Marie Therese Wilhelmine Huber, 1764–1829
Obwohl Therese Huber (geborene Heyne, verwitwete Forster) zeit ihres Lebens keine einzige Übersetzung unter ihrem Namen veröffentlicht hat – sieht man von einer Romanbearbeitung ab, die als ihr Originalwerk publiziert wurde – ist sie dennoch eine nicht zu vernachlässigende Figur in der Geschichte der Übersetzung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert.
Marie Therese Wilhelmine Heyne wurde am 7. Mai 1764 als älteste Tochter des renommierten Altphilologen Christian Gottlob Heyne und seiner Frau Therese in Göttingen geboren. Obwohl sie in einem Professorenhaus aufwuchs, blieb ihr eine systematische Schulbildung – abgesehen von einem einjährigen Aufenthalt in einem französischen Pensionat in Hannover – verwehrt (vgl. Hahn / Fischer 1993: 7ff.). Viele für ihre späteren Tätigkeiten wichtigen Kenntnisse erwarb Therese Heyne auf autodidaktische Weise.
Schon früh machte sie die Bekanntschaft mit dem Gelehrten Georg Forster, mit dem sie sich 1784 verlobte und den sie 1785 heiratete. Sie folgte Forster 1784 nach Wilna, wo er eine Professur wahrnahm, und 1788 nach Mainz, wo er als Leiter der Universitätsbibliothek arbeitete. 1786 kam die gemeinsame Tochter Therese zur Welt, 1789 folgte die Tochter Claire. Zwei weitere Kinder unklarer Vaterschaft, die während der von mehreren Krisen überschatteten Ehe mit Georg Forster geboren wurden, starben früh.
1793 siedelte sie nach Neuchâtel über, wo sie ein Jahr später, nach dem Tod Georg Forsters, Ludwig Ferdinand Huber heiratete. Während der Ehe mit Huber brachte sie sechs Kinder zur Welt, von denen vier das Kleinkindalter nicht überlebten. In Neuchâtel wirkte sie an mehreren Übersetzungen ihres Ehemannes mit. 1798 ging sie zurück nach Deutschland (zunächst nach Tübingen, anschließend nach Stuttgart), wo sie als Redakteurin an mehreren Zeitungen und Zeitschriften Johann Friedrich Cottas mitwirkte.
Nach dem Tod ihres zweiten Ehemanns (1804) führte Therese Hubers Tätigkeit als Journalistin und Schriftstellerin sie u.a. nach Günzburg, Bad Cannstadt und Augsburg. Sie publizierte – erst ab 1811 unter ihrem eigenen Namen (vgl. Heuser 1989: 364) – eine Reihe von Romanen, Reiseberichten und Erzählungen. Für ihre übersetzerische Tätigkeit besonders wichtig war ihre Mitarbeit an Cottas Morgenblatt für gebildete Stände, dessen Beilage Kunst-Blatt sie von 1816 bis 1823 leitete. Darüber hinaus gab sie die Werke ihres zweiten Ehemannes sowie den Briefwechsel ihres ersten Ehemannes heraus.1Von der späteren Forschung wurde ihr allerdings vorgeworfen, Forsters und Hubers Korrespondenz zensiert und verfälscht zu haben (vgl. Harpprecht 1987: 608). Am 15. Juni 1829 starb Therese Huber in Augsburg.
Therese Huber hat mehrere Bücher aus dem Französischen und Englischen übersetzt2In einem Brief aus dem Jahr 1815 spricht sie selbst von zehn Bänden Übersetzungen (BTH 5: 531)., z. T. in Kooperation mit einem ihrer beiden Ehemänner, sowie eine große Anzahl kürzerer Texte, meist für Zeitungen. Im Folgenden sollen vier Aspekte ihrer Übersetzungstätigkeit angesprochen werden:
1. Übersetzungen in Kooperation mit Georg Forster
2. Übersetzungen in Kooperation mit Ludwig Ferdinand Huber
3. Weitere monographische Übersetzungen
4. Übersetzungen im Rahmen journalistischer Tätigkeit
1. Während ihrer Ehe mit Georg Forster unterstützte Therese Forster die Übersetzungstätigkeit ihres Ehemannes, wobei ihr Anteil nicht immer genau bestimmt werden kann. Gesichert ist, dass sie sich bereits in Wilna an der Übersetzung von James Cooks Bericht über seine dritte Weltreise beteiligte, die in den Jahren 1787 und 1788 in zwei Bänden erschien. Nach eigenen Angaben übersetzte sie „die ganze Cooks dritte Reise“ (Huber / Hahn 1989: 168), wie sie 1817 in einem Brief schrieb. Georg Forster war mit der Qualität der Übersetzung jedoch nicht zufrieden, wie er seinem Verleger erläuterte: „Mein liebes Weibchen ist freylich das Uebersetzen nicht gewohnt folglich giebt es Rasuras und Correcturas ohne Zahl“ (AA 5: 722). Daher entschied sich Forster, den Text selbst noch einmal neu zu übersetzen: „Meine gute Therese hat gewis die beste Absicht gehabt; allein es geht nicht nur geschwinder, noch einmal zu übersetzen, als ihre Uebersetzung zu ändern, sondern das Publikum gewinnt auch mehr dabey“ (AA 5: 722).
In der Mainzer Zeit war Therese, gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Ludwig Ferdinand Huber und mit Meta Forkel, Mitarbeiterin in Georg Forsters so genannter „Übersetzungsfabrik“ (vgl. Roche 1994). An welchen Übersetzungen Forsters sie im Einzelnen beteiligt war und in welchem Umfang, ist nicht überliefert.
2. Bereits während der Mainzer Zeit (1788–1793) begann sie, sich an Übersetzungen ihres späteren Ehemannes Ludwig Ferdinand Huber zu beteiligen. Diese Zusammenarbeit setzte sie in Neuchâtel fort. Ähnlich wie bei den Übersetzungen Georg Forsters ist auch bei diesen Arbeiten ihr Anteil nicht immer genau zu bestimmen. Relativ ausführlich hat sich Therese Huber 1817 in einem Brief an ihren Sohn Viktor Aimé Huber zu der 1794 erschienenen Übersetzung eines französischen Romans von Louvet de Couvray geäußert, die für sie eine Vorübung zu ihren eigenen Romanen darstellte:
Ich versuchte einen französischen Roman zu übersetzen. Es ging elend. Vater Huber strich mir seitenweise durch. Ich verzweifelte fast. Da war dann endlich die Übersetzung fertig, die hieß Die notwendige Ehescheidung, das Ende davon mißfiel mir, ich sagte zum Vater: „da irrt sich der Verfasser; diese Menschen werden nicht glücklich sein in der Zukunft.“ – „Das beweise du einmal“, sagte der Vater. Ich setzte den Roman fort und spann das Schicksal der Helden nach psychologischen Folgerungen ab. Der Vater war ganz erstaunt über die Leichtigkeit meines Erzählens und Erfindens. Von da an habe ich meine Erfahrungen alle in meine kleinen Romane niedergelegt. (Huber / Hahn 1989: 168)
Diese Übersetzung erschien jedoch nicht unter Therese Hubers Namen, sondern unter dem Namen ihres zweiten Ehemannes. Das gleiche gilt für eine Reihe von Übersetzungen französischer Theaterstücke, die in den Jahren 1794 und 1795 erschienen (vgl. Bibliographie). Goedeke (1893: § 277) schreibt diese Übersetzungen Therese Huber zu. Dagegen geht Sabine Dorothea Jordan (1978), die Biografin Ludwig Ferdinand Hubers, von einer Gemeinschaftsarbeit der Ehepartner aus. Sie zitiert in diesem Kontext einen Brief Therese Hubers aus dem Jahr 1805, in dem die Zusammenarbeit folgendermaßen beschrieben wird: „Huber sagte in Leipzig voriges Jahr zu Carus: Sie und ich sind so vereint, dass wir nicht mehr entscheiden können, wessen Geist sich in den Arbeiten ausdrückt. Und so war es“ (zit. nach Jordan 1978: 179).
3. Auch nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes betätigte sich Therese Huber weiter als literarische Übersetzerin. Eine besondere Stellung nimmt dabei der 1822 unter ihrem Namen erschienene Roman Ellen Percy oder Erziehung durch Schicksale ein, der auf dem Roman Discipline der schottischen Autorin Mary Brunton basiert. Zwar enthält die Titelei keinen Hinweis darauf, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Englischen handelt, doch Therese Huber macht in einem Brief an eine Freundin aus dem Jahr 1821 keinen Hehl daraus:
Meine jetzige, nun bald beendigte Arbeit ist die Übersetzung eines engl. Romans: Discipline dessen 3 Bände ich fast die Hälfte reduzire, der aber also reduzirt auch eine der besten Lectüren für unser Geschlecht ist, die mir seit langer Zeit vorkam. (Zit. nach Heuser 1996: 347).
Die Kürzungen betrafen u. a. landeskundliche Inhalte. Hubers Ziel war es dabei, so Heuser (1996: 349f.), die erzieherische Absicht des Romans und das Thema der Selbstdisziplin in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Dass der Roman allein unter dem Namen Therese Hubers erschien, lässt sich wohl auch dadurch erklären, dass sie inzwischen in Deutschland eine bekannte Schriftstellerin und Journalistin war.
4. In ihrer Tätigkeit als Redakteurin für verschiedene Periodika des Verlegers Johann Friedrich Cotta, insbesondere dem Morgenblatt für gebildete Stände sowie der Beilage Kunst-Blatt, die sie ab 1816 leitete, verfasste Therese Huber nicht nur eigene Artikel und Rezensionen, sondern eine auch eine große Anzahl von Übersetzungen (vgl. Bibliographie). Beeindruckend ist die thematische Vielfalt dieser Übersetzungen: Es finden sich sowohl literarische Texte, die sie (meist auszugsweise) übersetzte, z. B. Erzählungen von Walter Scott, als auch zahlreiche Artikel aus Tageszeitungen und Fachzeitschriften. In einer Ausgabe des Kunst-Blatts vom August 1819 erschien z. B. die Übersetzung eines Artikels aus einer kunstgeschichtlichen Fachzeitschrift unter dem Titel Ueber Herrn Viscontis Irrthum, rücksichtlich der Handlung, welche der Torso des Ilissus in der Elgin’schen Sammlung ausdrückt. Zur Entstehung dieser Fachübersetzung und den dafür notwendigen Recherchen schrieb Therese Huber an Cotta:
Die Ubersezung aus dem Englischen habe ich mit Daneckers Gutheißen, bei dem ich lange den Text im Angesicht der Statue3Anmerkung der Herausgeberin: „wahrscheinlich ein Modell eines männlichen Körpers im Atelier von Johann Heinrich von Dannecker“ (BTH 7.2: 997). verglich, für das Kunstblatt übersezt. Ich habe die technischen Namen der Muskeln noch nicht eingerückt, weil ich sie mir von [Carl] Schelling will verdeutschen laßen. Wenn Sie es daher ins Kunstblatt aufnehmen wollen, so senden Sie mir das Blatt bald wieder zurück. (BTH 7.1: 259)
Bei den technischen Fachausdrücken in einem Artikel über den Untergang des Schiffes Clio im Atlantik griff Therese Huber auf ein einschlägiges Fachwörterbuch zurück, behielt aber auch das breite Publikum des Morgenblatts im Blick:
Ich habe das Nautische Wörterbuch benuzend das Unglück der Clio aus dem Journal de Voyages übersetzt, bemüht es dem Layen durch einige Andeutung verständlicher zu machen (BTH 7.1: 373).
In ökonomischer Hinsicht war ihre Mitarbeit an dem Morgenblatt erfolgreich. Während ihrer Redaktionszeit (1816–1823) stieg die Auflage von 1450 auf 1800 Exemplare (vgl. Hahn / Fischer 1993: 69). Die Zusammenarbeit mit Cotta, über den sie einmal sagte, er sei „zum Sklaventreiber geboren“ (zit. nach Hahn / Fischer 1993: 77), wurde jedoch durch verschiedene Auseinandersetzungen um Zuständigkeiten getrübt. Zum endgültigen Bruch kam es jedoch erst 1828, ein Jahr vor Therese Hubers Tod.
Die Desiderata für die weitere Forschung liegen auf der Hand: Einer genaueren Untersuchung harrt noch der Anteil von Therese Huber an den Übersetzungen, die unter den Namen ihrer beiden Ehemänner erschienen. Dies könnte idealerweise im Rahmen einer kommentierten Edition geschehen.4Die von Magdalene Heuser besorgte Ausgabe Romane und Erzählungen (1989-2016) berücksichtigt keine Übersetzungen, abgesehen von dem Roman Ellen Percy, der als eigenständiges Werk Therese Hubers publiziert wurde. Außerdem enthalten die Bände dieser Ausgabe zwar Nachworte der Herausgeberin, aber keine Stellenkommentare. Durchgehend kommentiert ist die Ausgabe der Briefe Therese Hubers (BTH), die zahlreiche Hinweise zu Übersetzungen enthalten.
Anmerkungen
- 1Von der späteren Forschung wurde ihr allerdings vorgeworfen, Forsters und Hubers Korrespondenz zensiert und verfälscht zu haben (vgl. Harpprecht 1987: 608).
- 2In einem Brief aus dem Jahr 1815 spricht sie selbst von zehn Bänden Übersetzungen (BTH 5: 531).
- 3Anmerkung der Herausgeberin: „wahrscheinlich ein Modell eines männlichen Körpers im Atelier von Johann Heinrich von Dannecker“ (BTH 7.2: 997).
- 4Die von Magdalene Heuser besorgte Ausgabe Romane und Erzählungen (1989-2016) berücksichtigt keine Übersetzungen, abgesehen von dem Roman Ellen Percy, der als eigenständiges Werk Therese Hubers publiziert wurde. Außerdem enthalten die Bände dieser Ausgabe zwar Nachworte der Herausgeberin, aber keine Stellenkommentare. Durchgehend kommentiert ist die Ausgabe der Briefe Therese Hubers (BTH), die zahlreiche Hinweise zu Übersetzungen enthalten.