen, realiter aber Teil der Goebbel’schen Propagandamaschinerie, genauer: der Abteilung Ost des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Der Verlag war für das Abfassen, Drucken und Versenden von Artikeln in verschiedenen östlichen Sprachen zuständig (Buchbender 1978: 33ff.).

Erika Voigt zufolge hat M. Theodor Strewe ihrem Vater diese Stelle vermittelt und ihm zudem geraten, nicht, wie offenbar von außen angeraten, über Japan zu arbeiten, sondern über China. M. Th. bzw. Maria Theodor Strewe (mit vollem Vornamen Theodor Bernhard Maria Aloysius, 1874–1950) war von 1907 bis 1919 als Diplomat in China, arbeitete – in mehrfachem Wechsel – als Journalist und Wirtschaftsexperte, immer mit Schwerpunkt China, und war gut in Industriekreise vernetzt. So war er u.a. als Mittelsmann zwischen China und deutscher Reichswehr und Rüstungsfirmen tätig. Nach 1933 verlor Strewe alle einflussreichen Positionen, konnte sich aber in verschiedenen Ämtern weiter als Chinaexperte betätigen. Während er selbst wohl liberalkonservativ war, gehörten sein Sohn und seine Frau zeitweilig der KPD an, Lucie Strewe versteckte mehrere jüdische Mitbürger (Wikipedia). Manfred von Busch dürfte Strewe während seiner Mitarbeit bei der Deutschen Allgemeinen Zeitung kennengelernt haben, wo dieser von 1920 bis 1924 Politikredakteur war (wie noch einmal in den Jahren 1927 bis 1933, als das Blatt wesentlich weiter nach rechts gerückt war).

Neben seiner Redakteurstätigkeit hält Manfred von Busch auch Vorträge an der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwirtschaft17Lebenslauf für die RSK vom 5.4.1940 (BArchiv, Bestand R 9361 V, Akte 15662). Von Busch gibt überdies an, er habe nach 1933 an Der Deutsche Volkswirt und an Wissen und Wehr mitgearbeitet, die Frage nach der Anzahl der Beiträge und wann sie erschienen seien, beantwortet er für all diese Medien mit „unbekannt“ bzw. „unbestimmt“. In einem der zwei undatierten DSV-Aufnahmeformulare wird er für den Zeitraum vor 1945 von „gelegentlicher Mitarbeit an bürgerlichen Zeitungen“ schreiben, in dem einzigen datierten (auf den 19.11.1953) nennt er als Veröffentlichungen vor 1945 die Übersetzungen Wetterleuchten und Neue Väter – neue Söhne sowie seine eigene, 1942 bei Duncker & Humblot, Berlin, erschienene Schrift Der Silberkrieg in Ostasien. Über Finanzprobleme in China (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840). und verfasst mehrere Abhandlungen, die Themen zu Ostasien gewidmet sind.18Die von Manfred von Busch verfassten Zeitungs- und Zeitschriftenartikel habe ich nicht recherchiert. Die in der Bibliographie angeführten Zeitschriftenbeiträge aus den Jahren 1940 und 1941 sind Zufallsfunde im Katalog der Staatsbibliothek, Berlin, und im Bundesarchiv. Er war kein Mitglied der NSDAP, gehörte aber seit 1938 der NS-Volkswohlfahrt an und bereits seit 1937 dem NS-Kraftfahrkorps (NSKK),19BLHA Akte Rep 2 A I, St. Nr 4654, Bl. 140, Schreiben der NSDAP vom 22. Dez. 1941. Im Personalfragebogen der Provinzialverwaltung Brandenburg vom 16.8.1945 verneint von Busch jedwede Mitgliedschaft „in Gliederungen oder angeschlossenen Verbänden der NSDAP“: BLHA, Akte Rep. 203 MdI, PA 544, Bl. 2. das zwar ab Sommer 1938 zunehmend in kriegswichtige Aktivitäten eingebunden wurde, zugleich jedoch laut Wikipedia „auch Personen, die dem NS-Regime ablehnend gegenüberstanden, in einigen Situationen Vorteile oder wenigstens die Möglichkeit [bot], eine noch engere Bindung an das Regime zu vermeiden“.20Margit von Busch betont bei unserem Treffen am 24. September 2022, ihr Vater habe die Naziherrschaft eindeutig abgelehnt, er sei „das schwarze Schaf in der Familie“ gewesen, denn alle anderen hätten das Regime befürwortet; 1945 sei er aus Überzeugung in die KPD eingetreten. Tatsächlich verneint von Busch wie für sich so auch für seine Frau, seine Kinder, seinen Vater, seine Mutter im Personalfragebogen der Provinzialverwaltung Brandenburg vom 16. August 1945 (BLHA, Akte Rep. 203 MdI, PA 544, Bl. 2) alle Fragen nach Mitgliedschaften in der NSDAP, deren Gliederungen oder angeschlossenen Verbänden, für seine Geschwister jedoch bejaht er die NSDAP-Mitgliedschaft und setzt, was die anderen Organisationen betrifft, Fragezeichen. Seit Dezember 1938 war von Busch überdies hauptberufliches Mitglied im Reichsverband der deutschen Presse.21BArchiv, Bestand R 9361 V, Akte 15662, Fragebogen der Reichsschrifttumskammer, vom 3.3.1940. Ob von Busch in die RSK aufgenommen wurde, war nicht zu klären. Übersetzt hat er während der Nazizeit, in der wenig Russisches herauskam, nichts.

Die Akte Rep. 2 A I St Nr. 4654 des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, der einige dieser dürr-staubigen Daten enstammen, ist einem einzigen Gegenstand gewidmet: dem wiederholten Antrag Manfred von Buschs auf Einbürgerung. Erstmals stellt er einen solchen Antrag am 27. April 1928, weil, wie er an „Sn Exzellenz den Herrn Innenminister“ schreibt,

die Ausübung meiner Tätigkeit als Herausgeber der deutschsprachigen Korrespondenz ‚Russland und Asien‘ von der Einbürgerung insofern erheblich beeinflusst wird, als erst di[e]se mir die Möglichkeit verschafft, dem Reichsverband der deutschen Presse beizutreten.

Nachdem alle Papiere beisammen sind (Auszug aus dem Strafregister, Finanzamtsbescheid usw. usf.), könnte er sich einbürgern lassen – aber nur als Manfred Busch. Den Ämtern zufolge kann er keinen ausreichenden Nachweis dafür erbringen, dass er den Adelstitel zu Recht führt. Dass seine Brüder bereits als von Buschs eingebürgert sind, gilt ebenso wenig als hinreichender Beleg wie die in einem späteren Anlauf vorgelegte Geburtsurkunde, auch die Einschaltung eines Notars bringt die Sache nicht voran. Manfred von Busch weigert sich zuletzt, Amtsbriefe entgegenzunehmen, die an „Manfred Busch“ adressiert sind. Einem letzten Schreiben, vom 14. Februar 1942 (im Übrigen war inzwischen auch die Beibringung eines Ariernachweises notwendig geworden sowie ein Erbgesundheitszeugnis22Vgl. Kopie BLHA des (undatierten) „Einbürgerungsverzeichnisses“; siehe auch Kopie BLHA der Einbürgerungsurkunde vom 27. Januar 1942.), lässt sich entnehmen, dass er auch die Annahme einer ihm schließlich und endlich zugestellten Einbürgerungsurkunde (datiert auf den 27. Januar 1942) verweigert hat, „weil eine Einbürgerung unter einem mir nicht zustehenden Namen zu schweren Verwicklungen führen muss“.23Olga von Busch und ihre Töchter blieben, so Margit von Busch, bis 1956 staatenlos.

Manfred von Buschs Führerschein, 1922 (© Privatarchiv Voigt/Stoecker).
BeschreibungDer Name „Manfred von Busch“ wurde durchgestrichen und darunter eine neue Unterschrift „Manfred Busch“ gesetzt.
Datum2. November 2022
Der Name „Manfred von Busch“ wurde durchgestrichen und darunter eine neue Unterschrift „Manfred Busch“ gesetzt.

150 Blatt Aktenmaterial sind heute in Potsdam-Golm zu besichtigen, die von groteskem Bürokratismus auf seiten der Ämter und einer zunehmenden Verbitterung und Verhärtung auf seiten des Protagonisten zeugen. Allerdings birgt diese Groteske in Papierdeutsch einen Subtext aus der Wirklichkeit: Möglicherweise ließ seine Staatenlosigkeit – Folge des ihm nicht zugebilligten ererbten Adelstitels – Manfred von Busch den Krieg überleben, im Unterschied zu seinen drei Brüdern, die früh die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hatten: Der eine fiel 1943 bei Stalingrad, der andere am 1. Januar 1945 in Frankfurt/Oder, der dritte, Arvid – der als russländischer Marineoffizier bereits im Ersten Weltkrieg gedient hatte und 1939 erneut eingezogen worden war, nun als deutscher Oberleutnant zur See – wurde „wegen abfälligen Äusserungen über den Führer“ vor ein Kriegsgericht gestellt und „wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode“ und gleichzeitig „noch wegen Feigheit vor dem Feinde zu 5 Jahren Zuchthaus“ verurteilt und am 15. Dezember 1943 hingerichtet.24Kopie der Abschrift des Briefs, den Arvid von Busch am 7.12.1943 an seinen Bruder Manfred schrieb sowie des Briefs, in dem der evangelische Standortpfarrer Petersen diesem am 19. Dezember 1943 die Vollstreckung des Urteils mitteilt. (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Margit von Busch weist allerdings auch darauf hin, dass ihr Vater während des Krieges stets am Stock gegangen sei, ein befreundeter Arzt habe ihm ein Attest ausgestellt; nach dem Krieg habe ihr Vater den Stock „in die Ecke gepfeffert“.25Von Busch selbst erwähnt in einem der undatierten Lebensläufe im Kontext der Anträge zur Aufnahme in den Schriftstellerverband, er habe sich im Januar 1917 eine Beinverletzung zugezogen und „völlig unbewußt die Revolution im Lazarett“ erlebt (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840) Vgl. dazu die o.g. Bescheinigung des Oberkommandos der russischen Truppen in Deutschland, wonach er „krankheitshalber“ aus dem Dienst entlassen sei.

Erneut ein neuer Anfang – Dolmetscher und Übersetzer

Am 19. April 1945 zogen, wie Manfred von Buschs Töchter erzählen, „die Russen“ mit Panjewagen an dem Kleinmachnower Haus (Wendenmarken 135), in das die Familie zum 1. April 1936 gezogen war,26Irgendwann in dieser Zeit verbrachte die Familie auch einige Monate in Nordhausen, „weil es in Berlin mit den Kindern nicht mehr ging“, so Erika Voigt. (Margit von Busch kennt diese Vorgänge nur aus Erzählungen, meint aber, ihre Eltern seien schon in der Kleinmachnower Zeit „untergetaucht“, nach Ottersleben, weil sie den Eindruck gehabt hätten, ihr Haus werde beobachtet.) vorbei und kampierten einige Tage im Wäldchen vis-à-vis. Ihr Vater geht sofort zu ihnen und sagt auf Russisch: „Gottseidank seid ihr hier.“ Wenig später kommt der sowjetische Kommandant, geht ins Schlafzimmer, wo der Schreibtisch steht, zieht zwei Schubladen voller Papiere heraus und nimmt diese und ihren Eigentümer mit. Nach drei Tagen – oder vielleicht auch einer Woche (Erika Voigt und Margit von Busch erinnern sich unterschiedlich) – kehrt Manfred von Busch zurück: als Dolmetscher für die Provinzialverwaltung Mark Brandenburg in Potsdam.27Die früheste Anstellungsurkunde in den Archivakten ist auf den 1. Sept. 1945 datiert: BLHA, Rep. 203 MdI PA 544, Bl. 8; des weiteren Bl. 9, 10 und 5. Es handelte sich um eine deutsche Behörde, die „allerdings zugleich der unmittelbaren und vollständigen Kontrolle der Verwaltung der SMAD [Sowjetische Militäradministration in Deutschland] unterstand“ (Sattler 2002: 122). Damals ist er bereits an Magenkrebs erkrankt und die Arbeit – tags und nachts, er ist kaum noch zu Hause – im Grunde eine zu große Belastung, aber sie sichert das Auskommen. Bereits im Sommer 1945 wird von Busch Mitglied der KPD, im November 1945 tritt er dem FDGB bei.28BLHA, Akte Rep. 203 MdI PA 544, Bl. 18. Seinen eigenen Angaben im DSV-Fragebogen vom 19.11.1953 (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840) zufolge war von Busch seit Juni 1945 Mitglied der KPD, nach deren Zusammenschluss mit der SPD dann SED-Mitglied in Kleinmachnow – „bis Juli 1953“. Das deckt sich fast, aber nicht ganz mit seiner KPD- und der SED-Mitgliedskarte (in ersterer sind Märkchen ab Oktober 1945 eingeklebt, auf letzterer steht unter „Mitglied seit“ als Datum der 22.10.1945). Zudem verzeichnet eine Teilnehmerkarte „Parteilehrjahr der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands 1952/3“ Teilnahmen vom „20.X.“ bis „13.7.53“. Von Busch war außerdem Mitglied des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands (dem Mitgliedsbuch zufolge von Mai 1948 bis Juni 1953) und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, Berlin (dies seit 1948). In beiden Verbänden übernahm er zeitweise auch aktive Funktionen (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Für seine Mitgliedschaft im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, Potsdam, gibt er im DSV-Fragebogen vom 19.11.1953 „seit Gründung“ an. Ab August 1946 wird er als Chefdolmetscher der Präsidialkanzlei – will heißen: persönlicher Dolmetscher des Präsidenten der Provinzverwaltung der Mark (ab Dezember 1946 des Landes) Brandenburg – eingesetzt, im Mai 1947 wechselt er „nach Rücksprache mit Herrn Min. d. Innern Bechler u. Herrn Min.-Dir. Hentschel“ ins brandenburgische Informationsamt.29Schreiben der Abt. Allg. Verwaltung. Informationsamt vom 16. Mai 1947, Kopie BLHA.

Doch auf diesen scheinbar glatten Einstieg in die Nachkriegsordnung folgt alsbald der nächste Einbruch: Manfred von Busch wollte in die Gesellschaft hineinwirken, so Erika Voigt, sich am Wiederaufbau eines normal funktionierenden Lebens beteiligen. Seit April 1950 war er Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und hat in diesem Rahmen die Errichtung eines Gedenksteins für die Opfer des Faschismus in Kleinmachnow initiiert und durchsetzen können, aber das politische Klima ändert sich rasant. Während die erste Riege sowjetischer Offiziere, „anständige Leute“ (Erika Voigt), in die UdSSR zurückkehrt, treffen die neuen deutschen Machthaber ein, und bei denen habe er sich „einschleimen“ (Margit von Busch) müssen. Bereits Mitte Oktober 1947 verliert von Busch deshalb seine Dolmetscherstelle. Also nimmt er einen anderen beruflichen Überlebensfaden wieder auf: die literarische Übersetzung.30Von Februar bis Oktober 1949 wird von Busch noch ein letztes Mal kurzzeitig als Dolmetscher arbeiten, für die Landeskreditbank, Potsdam; von Juni 1955 bis zu seinem Tod im Dezember desselben Jahres ist er zudem als Redakteur für den VEB Globus Übersetzungs- und Zeitungsausschnittsdienst tätig, der vielen DDR-Literaturübersetzern ein Zubrot sicherte (s. Manfred von Buschs Arbeitsbuch, Privatarchiv Voigt/Stoecker).

Allerdings war auch hier die historische Stunde Manfred von Busch nicht hold: Geht man die Publikationsliste durch, so erweckt sie den Eindruck, der Übersetzer habe stets eine gute Auftragslage gehabt. Indes, die Archivdokumente sprechen eine andere Sprache. In einem Brief an Hermann Kant, seinerzeit Vorsitzender des Schriftstellerverbands der DDR, vom 15. November 1989 – sechs Tage nach Öffnung der Mauer! – spricht Erika Voigt von „rufmordähnlichen Verleumdungen“, denen ihr Vater sich ausgesetzt sah, gefolgt von der Streichung aus der SED, bis er zuletzt „überhaupt keine weiteren Aufträge für Übersetzungen oder andere Arbeitsmöglichkeiten“ mehr erhalten habe. Auch sei er aus der Sektion der Übersetzer des Schriftstellerverbands gestrichen worden.31Brief im Privatarchiv Voigt/Stoecker. In der ebenfalls dort befindlichen Mitglieds-Karte des Kulturbundes sind für den Zeitraum April 1950 (dem Gründungsmonat des DSV) bis Dezember 1952 „DSV-Verbandsbeitrag“-Märkchen eingeklebt; darüber hinaus gibt es ein Heftchen des DSV, ohne Namen oder Mitgliedsnummer, mit Marken für 1953.

In der Tat lagert im Archiv der Akademie der Künste, Berlin, im Bestand des Schriftstellerverbands der DDR (DSV) eine Mitgliederakte zu Manfred von Busch. Darin: zwei „Fragebögen/Aufnahmeanträge“ mit Formularkopf „Deutscher Schriftsteller-Verband“ und ein „Aufnahmeformular“ des „DSV im Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, Landesverband Potsdam“; von diesen Anträgen ist nur einer datiert, auf den 19. November 1953. Hinzu kommen sieben Schreiben unterschiedlicher Instanzen, die alle zum Gegenstand haben, weshalb der Betroffene „bisher nicht aufgenommen“ worden sei. Auf dem III. Schriftstellerkongress vom 22. bis 25. Mai 1952 löste sich der DSV vom Kulturbund. Danach entschied die jeweilige Landesleitung über Neuaufnahme und Ausschluss von Mitgliedern, wofür sie die „Entscheidung durch eine Prüfungskommission vorbereiten lassen [kann]. Über Beschwerden gegen die Entscheidung beschließt der Vorstand des Verbandes“ (Gansel 1996: 169f.; für das Zitat, aus Der Schriftsteller, Sondernummer zu Nr. 3 [1952]: 290). Bei dem Konvolut im Archiv der AdK dürfte es sich also um den Versuch Manfred von Buschs handeln, eine Neuaufnahme nach Überprüfung und Ausschluss zu erreichen.

Aus den zwischen dem 30. November 1953 und dem 20. August 1954 verfassten Schreiben geht hervor, dass von Buschs Zeit in der Baltischen Landeswehr und seine Tätigkeiten in der Nazizeit die Aufnahme in den Verband verhindern. In einem Brief vom August 1954 wird zunächst ein früherer (vom 10. März 1954) in Gänze wörtlich zitiert. In diesem Zitat heißt es unter anderem, „bei der Überprüfung der Potsdamer Schriftsteller“ sei aufgefallen, „dass der Kollege Manfred von Busch, der u.a. das Buch Der Sturm von Ilja Ehrenburg übersetzte, in seinem Fragebogen einige Fragen sehr mangelhaft ausgefüllt hat“. Konkret heißt es in Bezug auf die Zeit zwischen 1933 und 1945, von Busch gebe an, „dass er während der Nazizeit oftmals durch Haussuchungen belästigt worden sei, aber trotzdem während der Nazizeit als Redakteur für den Ostwelt-Verlag und später für den Ostasiendienst eingesetzt“ gewesen sei.32Margit von Busch bestätigt dies: Ihre Mutter habe wiederholt von einer Haussuchung noch in Berlin, in der Kalischer Str., erzählt. Die vorliegende Schriftenmappe „Russland und Asien“ weise „in der chronologischen Ablage des Schriftverkehrs einige Lücken auf, so dass angenommen werden kann, dass diese Mappe vor Übergabe an uns gründlichst gereinigt worden sei“. Schließlich heißt es, ergänzend [d.i. zu den Angaben im zitierten Schreiben vom 10. März] mache man

darauf aufmerksam, dass Manfred von Busch in der Baltischen Landeswehr als zaristischer Offizier gegen die Rote Armee gekämpft hat, und dass nach der Grossen Sozialistischen Oktoberrevolution seine Eltern mit ihm flüchteten. Und derselbe Manfred von Busch übersetzt heute Bücher über den Kampf der Roten Armee!!33Schreiben an die Präsidial-Kanzlei [d.i. die Kanzlei von Wilhelm Pieck, von 1949 bis 1960 erster und einziger Präsident der DDR], zu Hd. Kolln. Skrabs, vom 11. August 1954, gezeichnet: Krüger, Abt. Rechts- und Berufsfragen des DSV. (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840) Im Privatarchiv Voigt/Stoecker liegt eine DSV-Quittung, Bezirk Potsdam, vom 1. Februar 1954, in dem „dem Kollegen Manfred von Busch“ bestätigt wird, man habe von ihm eine Mappe mit 79 (!) Urkunden erhalten. Desgleichen findet sich dort ein Schreiben des Übersetzers an „Eduard Claudius, DSV Potsdam, Potsdam, Finkenweg 13“ (das war laut „www.zeitstimmen.de“ die Privatadresse von Claudius), vom 11. März 1954: Endlich könne er diesem „die gewünschten Belege in Abschrift überreichen. Es sind 46 Schriftstücke geworden. Auch die Broschüre ‚Der Silberkrieg’ lege ich bei.“ Selbstverständlich stehe er weiterhin zu jeder Auskunft bereit. Unter diesem Brief steht – mit Unterschrift „Eduard Claudius“: „Mappe mit 46 Schriftstücken und Broschüre ‚Der Silberkrieg’ erhalten.“ Krüger dürfte sich hier also auf jene von Erika Voigt im Zusammenhang mit Leonow erwähnten „78 [anscheinend wohl: 79] + 46 Dokumente“ beziehen, die an den DSV gingen, wenn auch nur auf einen begrenzten Teil davon.

In diesem Ton geht es noch zwei Absätze lang weiter. Aus einem nur wenige Tage später verfassten Brief an die Hauptabteilung Schöne Literatur des Ministeriums für Kultur lässt sich ersehen, dass Manfred von Busch in Briefen an den Verband, an die Präsidialkanzlei und an den Förderungsausschuss34Gemeint ist gewiss der „Förderungsausschuss für die deutsche Intelligenz“. Ob auf brandenburgischer Landes- oder auf Staatsebene der DDR muss offen bleiben. Aufgabe des Förderungsausschusses war die Verbesserung der ökonomischen Lage der wissenschaftlichen und kulturellen Elite. Das reichte von Lebensmittelkarten bis zur Bewilligung von Pensionen und Krediten beim Bau von Eigenheimen (Asmus/Asmus 2021: 23–25). geäußert haben muss, er erhalte keine weiteren Übersetzungsaufträge, weil er kein Verbandsmitglied sei. Dies wird zurückgewiesen, man mache keine Mitteilung an Verlage, ob dieser oder jener Übersetzer DSV-Mitglied sei, auch habe man keinen Einfluss auf die Vergabe von Übersetzungsaufträgen.

Die Verlage sind selbstverantwortliche Organe. So weit wir unterrichtet sind, bekommt Manfred von Busch keine Aufträge, weil in seinen Übersetzungen Fehler festgestellt wurden und die Zusammenarbeit mit ihm recht schwierig sein soll.35Schreiben des Sekretariats des DSV in Berlin an den Koll. Baum vom 20.8.1954, gezeichnet Kohn (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840).

Wie 1928 bis 1942 beim Antrag auf Einbürgerung an der bürokratisch schablonierten Kanzleisicht prallt hier ein Individuum am ideologisch schablonierten Parteiblick ab; gearbeitet wird mit Unterstellungen und Kolportiertem; auf die Inhalte dessen, was an Schriftstücken vorlag, geschweige denn, welches Vokabular und welcher Sprachstil (ns-nah oder -fern) sie auszeichnet, wird nicht eingegangen.36Da es hier um den Übersetzer Manfred von Busch geht, muss eine Bewertung des Journalisten außen vor bleiben. Gleichwohl sei gesagt, dass ich fünf der sechs in der Bibliographie genannten Aufsätze gelesen habe. Der Verfasser bedient sich eines neutral-wissenschaftlichen Tons und einer auf den ersten Blick rein sachlichen, also wirtschaftsbezogenen Perspektive. In der Regel skizziert er zunächst die politischen und ökonomischen Entwicklungen unter historischen Aspekten, geht sodann auf die aktuellen innen- und außenpolitischen Hintergründe ein, listet die wirtschaftlichen Leistungen und Schwächen des jeweiligen Landes auf, und wagt schließlich an irgendeiner Stelle eine kurze Einschätzung – die dann doch nicht ohne ideologische Einfärbung auskommt. So schreibt er etwa in Japans Stellung in Ostasien nach dem Dreimächtepakt: „Um die Gerechtigkeit in Ostasien geht es Japan bei seinen Bemühungen der Neuordnung, die dem Grundsatz des merkantilen Verdienens gegenübergestellt wird, der bisher das Gleichgewicht Ostasiens störte.“ (S. 38) Und in Ostasien auf dem Wege zur neuen Ordnung zu den Bewegungen in Thailand, die auf eine Befreiung von der Kolonialmacht Frankreich abzielten und seiner Auffassung nach die ökonomische Vormachtstellung Großbritanniens im ostasiatischen Raum infrage stellten: „Es ist eine Wandlung, in der die alte Ordnung abtritt und einer neuen Platz macht“ (S. 138), was „nichts Besorgniserregendes für den Europäer und erst recht nicht für uns Deutsche“ sei. Es biete „vielmehr uns neue Möglichkeiten für die Teilnahme am Aufbau. Die deutsche Industrie hat sich schon in der Zeit nach dem Versailler Diktat – im Gegensatz zum angelsächsischen Krämergeist, der auf leichten Gewinn aus vergänglichem Handelsgeschäft ausging – trotz größter Schwierigkeiten aufbauend, bleibende Werte schaffend, in Ostasien in einem Sinne betätigt, der durchaus in der Richtung der neuen Ordnung liegt“ (S. 140). Man kann sich der Vermutung nicht erwehren, dass Manfred von Buschs Ausschluss aus der Partei und Nicht-(Wieder-)Aufnahme in den umstrukturierten Schriftstellerverband eine Auswirkung jener Richtungskämpfe der ersten Nachkriegsjahre gewesen sein dürften, die auf dem Gebiet der Kultur mit dem „Formalismus-Plenum“ im März 1951 einen Höhepunkt erreicht hatten: Von da an war die Kulturpolitik der DDR eine Blaupause der sowjetischen Kulturpolitik.

Zur selben Zeit, genauer: im September 1954 bietet der Übersetzer dem Staatlichen Rundfunkkomitee, der DEFA-Synchronabteilung, dem Verlag der Nation sowie dem Verlag Volk und Wissen seine Arbeit an, und am 30. des Monats schreibt er dem Vorsitzenden des Rates des Bezirks Potsdam:

Am 8.9.1954 wandte ich mich schriftlich an den Rat des Bezirks, Amt für Arbeit mit der Bitte um Gewährung der Unterstützung, die mir laut Verfassung (§15) und Gesetz der Arbeit (§ 1,1) der DDR zusteht, weil meine finanziellen Mittel erschöpft sind und meine Bemühungen um Arbeit weiterhin keinen Erfolg haben. Vielleicht ist es Ihnen möglich, im Rahmen Ihres Bezirks eine Arbeitsmöglichkeit für mich ausfindig zu machen. Ich bin allerdings schon 57 Jahre alt.37Dieses wie die Schreiben an die vorgenannten Verlage und Anstalten im Privatarchiv Voigt/Stoecker.

Ihrem Vater war, so Erika Voigt in dem Brief an Hermann Kant vom 15. November 1989, „jede materielle Voraussetzung für den Unterhalt seiner Familie genommen“. Zu den „78 [79] + 46 Dokumenten“ schreibt sie, Claudius, „damals wohl Vorsitzender des Bezirksverbands Potsdam“,38In welcher Funktion genau Eduard Claudius (1911–1976) die Unterlagen erhielt, konnte nicht geklärt werden: In verschiedenen Quellen wird auf eine Tätigkeit als Kulturbundfunktionär verwiesen, dies jedoch zumeist ohne Datierung. Die Unterlagen des Schriftstellerverbands geben „1945/47“ an, „später als freiberuflicher Schriftsteller tätig“ (Mail von Maren Horn vom 18.10.2022, Literaturarchiv der Akademie der Künste Berlin). Zu seiner Funktion im Schriftstellerverband heißt es mal, er sei von 1955 bis 1956 Erster Sekretär des DSV gewesen, dann wieder von 1956 bis 1957. Richtig dürfte wohl 1955/56 sein, denn Claudius war maßgeblich an der Vorbereitung des für 1954 geplanten, doch (durch den Aufstand des 17. Juni 1953 und Stalins Tod 1954) erst 1956 stattfindenden IV. Schriftstellerkongresses beteiligt, auf dem er auch den Rechenschaftsbericht hielt (s. u.a. Gansel 1996: 181, 185). Im Übrigen trat Claudius 1956 den Posten eines Generalkonsuls der DDR in Syrien an. Dass von Busch ihm im März 1954 Dokumente zukommen lässt, erlaubt vielleicht die Annahme, dass Claudius einer Prüfungskommission angehörte, die im Bezirk Potsdam die bisherzigen DSV-Mitglieder durchmusterte. habe ihrem Vater „unter dem Versprechen, ‚seinen Fall zu prüfen’, alle persönlichen Unterlagen, berufliche Dokumente und vieles mehr“ abgenommen,

so daß keinerlei Papiere dieser Art im Besitz der Familie verblieben. Spätere mehrmalige Nachforschungen in Potsdam und auch in Berlin führten zu keinem Ergebnis, Claudius verleugnete alles, die Familie stand vor dem Ruin – von den drei Töchtern waren zwei in der Ausbildung, eine noch schulpflichtig, die Mutter ohne Beruf.

Angesicht dieser ausweglosen Situation sei ihr Vater im Dezember 1955 verstorben. Und sie schließt, wohl auch im Namen ihrer Mutter: „Wir erwarten, daß in Ihrem Verbande eine Kommission sich mit diesen Problemen befaßt und zumindest soweit es noch vorhandene Materialien erlauben, den wahren Sachverhalt aufklären“ (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Indes: Auf dem Außerordentlichen Schriftstellerkongress vom 1. bis 3. März 1990 wurde Hermann Kant von Rainer Kirsch abgelöst, und nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten stellte der Verband per Vorstandsbeschluss seine Tätigkeit zum 31. Dezember 1990 ein.

Erika Voigt ließ gleichwohl nicht davon ab, den abhanden gekommenen Dokumenten weiter nachzuspüren, wohl bis mindestens 2009, wie sich anhand verstreuter Mosaiksteine in dem von ihr angelegten Ordner vermuten lässt. Den Briefwechsel mit Leonow zu finden, wäre gewiss nicht nur aus familiengeschichtlichen Gründen, sondern auch übersetzungsgeschichtlichen nicht uninteressant.

Übersetzen vor der Folie beständiger Machtscharmützel

Einer der ersten Nachkriegsaufträge von Buschs war Ilja Ehrenburgs Sturm. Der Vertrag mit dem Verlag Volk und Welt stammt vom 17. Dezember 1947. Nachdem ihr Vater die erste Fassung abgeschlossen hatte, erzählt Erika Voigt, fuhr Irene Gysi – seinerzeit gleichsam amtierende Kulturministerin39Irene Gysi (1912–2007), in St. Petersburg geboren, Westemigrantin, war von 1946 bis 1949 Referentin und Leiterin der Hauptabteilung Literatur, die der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) unterstand, jener von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) eingesetzten deutschen Verwaltungsinstanz, die bis zur Staatsgründung der DDR in der sowjetisch besetzten Zone regierungsähnliche Aufgaben innehatte. Nach Gründung der DDR wird sie einige Jahre als Verlagsleiterin von Kultur und Forschritt sowie Rütten & Loening arbeiten und später über lange Jahre in der Kulturpolitik tätig sein (Müller-Enbergs 2000: 297). – im Februar 1948 mit einem Wagen in Kleinmachnow vor und forderte das Manuskript ein mit der Begründung, in Moskau mit dem Autor über den Text sprechen zu wollen. Im Sommer 1948, so Erika Voigt weiter, habe ihr Vater dann zufällig in der Buchhandlung auf dem Alexanderplatz Ehrenburgs Roman aufliegen sehen, herausgegeben im Verlag für Fremdsprachige Literatur, Moskau, ohne Nennung des Übersetzers, stattdessen heißt es darin: „Die Redaktion der deutschen Übersetzung besorgte Maria Riwkin“. So stand es dann auch in der zweibändigen Volk-und-Welt-Ausgabe von 1948 und in allen dort je erschienen Nach- und (bearbeiteten) Neuauflagen. Als ihr Vater Klaus Gysi,40Klaus Gysi (1912–1999), späterer Kulturminister der DDR, war seit 1945 im Kulturbund tätig, auch dieser eine Gründung der SMAD, und Chefredakteur der vom Kulturbund herausgegebenen Zeitschrift Aufbau (Müller-Enbergs 2000: 297). der mit ihm die Buchhandlung aufgesucht hatte, auf die Unterschlagung seines Namens ansprach, habe der entgegnet, das habe mit ihm, von Busch, nichts zu tun, und wenn er jetzt nicht stillhalte, könne er gar nicht mehr arbeiten. Ein Honorar habe ihr Vater auch nie erhalten.

Auf dem Übersetzungsvertrag gibt es einen handschriftlichen Vermerk: „12.3. Barckhausen ändert Bezahlung ohne Vorwarnung in 12 MK pro Seite ab wegen Redigierungen über das übliche Mass hinaus.“ Den entsprechenden Passus gibt es in dem Vertrag, in dem ein Honorar von RM 14.– vereinbart worden war. Nach der Wende hat Erika Voigt versucht, die Hintergründe auch dieser Angelegenheit zu klären, weniger irgendwelcher Rechtsansprüche wegen, erklärt sie, als vielmehr um die Ereignisse besser zu verstehen. Aber im Verlag Volk und Welt habe sie nur die Auskunft erhalten, es gebe keinerlei Unterlagen mehr von damals. Und ein Schreiben, das sie im Februar 1991 an Maria Riwkin schickte, die zum Zeitpunkt der Geschehnisse in Moskau, inzwischen jedoch bei ihrer Tochter in Kolumbien lebte, sei unbeantwortet geblieben.41Durchschlag des Briefes vom 7. Februar 1991 im Privatarchiv Voigt/Stoecker. Maria Riwkin (1913–1995), deren Leben eine Kette aus Flucht und Verfolgung ist, kehrte 1956 aus der UdSSR nach Deutschland zurück, in die DDR, wo sie als Übersetzerin, Gutachterin und Verlagsredakteurin arbeitete. Mehr zu ihr siehe Kossuth 2003: 49f. Gewiss wäre es selbst heute noch interessant, mehr Licht auch in diese Angelegenheit zu bekommen, wäre die vollständige Publikationsgeschichte eines für die unmittelbare Nachkriegszeit so bedeutenden Werks wie Ilja Ehrenburgs Sturm doch ein kleiner Mosaikstein im Gesamtbild des jungen Verlagswesens in der SBZ/DDR, dessen komplexes institutionelles und personnelles Räderwerk sich bei mancher Publikation aus deutlich mehr Rädern zusammensetzte als per Gesetz und Erlass vorgesehen.

Sehr glückreich ging es für Manfred von Busch in der Zusammenarbeit mit Volk und Welt auch im Folgenden nicht weiter. Seine Übersetzung einer 340 Seiten umfassenden Auswahl von unterschiedlichen Texten Michail Prischwins – erschienen ebenfalls 1948, unter dem Titel Die Flöte Pans42Die Auswahl umfasst Prosaminiaturen sowie kurze und lange Erzählungen (rasskazy, povesti) für Kinder und Erwachsene. – wurde von dem Schriftsteller Joachim Barckhausen redigiert – genauer: von ihm und seiner Frau, denn er war blind. Sie las ihm, so er selbst, „nächtelang“ vor, redigierte „mit mir zusammen“ (Barckhausen 1973: 474). Barckhausen (1906–1978), während der NS-Zeit mit „kriegswichtigen schriftstellerischen Aufgaben“ betraut und nach dem Krieg in einer von der Abteilung Volksbildung des Berliner Magistrats herausgegebenen Liste als „völkisch“ eingestuft (Adam 2016: 262f.), wohnte in Westberlin und arbeitete seit dem Frühjahr 1947 als Cheflektor bei Volk und Welt. Er ist nicht der einzige „Wanderer zwischen den Welten“ (Adam 2016: 214), der bis zum Mauerbau 1961 (und vereinzelt noch darüber hinaus) in Ost und West veröffentlichte und zudem sehr erfolgreiche Drehbücher für die DEFA schrieb.

Generell ist auffällig, wie viele der Übersetzungen Manfred von Buschs bearbeitet wurden, wobei nur ein genauer Abgleich mit dem jeweiligen Original klären könnte, ob tatsächlich die Übersetzung sprachlich-stilistisch redigiert wurde oder aber Anpassungen an einen seinerseits veränderten Originaltext vorgenommen wurden – so ja geschehen mit Leonows Das Ende eines kleinen Mannes und so auch geschehen mit Ehrenburgs Sturm 1980. Die Überarbeitung von Werken entsprechend sich ändernder ideologie-induzierter Lesarten bestimmter geschichtlicher Ereignisse war gängige sowjetische Praxis.

Ganz abgesehen davon, dass mitunter ein Blick nur in die Bibliothekskataloge und deren Angaben zu Neuauflagen keinen Aufschluss darüber gibt, was bearbeitet wurde. So heißt es beispielsweise im DNB-Katalog zu Natan Rybaks Die große Entscheidung von 1954 „2., durchges. Aufl., 11. – 13. Tsd.“. Tatsächlich jedoch scheint nur das Nachwort ausgetauscht worden zu sein, zumindest entspricht der Seitenfall exakt dem von 1952; ebenso haben von mir stichprobenweise verglichene Absätze keine textlichen Abweichungen zutage gebracht. Das Nachwort der ersten Auflage, datiert auf Juni 1951, stammt von Alfred Antkowiak (1925–1976), seinerzeit Kulturfunktionär in Thüringen, und dürfte sich dem sogenannten „Formalismus-Plenum“ vom März 1951 verdanken.43Das ist die 5. Tagung des Zentralkomitees der SED vom 15. bis 17. März 1951, auf der – in Übernahme der kulturpolitischen Vorgänge in der Sowjetunion – die Entschließung „Der Kampf gegen den Formalismus in der Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche deutsche Kultur“ angenommen wurde. Sie gehört zu einer der Kampagnen, „durch die die Intellektuellen diszipliniert und auf das ‚wahre Schreiben’ eingeschworen werden sollten“ (Hartmann 2006: 559). Unter dem Titel „Wahrheit und Aktualität der Geschichte“ ergeht er sich unter ständigem Rekurs auf Marx, Engels, Lenin und Stalin, aber auch auf Mao Tse-tung, Belinski und Herder in einer Apotheose des sozialistischen Realismus als der „einzige[n] Methode der volksverbundenen, revolutionären und schöpferischen Kunst in der Epoche der proletarischen Revolutionen, der Epoche des Aufbaus des Sozialismus und des Kommunismus“ (Rybak 1952: 645). Und natürlich erfüllt der sowjetische Schriftsteller Antkowiak zufolge alle Forderungen dieser „Methode“: Der Autor habe es „verstanden, die Rolle der Volksmassen darzulegen; das Volk ist der Held des Geschehens“, ebenso habe er es verstanden, „die individuelle Physiognomie und die Persönlichkeit seiner Gestalten so lebendig zu zeichnen“, und last, but not least verstand er es, ihnen „die allgemeinen Merkmale und Kennzeichen ihrer Klassenlage als notwendigen Bestandteil ihres Ichs beizugeben“, wodurch „echte, wahrhaftig gezeichnete Figuren“ entstünden, „die sowohl klar als auch lebhaft in erwähntem Sinne Herders sind“ (Rybak 1952: 654, 655; alle Kursivierungen im Original gesperrt).

Natan Rybak: Die große Entscheidung, 1952.
Beschreibung

Rybak (= Ribak), Natan (1952): Die große Entscheidung [= Teil 1 (Buch 1–4) des zweibändigen Romans]. Übersetzung aus dem Russischen von Manfred von Busch. Illustrationen: M[ichailo] G[ordijovič] Deregus, Verdienter Künstler der ukrainischen SSSR. Weimar: Thüringer Volksverlag.

Das ukrainische Original Perejaslav’ska rada erschien 1948 und wurde 1949 von Boris Turganov ins Russische übersetzt.

Datum16. November 2022

Rybak (= Ribak), Natan (1952): Die große Entscheidung [= Teil 1 (Buch 1–4) des zweibändigen Romans]. Übersetzung aus dem Russischen von Manfred von Busch. Illustrationen: M[ichailo] G[ordijovič] Deregus, Verdienter Künstler der ukrainischen SSSR. Weimar: Thüringer Volksverlag.

Das ukrainische Original Perejaslav’ska rada erschien 1948 und wurde 1949 von Boris Turganov ins Russische übersetzt.

Dieses 12-seitige Nachwort also hat in der zweiten Auflage einem gut vierseitigen, unsignierten und undatierten Platz gemacht – das sich wiederum den „Thesen des ZK der KPdSU über den 300. Jahrestag der Wiedervereinigung der Ukraine mit Russland“ verdanken dürfte, die auch seinen Titel liefern: „Zum 300. Jahrestag der Wiedervereinigung des ukrainischen mit dem russischen Volk“. Am 8. und 9. Januar 1654 hatte eben jene Kosakenversammlung (Rada) in Perejaslaw stattgefunden, um die der Roman sich zentriert. Auf ihr schworen die Saporoger Kosaken einen Treueeid auf den russischen Zaren; dieser sicherte ihnen im Gegenzug Protektion zu; damit begann der Russisch-Polnische Krieg, an dessen Ende die Gebiete östlich des Dnepr zarisches Herrschaftsgebiet wurden. Dreihundert Jahre später – eben 1954 – feierte man dies in der Sowjetunion aufwendig als einen „Staatsakt“, so das Nachwort, der „die Einheit des russischen mit dem ukrainischen Volk besiegelt“ habe, denn die Kosakenrada habe „die Wiedervereinigung des ukrainischen mit dem russischen Volk, die Einverleibung der Ukraine in das russische Reich“ beschlossen. Zwar sei dadurch noch nicht das ganze ukrainische Gebiet befreit worden, die „völlige soziale und nationale Befreiung […] brachte erst die Große Sozialistische Oktoberrevolution“ (Rybak 1954: 645, 646). Insgesamt ist das ganze Nachwort eine Paraphrase der „Thesen“, mit denen „für das sozialistische Lager die Deutung von Peresljav vorgegeben“ war (Ganzer 2005: 83).44Abdruck der „Thesen“ in der Prawda vom 12. Januar 1954; auf Deutsch und Russisch nachzulesen in: Ganzer 2005: 184–201.

Auch Antkowiak schreibt in seinem Nachwort zur ersten Auflage, der Kosakenführer Bogdan Chmelnizki habe erkannt, dass „die Befreiung der ganzen Ukraine vom polnischen Joch […] auf Dauer nur möglich war durch den Anschluß an das russische Staatswesen“ (Rybak 1952: 649). Doch während er – wie übrigens auch der das Auftaktreferat zum „Formalismus-Plenum“ haltende Hans Lauter,45Abgedruckt in Lauter 1951: 7–41. Hans Lauter (1914–2012) war seit 1950 als Mitglied des ZK der SED für Kultur zuständig (bis 1953). Schregel zufolge kompilierte auch Lauter, er habe sich beispielsweise „wortgenau“ auf den Girnus-Artikel (vom 13./18. Februar) im Neuen Deutschland bezogen, „sein Referat drückt die Parteilinien, nicht seine Ansichten aus“ (Schregel 1991: 89f.). den Antkowiak im Grunde nur paraphrasiert – in seinen Äußerungen zum sozialistischen Realismus sich der Stilfiguren des Superlativs und der Wiederholung in einer den Inhalt unfreiwillig ad absurdum führenden Weise bedient, ist sein Ton bei der Darlegung des historischen Hintergrunds von Rybaks Roman vergleichsweise, sagen wir, moderat und ein wenig, wenngleich nur minimal, nuancenreicher als das Nachwort 1954.

Nische Kinderbuch

Ganz anders als mit Volk und Welt gestaltete sich Manfred von Buschs Zusammenarbeit mit Alfred Holz, dem Inhaber eines privaten Verlags für Kinderliteratur. Holz (1904–1974) war seit 1929 KPD-Mitglied und ab 1938 im Verlag Alfred Metzner mit der Kinderbuchthematik in Berührung gekommen. Seinen eigenen Verlag gründete er im Juli 1945. Wachsender (politisch motivierter) ökonomischer Druck wird ihn 1963 veranlassen, den Verlag an den Kinderbuchverlag Berlin abzugeben und fortan, bis zu seinem Tod, unter dessen Leitung zu arbeiten – unter altem Firmenamen, als Produktionsgruppe Holz (Holland 2005: 215f., Links 2009: 220). In einem Brief an Manfred von Busch – der insgesamt vier Titel für den Verlag ins Deutsche gebracht hat – schreibt der Verleger: „[…] wenn man über 99 Manuskripte die kalte Wut kriegt oder fast hoffnungslos werden möchte und das 100. Manuskript fällt dann so aus wie Ihre Übersetzung von ‚Das Bärenreich‘, dann ist alles wieder gut“ (Brief vom 27. Januar 1949, Privatarchiv Voigt/Stoecker). Die Fortsetzung des Schreibens legt nahe, dass Manfred von Busch diesen Titel von Wjatscheslaw Schischkow selbst dem Verlag angeboten hat.

Zwei Jahre später sind der Verleger und der Übersetzer per Du. Alfred Holz schickt von Busch einen Band mit „Tiermärchen und Erzählungen russischer Klassiker“ (1953 dann unter dem Titel Kindererzählungen erschienen) mit der Bitte, es für ihn zu lesen und „Erzählung für Erzählung kurze Charakteristiken aufzuschreiben“ (Brief vom 5. November 1951, Privatarchiv Voigt/Stoecker), einige Monate später liegt offenbar die Übersetzung in Rohfassung vor – zumindest aus Sicht des Verlegers: „Deine Arbeit“, schreibt er, „ist aber vorläufig noch, wovon wir beide überzeugt sind, nur eine Rohübersetzung“ (Brief vom 5. Mai 1952, Privatarchiv Voigt/Stoecker). Ein Vertrag ist da noch nicht unterzeichnet, den möchte Holz „vielleicht richtiger erst“ machen, wenn die Druckgenehmigung des Amts für Literatur und Verlagswesen erteilt worden ist“, aber er sichert von Busch ein Honorar in Höhe von 5% des Ladenpreises zu – gewiss wieder „für jedes fest verkaufte Exemplar“ wie bei Schischkows Bärenreich.46Vertrag vom 2. März 1949. Im Vertrag zu Skrebizkijs Erlebnissen auf der Jagd vom November 1954 heißt es dann, ein Vorschuss von DM 500 habe von Busch bereits erhalten, weitere DM 500 würden bei Erteilung der Druckgenehmigung fällig; auch erhält er 75% am Erlös aus den Werknutzungsrechten (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Dem Übersetzer wird somit ein Teil des kulturpolitisch bedingten verlegerischen ökonomischen Risikos zugemutet, ihm wird jedoch im Gegenzug eine Beteiligung an Weiterverwertungen eingeräumt, die merklich über das bei anderen Verlagen Übliche hinausgeht.

Ähnliche (zumindest Lektüre-) Vorarbeiten ohne Entlohnung hat von Busch offenbar auch bei den Chinesischen Volksmärchen vorgenommen; in einem zweiten Schreiben vom 5. Mai 1952 erklärt Holz, es wäre ihm „angenehm, wenn wir die Frage des Übersetzer-Honorars […] noch etwas zurückstellen würden“ – wieder bringt er das Druckgenehmigungsverfahren als Argument vor –, und schließt: „Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich mir morgen den Hals breche, wäre mein Rechtsnachfolger zwangsweise an meine Vereinbarungen mit Dir gebunden“ (Brief vom 5. Mai 1952, Privatarchiv Voigt/Stoecker). Ein Vertrag im eigentlichen Sinne des Wortes über diesen Titel findet sich unter den erhaltenen Unterlagen Manfred von Buschs nicht. Margit von Busch erzählt, ihr Vater habe über Alfred Holz geäußert, er sei der Einzige gewesen, der ihn nie betrogen habe.

Auch der spätere Rechtsnachfolger, Der Kinderbuchverlag, scheint allen Verpflichtungen nachgekommen zu sein: In dem von Erika Voigt angelegten Ordner finden sich Mitteilungen und Abrechnungen bis ins Jahr 1985, darunter, seit den 1970er Jahren, auch solche über Lizenzvergaben von einzelnen Texten aus den Kindererzählungen an westliche Verlage. Von diesem Honorar konnten von Buschs Witwe und nach deren Tod seine Tochter 50%, einmal auch 75%, „beim Büro für Urheberrechte als Valutaanspruch (evtl. für den Einkauf im Intershop oder Genex) geltend machen“.47Siehe z.B. Schreiben vom 18.7.74 an Olga von Busch. Eine der vom Ellermann Verlag übernommenen Fabeln, „Der Wolf und der Hund“ wurde wiederum in einem westlichen Radio gelesen; auch darüber gibt es eine Abrechnung: über M 23,25, von denen 20% Einkommensteuer abgehen, M 4,65. Der Kinderbuchverlag Berlin an O. von Busch, Honorarabrechnung, 3.9.75. Einige der Abrechnungen des Kinderbuchverlags über Beteiligungen an Verkäufen aus Nachauflagen in der DDR während der 1960er Jahre erreichen Beträge zwischen 1000 und 2000 Mark netto (also nach Abzug der Einkommenssteuer in Höhe von 20%) (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Seit 2002 werden die Altrechte des Kinderbuchverlags von der Verlagsgruppe Beltz ausgewertet (Links 2009: 223), nun unter dem Programmnamen „Beltz|Der KinderbuchVerlag“.

Mit dem Übergang des seit Mitte der 1960er Jahre der SED gehörenden Verlags unter Treuhandverwaltung im Juni 1990 beginnt die an Volten reiche Geschichte von Verkleinerungen, Verkäufen, Rettungs- und Weiterführungsversuchen, in deren Verlauf das Verlagsarchiv auf unterschiedliche Institutionen verstreut wurde (Links 2009: 221–223). Dabei ist anscheinend an irgendeinem Punkt auch das Wissen darüber untergegangen, dass Erika Voigt als Erbin an Weiterverwertungen zu beteiligen war und nun, noch bis 2025, deren Söhne daran zu beteiligen wären – zumindest finden sich in den überkommenen Unterlagen keine Abrechnungen, Nutzungen nach 1990 betreffend, obwohl einzelne Texte aus den Kindererzählungen sich in verschiedenen Büchern finden lassen (siehe Bibliographie, möglicherweise nicht vollständig). Dieses Abreißen der Rechtekette nach dem Tod eines Urhebers ist keine Seltenheit, potenziert sich aber natürlich in Zeiten politischer und/oder ökonomischer Umbrüche noch.48Ähnliches scheint für die 2018 herausgebrachte E-Book-Ausgabe von Ostrowers Sturmvögel durch den Verlag Neuer Weg zu gelten. „Diese Version beruht“, dem Verlag zufolge, „auf unsere[r] Lizenz von 1974 mit dem Übersetzer Manfred von Busch“. Einmal abgesehen davon, dass der Übersetzer da schon 19 Jahre tot war und die Druckausgabe seinerzeit „mit Genehmigung des Verlags Märkische Volksstimme, Potsdam“ erschien (auch dies eine Mitteilung des Verlags Neuer Weg selbst, Mail an mich vom 15.06.2022), scheint mancher Verlag zu ignorieren – und leider auch mancher Urheber und erst recht seine Erben nicht zu wissen –, dass Nutzungsrechte für eine Nutzungsart, die zum Zeitpunkt der Rechteeinräumung noch nicht bekannt war, nicht stillschweigend im Voraus eingeräumt worden sein können. Siehe, last, but not least, den Reprint 2013 von Manfred von Buschs eigenem Werk Der Silberkrieg in Ostasien. Zu beiden Zeitpunkten war auch Olga von Busch bereits verstorben, für beide Titel ist im Familienarchiv kein Vertrag überkommen.

Deutlich kurzlebiger noch als die unabhängige Existenz des Alfred Holz Verlags war die des Peter-Paul-Verlags, 1946 im mecklenburgischen Feldberg ins Leben gerufen (jenem Städtchen, wo Hans Fallada 1945 für einige wenige Monate Bürgermeister war) und benannt nach dem Sohn des Gründers, dem 1944 geborenen und 2011 gestorbenen Schriftsteller Peter-Paul Zahl. Nach 26 Titeln im Kinder- und Jugendbuchbereich – darunter Klykows Karpik der Wasserfuchs in von Buschs Übersetzung – erhielt der Verlag bereits 1951 keine Neulizensierung mehr, 1953 ging die Familie in den Westen (Mecklenburg-Strelitz-Blog 2011). Manfred von Busch wird, als er 1953 die Aufnahme in den DSV beantragt, dieses Werk in keinem der Formulare auflisten: Zufall oder Vorsichtsmaßnahme?

Andrej Klykow: Karpik der Wasserfuchs 1951.
BeschreibungKlykow, A[ndrej] (1951): Karpik der Wasserfuchs. Autorisierte Übersetzung aus dem Russischen von Manfred von Busch. Illustrationen und Bezug von Jürgen Ritter. Feldberg i.M.: Peter-Paul-Verlag, 103 S.
Datum16. November 2022
Klykow, A[ndrej] (1951): Karpik der Wasserfuchs. Autorisierte Übersetzung aus dem Russischen von Manfred von Busch. Illustrationen und Bezug von Jürgen Ritter. Feldberg i.M.: Peter-Paul-Verlag, 103 S.

Auch der Petermänken-Verlag mit Sitz in Schwerin war eine Nachkriegsgründung, initiert von Willi Bredel (1901–1964), der, aus dem Moskauer Exil zurück, seit August 1945 Vorsitzender des von ihm mit begründeten Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands in Mecklenburg-Vorpommern war. Als GmbH formal ein Privatunternehmen, übte der Kulturbund, der die meisten Geschäftsanteile hielt, gleichwohl von Anfang an seinen ideologischen Einfluss aus. Mit dem wachsendem Zugriff der SED auf die Kultur in den 1950er Jahren würde nach langem Tauziehen – das schon 1951 einsetzte –, 1964 auch dieser Verlag enden: „übergeleitet“ in den bereits volkseigenen Hinstorff Verlag (Schmidt 2016: 60, 64–67).

Für Petermänken verzeichnet Erika Voigt zwei Übersetzungen, die eine – Alexej Kolossows Der neue Acker – ist vermutlich nie erschienen, jedenfalls in keinem Bibliothekskatalog nachweisbar.49In einem der drei DSV-Fragebögen/Aufnahmeanträge führt von Busch diesen Titel in dem Formularpunkt „Zur Zeit in Arbeit“ an und nennt als Erscheinungsjahr 1953 (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840). Der von Verlag und Übersetzer mit Datum 31. Dezember 1952 unterzeichnete Vertrag garantiert dem Übersetzer ein Honorar von DM 11 pro Seite à 2000 Schreibmaschinenanschläge, zahlbar in drei Raten: bei Abschluss des Vertrags, bei Ablieferung der Übersetzung und den „Rest mit der Feststellung des Verlegers, daß der Übersetzer seinen Auftrag erfüllt hat“; hinzu kommt eine Beteiligung von 10% an dem Erlös aus den Werknutzungsrechten. Generell ist an diesem wie an den anderen aus dem ersten Nachkriegsjahrzehnt überkommenen Verträgen bemerkenswert, dass von Busch mitunter ein Anteil am Erlös aus Lizenzvergaben eingeräumt wird sowie Tantiemen im Falle einer zweiten Auflage (in der Regel 3%), sofern der Übersetzer eine Übersetzung liefere, die eine Bearbeitung „nicht erfordert und die als literarisch gelungen zu bezeichnen ist“ – dies offenbar eine Standardformulierung: sie kehrt in mehreren Verträgen wieder.50Siehe beispielsweise im Vertragstext des Verlages Neues Leben oder des Thüringer Volksverlags (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Das Seitenhonorar, das von Busch erhält, bewegt sich, je nach Verlag und Titel, zwischen 9 und 13 Deutsche Mark, bei den beiden vor der Währungsumstellung 1948 übersetzten Titeln: 14 bzw. 15 Reichsmark.

Linienkonforme Spannungsromane für Groß und Klein

Nicht anders als die Kinder- und Jugendbücher hat gewiss auch Pjotr Ignatows Partisanen, ein dreiteiliger Roman für Erwachsene über den russischen Bürgerkrieg, seinen Weg durch die ostdeutschen Verlage den politischen Zeitläuften zu verdanken. Als der erste Teil 1952 im VVN-Verlag herauskam, war die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes der SED-Führung längst ein Dorn im Auge: Das Ehepaar Hanna (1899-1988) und Erich (1893-1975) Klückmann – sie die Verlagsleiterin und -geschäftsführerin, er Redakteur – hatte, wie die VVN überhaupt, zunächst einen gewissen Abstand zur Partei gewahrt; allen Anpassungsversuchen an ideologische Vorgaben zum Trotz wurden Verlag und Vereinigung 1953 liquidiert (Michael Klein 2018).51Nebenbei sei angemerkt, dass Manfred von Buschs Arbeitsbuch für den Zeitraum April 1950 bis September 1951 eine Tätigkeit als fest angestellter Redakteur bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes verzeichnet (Privatarchiv Voigt/Stoecker).

Teil 1 von Partisanen kam noch 1952 auch als Volk-und-Welt-Buch heraus – in gleicher Aufmachung, vom Umschlag über die Seitenzahl bis zum Format. Teil 2 und 3 würden erstmals 1956 erscheinen, im Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, da ist Manfred von Busch bereits seit einem Jahr tot. Die Verträge für Band 1 und 2 – vom 27.6.1950 respektive 14. Okt. 1950 – stammen vom VVN-Verlag und tragen die Unterschrift von Buschs und Klückmanns; als Abgabedatum sind der 15. September respektive der 15. Dezember 1950 genannt.52Zwei bis drei Monate für die Übersetzung eines Buchs, das 500 Seiten und mehr umfasst – dieser äußerst knapp bemessene, Recherchieren und Feilen schwerlich ermöglichende Zeitraum ist in von Buschs Verträgen keine Seltenheit. Im Privatarchiv Voigt/Stoecker gibt es zudem einen von Erika Voigt (seinerzeit noch Erika von Busch) unterzeichneten Vertrag mit dem Verlag der Kasernierten Volkspolizei (ab Ende Mai 1956: Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung) vom 4. Februar 1956 über Ignatows Partisanen, in dem als Umfang „ca. 600“ Seiten angegeben sind, sowie zwei Schreiben vom 3. Juli und 13. August desselben Jahres, aus denen hervorgeht, dass sie die Übersetzung ihres Vaters zu Ende gebracht haben muss.53Im ersten Brief wird der „sehr geehrten Kollegin“ mitgeteilt, daß wir die ersten 1oo Seiten Ihrer Übersetzung bereits durchgesehen haben, im zweiten teilt man dem „Sehr geehrten Fräulein von Busch“ mit, „dass die Übersetzung ‚Partisanen’ so gut ausgefallen ist, dass wir das Seitenhonorar von 12,– DM auf 13,– DM erhöhen konnten“ (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Der VEB Deutscher Militärverlag, so ein späterer Name, wurde mit dem Beitritt der DDR zur BRD aufgelöst. Einen Monat später bittet der Verlag „Fräulein von Busch“ mitzuteilen, ob als Übersetzer von Cholopows Das grausame Jahr „der Name Ihres Vaters und Ihr eigener im Impressum erscheinen sollen“;54Schreiben vom 2. August 1956. Den Vertrag haben Verlag und Übersetzer am 2. November 1955, somit fünf Wochen vor Manfred von Buschs Tod, unterzeichnet (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Margit von Busch spricht stets von beiden Schwestern, Ingrid und Erika, wenn es um die Fertigstellung der Übersetzungen geht. Ihrer Erinnerung nach haben die beiden auch bereits an den Chinesischen Volksmärchen (Arbeitstitel: Der gelbe Storch) mitgearbeitet. sie muss dies abgelehnt haben: Bei beiden Titeln taucht nur Manfred von Buschs Name auf.

Die meisten Auftraggeber Manfred von Buschs waren von der ersten Stunde an Verlage der Partei, des Staats oder anderer gesellschaftlicher Organisationen, auch wenn sie dem Rechtsstatus nach eine G.m.b.H. waren. So etwa der Thüringer Volksverlag, Weimar (später Volksverlag Weimar), eine KPD-Gründung vom 13. Juli 1945, also keine zwei Wochen nach dem Besatzungswechsel in Thüringen. Ab 1948 gehörte der Verlag zu einer Art SED-Holding, was ihm die Zuteilung großer Mengen Papiers sicherte – im Gegensatz zu jenen Verlagen wie etwa Alfred Holz, die gezielt über knappe Papierzuweisungen beschnitten und gegängelt wurden. Verlegt wurden, neben einer Tageszeitung, Musikalia (von Partituren christlicher Kantaten bis zu Textbüchern, etwa 1952 Stalin unser Lied. Lieder aus der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik), Regionalia, politische Texte (u.a. KZ-Berichte und -Dokumente, mit Schwerpunkt Buchenwald) und eben Belletristik, hier viel Klassik (Diderot, Goethe, Herder, Belinski, Gogol, Mickiewicz), ein wenig Gegenwartsliteratur, darunter jene vier von Manfred von Busch ins Deutsche gebrachten Autoren.

Natan Rybaks historischen Roman Die große Entscheidung über den Chmelnyzki-Aufstand und den sich anschließenden Russisch-Polnischen Krieg Mitte des 17. Jahrhunderts charakterisiert ein russischer LovelyBooks-Blogger (altair_k 2015) sehr treffend in Anlehnung an die Architektur jener Zeit als „stalinistisches Empire“: Wie in vergleichbaren Werken gebe es alles, was zu derlei Epen gehöre: Schlachten und diplomatische Gespräche, politische Intrigen und Geheimoperationen, Liebesgeschichten und Schilderungen vom Leben der einfachen Bauern, der Kosaken, der Adligen, des katholischen wie des rechtgläubigen Klerus:

Jeder kreuzt jeden, taucht überall auf: in Tschigirin (der Residenz Chmelnickis), in Kiew, Warschau, Moskau, Bachtschissarai, Stambul, Stockholm, Paris, Wien. Man muss es dem Autor lassen – er hat die historische Situation gründlichst studiert. (Ebd., übers. E. P.)

Alexej Nowikow-Priboi: Tsushima, 1954.
BeschreibungNowikow-Priboi, A[lexej] (1954): Tsushima. Der deutschen Fassung (ungekürzte Ausgabe) liegt eine Übersetzung von Manfred von Busch zugrunde. Weimar: Thüringer Volksverlag (1.–8. Tsd.), 816 S.
Datum16. November 2022
Nowikow-Priboi, A[lexej] (1954): Tsushima. Der deutschen Fassung (ungekürzte Ausgabe) liegt eine Übersetzung von Manfred von Busch zugrunde. Weimar: Thüringer Volksverlag (1.–8. Tsd.), 816 S.

Eine Beschreibung, die auch für andere der von Manfred von Busch zwischen 1948 und 1955 übersetzten Wälzer taugt, mögen auch die einen mit mehr Sinn für Lyrisches geschrieben sein und bei anderen die Forderungen des sozialistischen Realismus mit größerem Geschick erfüllt und doch umgangen worden sein. Sie handeln von mehr oder weniger lang zurückliegenden Kriegen: neben dem genannten Russisch-Polnischen vom Russisch-Japanischen von 1904–1905 (Nowikow-Pribojs Tsushima) und natürlich vom „Großen Vaterländischen Krieg“ (Ehrenburgs Sturm, Gontschars Die Bannerträger, Saizews Chantschula), oder drehen sich um die Arbeiterbewegung, den Bürgerkrieg, den Aufbau des Sozialismus (Ostrowers Sturmvögel, Ignatows Partisanen, Cholopows Das grausame Jahr – ein Roman über den 1948 einem Attentat zum Opfer gefallenen Stalinvertrauten Sergej Kirow, und Tscheischwilis55Tscheischwili (1903–1962), Hochschuldozent, Journalist, Schriftsteller, war seit 1936 NKWD-Agent und nutzte 1958 eine Dienstreise in die DDR zur Flucht nach Westberlin. Für seinen Roman Sonne über Grusien erhielt er 1951 den Stalin-Preis 2. Klasse, wie vor ihm Gontschar für seine Bannerträger (1948 und 1949) und Ehrenburg den der 1. Klasse für seinen Sturm (1947). Sonne über Grusien – über die Einführung der Kolchoswirtschaft in Georgien). In die Kategorie Aufbauroman gehört letztendlich auch, was sich zugleich in die Sparte „Abenteuerroman“ einordnen ließe, die Übergänge sind fließend: Wodopjanows56Michail Wodopjanow (1899–1980) war Pilot, einer der Pioniere der sowjetischen Luftfahrt, auch einer jener Flieger, die 1934 die Schiffbrüchigen der Tscheljuskin von einer Eisscholle retteten, wofür er als Erster die aus diesem Anlass gestiftete Auszeichnung „Held der Sowjetunion“ erhielt. Im Mai 1937 setzte er mit anderen die Expeditionsgruppe um Iwan Papanin auf einer Eisscholle ab, auf der die Forscher bis Februar 1938 durchs Nordpolarmeer drifteten. Im Zweiten Weltkrieg flog er als Kommandant in einem Bombergeschwader (Ausführlich zu ihm: Schlögel 2016: 401–405). Der Pol (ein Jugendbuch über eine Polexpedition 1937), Luknitzkijs Nisso (ein Buch für Jugendliche wie Erwachsene über ein Mädchen, das gegen Opium verkauft wird, doch zuletzt in ein sowjetisches Dorf entkommen kann), Daletzkis Konzession auf Kamtschatka (über den „Befreiungskampf der chinesischen und japanischen Arbeiterklasse“ und die „gegen die Sowjetunion gerichteten Angriffspläne der japanischen und amerikanischen Imperialisten“, so der russische Klappentext). Ebenso fließend dann auch die Übergänge zur Gattung Reisebericht (Gitowitschs und Bursows 2 x Korea oder Promptows Durch das armenische Hochland).

Pawel Daletzki: Konzession auf Kamtschatka, 1953.
Beschreibung

Daletzki, P[awel Leonidowitsch] (1953): Konzession auf Kamtschatka. Ins Deutsche übertragen von Manfred von Busch. Berlin: Verlag Neues Leben (1.–10. Tsd.), 462 S.

1949 erschien in der UdSSR eine überarbeitete Ausgabe des Jugendbuchs von 1932 (erneut 1950). Die Übersetzung basiert vermutlich auf dieser überarbeiteten Fassung.

Datum16. November 2022

Daletzki, P[awel Leonidowitsch] (1953): Konzession auf Kamtschatka. Ins Deutsche übertragen von Manfred von Busch. Berlin: Verlag Neues Leben (1.–10. Tsd.), 462 S.

1949 erschien in der UdSSR eine überarbeitete Ausgabe des Jugendbuchs von 1932 (erneut 1950). Die Übersetzung basiert vermutlich auf dieser überarbeiteten Fassung.

Alexander Gitowitsch / Boris Bursow: 2 x Korea, 1948.
Beschreibung

Gitowitsch, A[lexander Iljitsch], Bursow, B[oris Iwanowitsch] (1948): 2 x Korea. Aus dem Russischen von Manfred von Busch. Umschlagentwurf Wittkugel [Klaus]. Berlin: Volk und Welt, 167 S.

Umschlag, Schmutztitel und Titelblatt des in der Staatsbibliothek zu Berlin liegenden Rezensionsexemplars nennen als Autoren: Towitsch und Burow. Eine maschinenschriftliche Verlagsmitteilung in Form eines eingelegten Zettels erläutert: „Die Namen der beiden Autoren sind in einigen Exemplaren leider falsch gedruckt. Es muß richtig heißen: A. Gitowitsch und B. Bursow.“

Datum16. November 2022

Gitowitsch, A[lexander Iljitsch], Bursow, B[oris Iwanowitsch] (1948): 2 x Korea. Aus dem Russischen von Manfred von Busch. Umschlagentwurf Wittkugel [Klaus]. Berlin: Volk und Welt, 167 S.

Umschlag, Schmutztitel und Titelblatt des in der Staatsbibliothek zu Berlin liegenden Rezensionsexemplars nennen als Autoren: Towitsch und Burow. Eine maschinenschriftliche Verlagsmitteilung in Form eines eingelegten Zettels erläutert: „Die Namen der beiden Autoren sind in einigen Exemplaren leider falsch gedruckt. Es muß richtig heißen: A. Gitowitsch und B. Bursow.“

Günter Ebert, Kinderbuchautor, schrieb in seinen Ansichten zur Entwicklung der epischen Kinder- und Jugendliteratur in der DDR von 1945 bis 1975 (erschienen 1976) einem der Best- und Dauerseller auf diesem Gebiet drei Ingredienzen zu, die für Kinder von gleichbleibender Aktualität seien: „Gefahr, Geheimnis und Gerechtigkeit“ (zitiert nach Pieper 2006: 1046). Ingredienzen, die sich inhaltlich wie ästhetisch unterschiedlich konkretisieren lassen, die stramm auf der Linie der sowjetischen Ideologie und des sozialistischen Realismus liegen können, doch zeichnen sie ja gern auch Märchen oder Gleichnisse aus, in denen es scheinbar ideologiejenseitig um Fragen von Gut und Böse geht. Besonders tauglich sind dafür seit je Tiergeschichten und Naturerzählungen – nicht nur, wenn Kinder und Jugendliche erreicht werden sollen. Und so verwundert es nicht, wenn unter den von Manfred von Busch übersetzten Titeln es gerade Prischwins Texte aus Die Flöte Pans sind, die immer wieder abgedruckt wurden – ob die so amüsanten wie plastischen Kindergeschichten von Igeln, Hasen und Hunden oder auch Shen-Schen. Die Wurzel des Lebens. Diese Langerzählung (Povest’) für Erwachsene spielt in der Zeit nach dem Russisch-Japanischen Krieg im Fernen Osten in einer nahezu archaischen, jedenfalls zutiefst naturverbundenen Welt. Ihr begegnet ein russischer Soldat, als er zufällig auf einen Sammler der Ginsengwurzel stößt, er taucht in diese Welt ein, bis sie ihm zur neuen Heimat wird.

Dem 1873 geborenen Autor, der in der UdSSR als „Sänger der Natur“ gefeiert wurde, der jedoch zugleich jahrzehntelang im Verborgenen ein Tagebuch führte, das erst mit der Perestrojka veröffentlicht werden konnte, kam, ähnlich wie den russischen Klassikern und einigen wenigen anderen Sowjetschriftstellern, aus Sicht der sowjetischen Besatzungsmacht eine Art Vermittlerfunktion zu: Texte ohne oder nur mit geringem Bezug zur zeitgenössischen Politik und Ideologie sollten in den Anfangsjahren das zurückhaltende deutschsprachige Lesepublikum für Russisches und Sowjetisches schrittweise aufschließen (vgl. Hübner 2012: 204ff.). Prischwin, insbesondere seine Povest’ Shen-Schen war dafür anscheinend so sehr geeignet, dass er bereits 1947 auch im besetzten Österreich herauskam – so wie er interesssanterweise auch zu einem der wenigen sowjetischen Autoren gehörte, von denen noch nach 1933 ein Titel hatte erscheinen können.57Michael [sic!] Prischwin, Dschen-Schen und Jagdgeschichten. Mit einem Vorwort von Maxim Gorki. Aus dem Russischen übertragen von Irene Barth. Wien: Scholle Verlag 1947; Michael [!] Prischwin, Ginseng. Die Wurzel des Lebens. Aus dem Russischen übertragen von Käthe Rosenberg. Berlin: S. Fischer Verlag 1935. Im Übrigen kam im Westen die Übersetzung Manfred von Buschs 1981 als Lizenzausgabe im Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M., heraus – ungeachtet einer bereits 1960 in der Nymphenburger Verlagshandlung GmbH, München, erschienenen Neuübersetzung von Ilse Mirus.

Leben in prekärer Lage bis zum Schluss

Wie schon in den 1920er Jahren arbeitet von Busch also erneut für eine Reihe von Verlagen mit unsicherem Status. Wenn es seinerzeit die deutsche Wirtschaftskrise war, die zahlreiche Verlage hinwegfegte, so jetzt der Kontroll- und Herrschaftsanspruch der sich rasch etablierenden aus Moskau-ergebenen Parteikadern bestehenden Staatsmacht. Er übersetzt, was ihm angeboten wird, Politware, Kinder- und Jugendliteratur, Märchen, die Auflagen gehen zuletzt – da ist der Übersetzer schon lange nicht mehr auf dieser Welt – in die Tausende, ja Zehntausende, bei einigen der Kinderbücher und Märchen auch in die Hunderttausende (Prischwins Tiergeschichten erreichen zuletzt 245.000, die Wunderblume, eine Sammlung von Märchen verschiedener Völker der Sowjetunion, 100.000 Exemplare). Der Bedarf nach neuer Literatur ist groß im ersten Nachkriegsjahrzehnt, in Ost wie West, und die Besatzer überwachen, was erscheint – in der SBZ und der DDR bald auch die Partei: zunächst (bis 1949) in Gestalt des Kulturellen Beirats für das Verlagswesen, einer Unterabteilung der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung, und schließlich nach Umstrukturierungen (in den Jahren 1951 und 1956) ab 1958 und bis zum Ende der DDR die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur (Links 2009: 20f.).

Fasst man Manfred von Buschs übersetzerische Existenz in wenigen Worten zusammen, so lässt sich sagen: Als junger Mann nach dem politischen Umsturz in seiner Heimat ins Exil gegangen, bot seine Zweisprachigkeit sich ihm gleichsam als natürliches Überlebenswerkzeug an, ein Werkzeug allerdings, dessen Anwendung – ob im Bereich des Journalismus oder der Übersetzung – hochgradig von metierfernen Faktoren abhängig war, wie die beiden von ihm im Ankunftsland binnen kurzem erlebten Regimewechsel zeigen. Und so hat er in flüchtigen Zeiten für vielfach kurzlebige Verlage Übersetzungen von zumeist ephemeren Werken angefertigt, unter Bedingungen, die den fluiden, disruptiven wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen geschuldet waren. Manches hat er wohl eher aus pekuniärer Not als aus Überzeugung ins Deutsche gebracht, zudem oftmals unter extremem Zeitdruck, stets bedroht in seiner gesellschaftlich-sozialen Stellung, obendrein schwerkrank. Einige wenige seiner Übersetzungen hatten – und haben – ein Fortleben über den Moment hinaus. Kurz: Ein Schicksal, das er sicherlich mit einer ganzen Anzahl von Russisch-Übersetzerinnen und -Übersetzern teilt, die entweder aus dem zaristischen Russland stammten und ins Exil Deutschland emigrierten oder aber – sei es, da verfolgt, sei es, da politisch enthusiasmiert – in die junge Sowjetunion gingen.

Anmerkungen

  • 1
    Die im Folgenden festgehaltenen biographischen Daten, Fakten und Geschichten stammen, sofern keine andere Quelle angegeben ist, von Erika Voigt und Margit von Busch, Töchter Manfred von Buschs. Die Gespräche mit Erika Voigt (1935–2022, Osteuropahistorikerin und u.a. am Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR tätig) fanden 2017 am 11. Januar, am 1. Februar und am 19. Juli statt. Margit von Busch (bis 30. November 2022 Klinger, geb. 1939, OP-Schwester und gesellschaftlich bis heute aktiv) war bei dem Gespräch im Februar 2017 zugegen; im September 2022 hat sie den Porträttext gegengelesen und in zwei Gesprächen (am 24. September und 20. Oktober) noch wertvolle Informationen nachgetragen. Auch im September 2022 ermöglichte mir Frau Voigts Sohn Holger Stoecker noch einmal eine detaillierte Durchsicht des von ihr zusammengestellten umfangreichen Dokumentenordners. Ein Teil dieser Dokumente besteht in Kopien aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv, auf denen kein Aktenzeichen angegeben ist, deshalb im Folg. bezeichnet als „Kopie BLHA“. Angaben zu anderen Dokumenten aus diesem Ordner tragen die Bezeichung „Privatarchiv Voigt/Stoecker“.
  • 2
    Tabellarischer Lebenslauf, erstellt von Erika Voigt, sowie Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Akte Rep. 2 A I St Nr. 4654, Bl. 5, vom 31. Jan. 1929. Blatt 5 ist ein Teil der Dokumente im Zusammenhang mit von Buschs Einbürgerungsantrag (siehe unten) und eine Art Fragebogen zu seinem Lebenslauf. Das Formular ist mit „Bericht“ überschrieben und wurde am 31. Januar 1929 beim „127. Polizeirevier (Polizeiamt Chlbg.) verhandelt“.
  • 3
    Bundesarchiv (BArchiv), Bestand R 9361 V (Personenbezogene Unterlagen der Reichskulturkammer [RKK]), Akte 15662, getippter Lebenslauf mit Stempel der Reichsschrifttumskammer [RSK] vom 5.4.1940).
  • 4
    Ebd. Sowie für Manfred und Arvid von Busch: Lettisches Nationalarchiv, Staatliches Historisches Archiv von Lettland, Riga, Bestand 5434, Verz. 1, Akte 983, Bl. 2 (undatierte „Namentliche Liste der beim Bataillon vorhandenen Offz.“), Bl. 67 (undatiertes „Verzeichnis der zur Front abkommandierten Mannschaften d. II Compagnie“). Die Truppe war dem deutschen Oberkommando unterstellt und bestand überwiegend aus baltendeutschen und russischen Soldaten. Mit dem lettisch-russischen Friedensvertrag vom Oktober 1920 ging sie im lettischen Heer auf.
  • 5
    BLHA, Bl. 5, vom 31. Jan. 1929. Auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt wurden Weiße Truppen stationiert, die bis November 1919 im Baltikum gegen die Bolschewiki gekämpft hatten (Kollegg 2005: 101). Die offiziellen Bescheinigungen – eine russisch- und eine deutschsprachige – besagen, dass „Oberleutnant“ (russ.: porutschik) Manfred von Busch „krankheitshalber“ aus den Russischen Truppen in Deutschland zum 1. Februar 1920 entlassen und bis zum 10. November 1919 „gelöhnt“ worden sei (Kopie BLHA).
  • 6
    Kopie BLHA. In den drei Lebensläufen, die von Busch im Zusammenhang der Beantragung zur Aufnahme in den Deutschen Schriftsteller-Verband (DSV) verfasst hat (vermutlich alle 1953), erwähnt er seine Tätigkeit für die Japanische Botschaft nicht (Akademie der Künste [AdK], Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840).
  • 7
    BArchiv, Bestand R 9361 V, Akte 15662, Fragebogen der RSK vom 3.3.1940.
  • 8
    Bruder von August Creutzburg (1892–1941), einem KPD-Funktionär, der 1935 in die Sowjetunion ging, 1938 als angeblich deutscher Spion verhaftet und 1941 in einem Lager bei Orjol hingerichtet wurde (Martin Creutzburg 2004: 78); mehr war zu Paul Creutzburg nicht zu ermitteln.
  • 9
    AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840. Noch kryptischer ist in diesem undatierten Formular die Angabe zu einem anderen Titel: Von Chingis Khan, bei dem er weder den Umfang noch das Erscheinungsjahr angibt. Im Übrigen gibt er bei keinem der von ihm aufgelisteten Bücher den Verlag an, der indes abgefragt wird – während interessanterweise das Formular keine Spalte für einen Autorennamen vorsieht.
  • 10
    Pjotr Nikolajewitsch Krasnow (1869–1947) führte im Ersten Weltkrieg Kosakendivisionen an, kämpfte im Bürgerkrieg gegen die Bolschewiki und kollaborierte im Zweiten Weltkrieg mit der Wehrmacht. Im Mai 1945 von der Roten Armee in Tirol verhaftet und nach Moskau verbracht, wird er 1947 durch ein Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Sein mitunter als „Erinnerungen“ eingestufter, russisch bei D’jakova, deutsch zunächst im Vier-Falken-Verlag erschienener, mehr als 1000-seitiger Roman erlebte in den 1920er und 1930er Jahren schwindelerregende Auflagen (ab 1932 in einer „völlig neubearbeiteten“ einbändigen „Volksausgabe“) und kam auf Deutsch letztmalig 1953 heraus im für zwei Jahre mit insgesamt drei Titeln wiederauferstandenen Verlag für Kulturpolitik, Darmstadt.
  • 11
    Korostowetz (auch: von Korostowetz bzw. Vladimir [de] Korostovets), von 1912 bis 1917 Mitarbeiter im russländischen Außenministerium, dann Journalist, der vor allem für britische Medien schrieb, lebte von 1923 bis ca. 1930/31 in Berlin, wo er, wie auch später in London, u.a. eine aktive Rolle in der ukrainischen Diaspora spielte. Von zwei weiteren ins Deutsche gebrachten Titeln des Autors wird gesagt, es handele sich um Übersetzungen aus dem Englischen, was vermutlich auch für sein Re-Birth of Poland (1928), London, gilt: Die deutsche Ausgabe verschweigt zwar die Ausgangssprache, doch heißt es von der französischen, dass sie aus dem Englischen übersetzt sei (Polnische Auferstehung. Berlin: Verlag für Kulturpolitik, übers. von Rudolf Paul, datiert auf 1929, doch bereits 1928 herausgekommen; Quo vadis Polonia? Choses vues en Europe orientale, Paris 1929). Da sich wieder kein russischsprachiges Original finden lässt noch zu Rudolf Paul irgendeine Spur, kann hier natürlich eine Übersetzung aus dem Russischen nicht gänzlich ausgeschlossen werden – und somit auch für Lenin im Hause der Väter nicht absolut, dass ein anderer Übersetzer als Manfred von Busch der Urheber des deutschen Textes ist, doch scheint beides eher unwahrscheinlich.
  • 12
    Sein 1908 gegründeter Verlag Moskovskoe izdatel’stvo war 1921 liquidiert worden, Blumenberg, nun Geschäftsführer der Glagol Verlagsgesellschaft m.b.H., Berlin, bringt in der deutschen Hauptstadt zunächst russischsprachige Titel heraus (1921 noch unter beiden Verlags- und Ortsnamen); 1925 wird aus Glagol der rein Berliner Taurus Verlag (Schlögel et al. 1995: 520).
  • 13
    Vladimir Korostovetz, Seed and Harvest, Translated from the German by Dorothy Lumby, London: Faber and Faber Limited, 1931. Nicht im Buch, doch in verschiedenen Katalogen heißt es präzisierend: „Abridged translation of ‚Neue Väter – neue Söhne’ and ‚Lenin im Hause der Väter’“.
  • 14
    Aus verschiedenen Aktenmaterialien geht hervor, dass Manfred von Busch von ca. 1921 bis 1930 mit Clara Woronowicz (geb. 1882) verheiratet war, die aus Hungerburg bei Narwa (heute Narva-Jõesuu, Estland) stammte.
  • 15
    Zu Olga von Busch (1907–2008) siehe: Kretzschmar 2016: 140-143. Nach dem Tod ihres Mannes arbeitete sie halbtags als Sekretärin und war eine der großen Aktivistinnen im Kleinmachnower Kulturbund.
  • 16
    In einem Personalfragebogen der Provinzialverwaltung Brandenburg, ausgefüllt am 16. August 1945 (BLHA, Akte Rep. 203 MdI, PA 544, Bl. 2), gibt Manfred von Busch als Beschäftigungszeitraum „7.37 bis 4.45“ an, als Grund der Entlassung „Feindeinwirkung“, in einem der Lebensläufe im Zusammenhang des Aufnahmeantrags in den Deutschen Schriftsteller-Verband schreibt er „bis zum Zusammenbruch“ (Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840); in seinem Arbeitsbuch ist als Anstellungszeitraum 1937 bis 1944 vermerkt (Privatarchiv Voigt/Stocker). Der Ostasiendienst war eine der Einzelreihen der Korrespondenz Der Ost-Express, 1920 gegründet und formal existent bis 1949, doch, dem Katalog der Stanford Libraries nach, „vermutlich 1944 eingestellt“.
  • 17
    Lebenslauf für die RSK vom 5.4.1940 (BArchiv, Bestand R 9361 V, Akte 15662). Von Busch gibt überdies an, er habe nach 1933 an Der Deutsche Volkswirt und an Wissen und Wehr mitgearbeitet, die Frage nach der Anzahl der Beiträge und wann sie erschienen seien, beantwortet er für all diese Medien mit „unbekannt“ bzw. „unbestimmt“. In einem der zwei undatierten DSV-Aufnahmeformulare wird er für den Zeitraum vor 1945 von „gelegentlicher Mitarbeit an bürgerlichen Zeitungen“ schreiben, in dem einzigen datierten (auf den 19.11.1953) nennt er als Veröffentlichungen vor 1945 die Übersetzungen Wetterleuchten und Neue Väter – neue Söhne sowie seine eigene, 1942 bei Duncker & Humblot, Berlin, erschienene Schrift Der Silberkrieg in Ostasien. Über Finanzprobleme in China (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840).
  • 18
    Die von Manfred von Busch verfassten Zeitungs- und Zeitschriftenartikel habe ich nicht recherchiert. Die in der Bibliographie angeführten Zeitschriftenbeiträge aus den Jahren 1940 und 1941 sind Zufallsfunde im Katalog der Staatsbibliothek, Berlin, und im Bundesarchiv.
  • 19
    BLHA Akte Rep 2 A I, St. Nr 4654, Bl. 140, Schreiben der NSDAP vom 22. Dez. 1941. Im Personalfragebogen der Provinzialverwaltung Brandenburg vom 16.8.1945 verneint von Busch jedwede Mitgliedschaft „in Gliederungen oder angeschlossenen Verbänden der NSDAP“: BLHA, Akte Rep. 203 MdI, PA 544, Bl. 2.
  • 20
    Margit von Busch betont bei unserem Treffen am 24. September 2022, ihr Vater habe die Naziherrschaft eindeutig abgelehnt, er sei „das schwarze Schaf in der Familie“ gewesen, denn alle anderen hätten das Regime befürwortet; 1945 sei er aus Überzeugung in die KPD eingetreten. Tatsächlich verneint von Busch wie für sich so auch für seine Frau, seine Kinder, seinen Vater, seine Mutter im Personalfragebogen der Provinzialverwaltung Brandenburg vom 16. August 1945 (BLHA, Akte Rep. 203 MdI, PA 544, Bl. 2) alle Fragen nach Mitgliedschaften in der NSDAP, deren Gliederungen oder angeschlossenen Verbänden, für seine Geschwister jedoch bejaht er die NSDAP-Mitgliedschaft und setzt, was die anderen Organisationen betrifft, Fragezeichen.
  • 21
    BArchiv, Bestand R 9361 V, Akte 15662, Fragebogen der Reichsschrifttumskammer, vom 3.3.1940. Ob von Busch in die RSK aufgenommen wurde, war nicht zu klären.
  • 22
    Vgl. Kopie BLHA des (undatierten) „Einbürgerungsverzeichnisses“; siehe auch Kopie BLHA der Einbürgerungsurkunde vom 27. Januar 1942.
  • 23
    Olga von Busch und ihre Töchter blieben, so Margit von Busch, bis 1956 staatenlos.
  • 24
    Kopie der Abschrift des Briefs, den Arvid von Busch am 7.12.1943 an seinen Bruder Manfred schrieb sowie des Briefs, in dem der evangelische Standortpfarrer Petersen diesem am 19. Dezember 1943 die Vollstreckung des Urteils mitteilt. (Privatarchiv Voigt/Stoecker).
  • 25
    Von Busch selbst erwähnt in einem der undatierten Lebensläufe im Kontext der Anträge zur Aufnahme in den Schriftstellerverband, er habe sich im Januar 1917 eine Beinverletzung zugezogen und „völlig unbewußt die Revolution im Lazarett“ erlebt (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840) Vgl. dazu die o.g. Bescheinigung des Oberkommandos der russischen Truppen in Deutschland, wonach er „krankheitshalber“ aus dem Dienst entlassen sei.
  • 26
    Irgendwann in dieser Zeit verbrachte die Familie auch einige Monate in Nordhausen, „weil es in Berlin mit den Kindern nicht mehr ging“, so Erika Voigt. (Margit von Busch kennt diese Vorgänge nur aus Erzählungen, meint aber, ihre Eltern seien schon in der Kleinmachnower Zeit „untergetaucht“, nach Ottersleben, weil sie den Eindruck gehabt hätten, ihr Haus werde beobachtet.)
  • 27
    Die früheste Anstellungsurkunde in den Archivakten ist auf den 1. Sept. 1945 datiert: BLHA, Rep. 203 MdI PA 544, Bl. 8; des weiteren Bl. 9, 10 und 5.
  • 28
    BLHA, Akte Rep. 203 MdI PA 544, Bl. 18. Seinen eigenen Angaben im DSV-Fragebogen vom 19.11.1953 (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840) zufolge war von Busch seit Juni 1945 Mitglied der KPD, nach deren Zusammenschluss mit der SPD dann SED-Mitglied in Kleinmachnow – „bis Juli 1953“. Das deckt sich fast, aber nicht ganz mit seiner KPD- und der SED-Mitgliedskarte (in ersterer sind Märkchen ab Oktober 1945 eingeklebt, auf letzterer steht unter „Mitglied seit“ als Datum der 22.10.1945). Zudem verzeichnet eine Teilnehmerkarte „Parteilehrjahr der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands 1952/3“ Teilnahmen vom „20.X.“ bis „13.7.53“. Von Busch war außerdem Mitglied des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands (dem Mitgliedsbuch zufolge von Mai 1948 bis Juni 1953) und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, Berlin (dies seit 1948). In beiden Verbänden übernahm er zeitweise auch aktive Funktionen (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Für seine Mitgliedschaft im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, Potsdam, gibt er im DSV-Fragebogen vom 19.11.1953 „seit Gründung“ an.
  • 29
    Schreiben der Abt. Allg. Verwaltung. Informationsamt vom 16. Mai 1947, Kopie BLHA.
  • 30
    Von Februar bis Oktober 1949 wird von Busch noch ein letztes Mal kurzzeitig als Dolmetscher arbeiten, für die Landeskreditbank, Potsdam; von Juni 1955 bis zu seinem Tod im Dezember desselben Jahres ist er zudem als Redakteur für den VEB Globus Übersetzungs- und Zeitungsausschnittsdienst tätig, der vielen DDR-Literaturübersetzern ein Zubrot sicherte (s. Manfred von Buschs Arbeitsbuch, Privatarchiv Voigt/Stoecker).
  • 31
    Brief im Privatarchiv Voigt/Stoecker. In der ebenfalls dort befindlichen Mitglieds-Karte des Kulturbundes sind für den Zeitraum April 1950 (dem Gründungsmonat des DSV) bis Dezember 1952 „DSV-Verbandsbeitrag“-Märkchen eingeklebt; darüber hinaus gibt es ein Heftchen des DSV, ohne Namen oder Mitgliedsnummer, mit Marken für 1953.
  • 32
    Margit von Busch bestätigt dies: Ihre Mutter habe wiederholt von einer Haussuchung noch in Berlin, in der Kalischer Str., erzählt.
  • 33
    Schreiben an die Präsidial-Kanzlei [d.i. die Kanzlei von Wilhelm Pieck, von 1949 bis 1960 erster und einziger Präsident der DDR], zu Hd. Kolln. Skrabs, vom 11. August 1954, gezeichnet: Krüger, Abt. Rechts- und Berufsfragen des DSV. (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840) Im Privatarchiv Voigt/Stoecker liegt eine DSV-Quittung, Bezirk Potsdam, vom 1. Februar 1954, in dem „dem Kollegen Manfred von Busch“ bestätigt wird, man habe von ihm eine Mappe mit 79 (!) Urkunden erhalten. Desgleichen findet sich dort ein Schreiben des Übersetzers an „Eduard Claudius, DSV Potsdam, Potsdam, Finkenweg 13“ (das war laut „www.zeitstimmen.de“ die Privatadresse von Claudius), vom 11. März 1954: Endlich könne er diesem „die gewünschten Belege in Abschrift überreichen. Es sind 46 Schriftstücke geworden. Auch die Broschüre ‚Der Silberkrieg’ lege ich bei.“ Selbstverständlich stehe er weiterhin zu jeder Auskunft bereit. Unter diesem Brief steht – mit Unterschrift „Eduard Claudius“: „Mappe mit 46 Schriftstücken und Broschüre ‚Der Silberkrieg’ erhalten.“ Krüger dürfte sich hier also auf jene von Erika Voigt im Zusammenhang mit Leonow erwähnten „78 [anscheinend wohl: 79] + 46 Dokumente“ beziehen, die an den DSV gingen, wenn auch nur auf einen begrenzten Teil davon.
  • 34
    Gemeint ist gewiss der „Förderungsausschuss für die deutsche Intelligenz“. Ob auf brandenburgischer Landes- oder auf Staatsebene der DDR muss offen bleiben. Aufgabe des Förderungsausschusses war die Verbesserung der ökonomischen Lage der wissenschaftlichen und kulturellen Elite. Das reichte von Lebensmittelkarten bis zur Bewilligung von Pensionen und Krediten beim Bau von Eigenheimen (Asmus/Asmus 2021: 23–25).
  • 35
    Schreiben des Sekretariats des DSV in Berlin an den Koll. Baum vom 20.8.1954, gezeichnet Kohn (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840).
  • 36
    Da es hier um den Übersetzer Manfred von Busch geht, muss eine Bewertung des Journalisten außen vor bleiben. Gleichwohl sei gesagt, dass ich fünf der sechs in der Bibliographie genannten Aufsätze gelesen habe. Der Verfasser bedient sich eines neutral-wissenschaftlichen Tons und einer auf den ersten Blick rein sachlichen, also wirtschaftsbezogenen Perspektive. In der Regel skizziert er zunächst die politischen und ökonomischen Entwicklungen unter historischen Aspekten, geht sodann auf die aktuellen innen- und außenpolitischen Hintergründe ein, listet die wirtschaftlichen Leistungen und Schwächen des jeweiligen Landes auf, und wagt schließlich an irgendeiner Stelle eine kurze Einschätzung – die dann doch nicht ohne ideologische Einfärbung auskommt. So schreibt er etwa in Japans Stellung in Ostasien nach dem Dreimächtepakt: „Um die Gerechtigkeit in Ostasien geht es Japan bei seinen Bemühungen der Neuordnung, die dem Grundsatz des merkantilen Verdienens gegenübergestellt wird, der bisher das Gleichgewicht Ostasiens störte.“ (S. 38) Und in Ostasien auf dem Wege zur neuen Ordnung zu den Bewegungen in Thailand, die auf eine Befreiung von der Kolonialmacht Frankreich abzielten und seiner Auffassung nach die ökonomische Vormachtstellung Großbritanniens im ostasiatischen Raum infrage stellten: „Es ist eine Wandlung, in der die alte Ordnung abtritt und einer neuen Platz macht“ (S. 138), was „nichts Besorgniserregendes für den Europäer und erst recht nicht für uns Deutsche“ sei. Es biete „vielmehr uns neue Möglichkeiten für die Teilnahme am Aufbau. Die deutsche Industrie hat sich schon in der Zeit nach dem Versailler Diktat – im Gegensatz zum angelsächsischen Krämergeist, der auf leichten Gewinn aus vergänglichem Handelsgeschäft ausging – trotz größter Schwierigkeiten aufbauend, bleibende Werte schaffend, in Ostasien in einem Sinne betätigt, der durchaus in der Richtung der neuen Ordnung liegt“ (S. 140).
  • 37
    Dieses wie die Schreiben an die vorgenannten Verlage und Anstalten im Privatarchiv Voigt/Stoecker.
  • 38
    In welcher Funktion genau Eduard Claudius (1911–1976) die Unterlagen erhielt, konnte nicht geklärt werden: In verschiedenen Quellen wird auf eine Tätigkeit als Kulturbundfunktionär verwiesen, dies jedoch zumeist ohne Datierung. Die Unterlagen des Schriftstellerverbands geben „1945/47“ an, „später als freiberuflicher Schriftsteller tätig“ (Mail von Maren Horn vom 18.10.2022, Literaturarchiv der Akademie der Künste Berlin). Zu seiner Funktion im Schriftstellerverband heißt es mal, er sei von 1955 bis 1956 Erster Sekretär des DSV gewesen, dann wieder von 1956 bis 1957. Richtig dürfte wohl 1955/56 sein, denn Claudius war maßgeblich an der Vorbereitung des für 1954 geplanten, doch (durch den Aufstand des 17. Juni 1953 und Stalins Tod 1954) erst 1956 stattfindenden IV. Schriftstellerkongresses beteiligt, auf dem er auch den Rechenschaftsbericht hielt (s. u.a. Gansel 1996: 181, 185). Im Übrigen trat Claudius 1956 den Posten eines Generalkonsuls der DDR in Syrien an. Dass von Busch ihm im März 1954 Dokumente zukommen lässt, erlaubt vielleicht die Annahme, dass Claudius einer Prüfungskommission angehörte, die im Bezirk Potsdam die bisherzigen DSV-Mitglieder durchmusterte.
  • 39
    Irene Gysi (1912–2007), in St. Petersburg geboren, Westemigrantin, war von 1946 bis 1949 Referentin und Leiterin der Hauptabteilung Literatur, die der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) unterstand, jener von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) eingesetzten deutschen Verwaltungsinstanz, die bis zur Staatsgründung der DDR in der sowjetisch besetzten Zone regierungsähnliche Aufgaben innehatte. Nach Gründung der DDR wird sie einige Jahre als Verlagsleiterin von Kultur und Forschritt sowie Rütten & Loening arbeiten und später über lange Jahre in der Kulturpolitik tätig sein (Müller-Enbergs 2000: 297).
  • 40
    Klaus Gysi (1912–1999), späterer Kulturminister der DDR, war seit 1945 im Kulturbund tätig, auch dieser eine Gründung der SMAD, und Chefredakteur der vom Kulturbund herausgegebenen Zeitschrift Aufbau (Müller-Enbergs 2000: 297).
  • 41
    Durchschlag des Briefes vom 7. Februar 1991 im Privatarchiv Voigt/Stoecker. Maria Riwkin (1913–1995), deren Leben eine Kette aus Flucht und Verfolgung ist, kehrte 1956 aus der UdSSR nach Deutschland zurück, in die DDR, wo sie als Übersetzerin, Gutachterin und Verlagsredakteurin arbeitete. Mehr zu ihr siehe Kossuth 2003: 49f.
  • 42
    Die Auswahl umfasst Prosaminiaturen sowie kurze und lange Erzählungen (rasskazy, povesti) für Kinder und Erwachsene.
  • 43
    Das ist die 5. Tagung des Zentralkomitees der SED vom 15. bis 17. März 1951, auf der – in Übernahme der kulturpolitischen Vorgänge in der Sowjetunion – die Entschließung „Der Kampf gegen den Formalismus in der Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche deutsche Kultur“ angenommen wurde. Sie gehört zu einer der Kampagnen, „durch die die Intellektuellen diszipliniert und auf das ‚wahre Schreiben’ eingeschworen werden sollten“ (Hartmann 2006: 559).
  • 44
    Abdruck der „Thesen“ in der Prawda vom 12. Januar 1954; auf Deutsch und Russisch nachzulesen in: Ganzer 2005: 184–201.
  • 45
    Abgedruckt in Lauter 1951: 7–41. Hans Lauter (1914–2012) war seit 1950 als Mitglied des ZK der SED für Kultur zuständig (bis 1953). Schregel zufolge kompilierte auch Lauter, er habe sich beispielsweise „wortgenau“ auf den Girnus-Artikel (vom 13./18. Februar) im Neuen Deutschland bezogen, „sein Referat drückt die Parteilinien, nicht seine Ansichten aus“ (Schregel 1991: 89f.).
  • 46
    Vertrag vom 2. März 1949. Im Vertrag zu Skrebizkijs Erlebnissen auf der Jagd vom November 1954 heißt es dann, ein Vorschuss von DM 500 habe von Busch bereits erhalten, weitere DM 500 würden bei Erteilung der Druckgenehmigung fällig; auch erhält er 75% am Erlös aus den Werknutzungsrechten (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Dem Übersetzer wird somit ein Teil des kulturpolitisch bedingten verlegerischen ökonomischen Risikos zugemutet, ihm wird jedoch im Gegenzug eine Beteiligung an Weiterverwertungen eingeräumt, die merklich über das bei anderen Verlagen Übliche hinausgeht.
  • 47
    Siehe z.B. Schreiben vom 18.7.74 an Olga von Busch. Eine der vom Ellermann Verlag übernommenen Fabeln, „Der Wolf und der Hund“ wurde wiederum in einem westlichen Radio gelesen; auch darüber gibt es eine Abrechnung: über M 23,25, von denen 20% Einkommensteuer abgehen, M 4,65. Der Kinderbuchverlag Berlin an O. von Busch, Honorarabrechnung, 3.9.75. Einige der Abrechnungen des Kinderbuchverlags über Beteiligungen an Verkäufen aus Nachauflagen in der DDR während der 1960er Jahre erreichen Beträge zwischen 1000 und 2000 Mark netto (also nach Abzug der Einkommenssteuer in Höhe von 20%) (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Seit 2002 werden die Altrechte des Kinderbuchverlags von der Verlagsgruppe Beltz ausgewertet (Links 2009: 223), nun unter dem Programmnamen „Beltz|Der KinderbuchVerlag“.
  • 48
    Ähnliches scheint für die 2018 herausgebrachte E-Book-Ausgabe von Ostrowers Sturmvögel durch den Verlag Neuer Weg zu gelten. „Diese Version beruht“, dem Verlag zufolge, „auf unsere[r] Lizenz von 1974 mit dem Übersetzer Manfred von Busch“. Einmal abgesehen davon, dass der Übersetzer da schon 19 Jahre tot war und die Druckausgabe seinerzeit „mit Genehmigung des Verlags Märkische Volksstimme, Potsdam“ erschien (auch dies eine Mitteilung des Verlags Neuer Weg selbst, Mail an mich vom 15.06.2022), scheint mancher Verlag zu ignorieren – und leider auch mancher Urheber und erst recht seine Erben nicht zu wissen –, dass Nutzungsrechte für eine Nutzungsart, die zum Zeitpunkt der Rechteeinräumung noch nicht bekannt war, nicht stillschweigend im Voraus eingeräumt worden sein können. Siehe, last, but not least, den Reprint 2013 von Manfred von Buschs eigenem Werk Der Silberkrieg in Ostasien. Zu beiden Zeitpunkten war auch Olga von Busch bereits verstorben, für beide Titel ist im Familienarchiv kein Vertrag überkommen.
  • 49
    In einem der drei DSV-Fragebögen/Aufnahmeanträge führt von Busch diesen Titel in dem Formularpunkt „Zur Zeit in Arbeit“ an und nennt als Erscheinungsjahr 1953 (AdK, Berlin, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR, Nr. 1840).
  • 50
    Siehe beispielsweise im Vertragstext des Verlages Neues Leben oder des Thüringer Volksverlags (Privatarchiv Voigt/Stoecker).
  • 51
    Nebenbei sei angemerkt, dass Manfred von Buschs Arbeitsbuch für den Zeitraum April 1950 bis September 1951 eine Tätigkeit als fest angestellter Redakteur bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes verzeichnet (Privatarchiv Voigt/Stoecker).
  • 52
    Zwei bis drei Monate für die Übersetzung eines Buchs, das 500 Seiten und mehr umfasst – dieser äußerst knapp bemessene, Recherchieren und Feilen schwerlich ermöglichende Zeitraum ist in von Buschs Verträgen keine Seltenheit.
  • 53
    Im ersten Brief wird der „sehr geehrten Kollegin“ mitgeteilt, daß wir die ersten 1oo Seiten Ihrer Übersetzung bereits durchgesehen haben, im zweiten teilt man dem „Sehr geehrten Fräulein von Busch“ mit, „dass die Übersetzung ‚Partisanen’ so gut ausgefallen ist, dass wir das Seitenhonorar von 12,– DM auf 13,– DM erhöhen konnten“ (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Der VEB Deutscher Militärverlag, so ein späterer Name, wurde mit dem Beitritt der DDR zur BRD aufgelöst.
  • 54
    Schreiben vom 2. August 1956. Den Vertrag haben Verlag und Übersetzer am 2. November 1955, somit fünf Wochen vor Manfred von Buschs Tod, unterzeichnet (Privatarchiv Voigt/Stoecker). Margit von Busch spricht stets von beiden Schwestern, Ingrid und Erika, wenn es um die Fertigstellung der Übersetzungen geht. Ihrer Erinnerung nach haben die beiden auch bereits an den Chinesischen Volksmärchen (Arbeitstitel: Der gelbe Storch) mitgearbeitet.
  • 55
    Tscheischwili (1903–1962), Hochschuldozent, Journalist, Schriftsteller, war seit 1936 NKWD-Agent und nutzte 1958 eine Dienstreise in die DDR zur Flucht nach Westberlin. Für seinen Roman Sonne über Grusien erhielt er 1951 den Stalin-Preis 2. Klasse, wie vor ihm Gontschar für seine Bannerträger (1948 und 1949) und Ehrenburg den der 1. Klasse für seinen Sturm (1947).
  • 56
    Michail Wodopjanow (1899–1980) war Pilot, einer der Pioniere der sowjetischen Luftfahrt, auch einer jener Flieger, die 1934 die Schiffbrüchigen der Tscheljuskin von einer Eisscholle retteten, wofür er als Erster die aus diesem Anlass gestiftete Auszeichnung „Held der Sowjetunion“ erhielt. Im Mai 1937 setzte er mit anderen die Expeditionsgruppe um Iwan Papanin auf einer Eisscholle ab, auf der die Forscher bis Februar 1938 durchs Nordpolarmeer drifteten. Im Zweiten Weltkrieg flog er als Kommandant in einem Bombergeschwader (Ausführlich zu ihm: Schlögel 2016: 401–405).
  • 57
    Michael [sic!] Prischwin, Dschen-Schen und Jagdgeschichten. Mit einem Vorwort von Maxim Gorki. Aus dem Russischen übertragen von Irene Barth. Wien: Scholle Verlag 1947; Michael [!] Prischwin, Ginseng. Die Wurzel des Lebens. Aus dem Russischen übertragen von Käthe Rosenberg. Berlin: S. Fischer Verlag 1935. Im Übrigen kam im Westen die Übersetzung Manfred von Buschs 1981 als Lizenzausgabe im Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M., heraus – ungeachtet einer bereits 1960 in der Nymphenburger Verlagshandlung GmbH, München, erschienenen Neuübersetzung von Ilse Mirus.

Quellen

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Sonstige Quellen

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Archiv

Archiv der Akademie der Künste, Berlin (AdK)
Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA)
Bundesarchiv (BArchiv)
Lettisches Nationalarchiv, Staatliches Historisches Archiv von Lettland
Privatarchiv von Erika Voigt, seit 2022 von Holger Stoecker (Privatarchiv Voigt/Stoecker)

Zitierweise

Passet, Eveline: Manfred von Busch, 1897–1955. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 11. Januar 2023.
BeschreibungManfred von Busch, 1930 bei einem Radausflug an Pfingsten nach Himmelfort (© Privatarchiv Voigt/Stoecker).
Datum2. November 2022
Manfred von Busch, 1930 bei einem Radausflug an Pfingsten nach Himmelfort (© Privatarchiv Voigt/Stoecker).

Bibliographie (Auszug)

Übersetzungen (Buchform)

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Originalwerke

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