Header Icon Header Icon
Logo

Suche in UeLEX

Arno Plantener, 1909–1938

26. August 1909 Malmö (Schweden) - 15. Januar 1938 Leningrad (Sowjetunion)
Original- und Ausgangssprache(n)
Russisch
Schlagworte
Übersetzerisches ProfilExilübersetzer Übersetzte GattungenEssays, Jugendliteratur, Kinderliteratur, Versepen/Verserzählungen Sonstige SchlagworteEmigration, Exil, Exil (NS-Zeit), Sowjetunion (Exil)

In einem biographischen Aufatz über Hilde Angarowa, die Ende 1928 von Berlin nach Moskau ausgewandert war, berichtet Andreas Tretner mit Verweis auf einen in Sankt Petersburg erschienenen Beitrag (Smagina 2013) auch über Arno Plantener,

einen jungen Hamburger, der 1931, desolaten Familienberhältnissen und der Wirtschaftskrise entfliehend, seinem Bruder nach Leningrad folgt; er beendet dort seine Schriftsetzerlehre, lernt eifrig Russisch und übersetzt aus Jux und Tollerei gereimte Werke der hohen russischen Literatur, beginnend mit Tschukowski, der Fliege Sumsumsum, und ist schnell bei Puschkin; Samuil Marschak, der Papst der sowjetischen Kinderliteratur, ist entzückt und empfiehlt seine Förderung, bei der VEGAAR und anderswo erscheinen erste Übersetzungen von ihm. Er heiratet eine Russin, es kommt ein Kind – und dann wird er aus heiterem Himmel verhaftet und wenige Wochen später als vermeintlicher Spion hingerichtet; da ist er noch keine Dreißig. Seine furiose Gabrieliade landet in der sechsbändigen DDR-Puschkin-Ausgabe, und Walter Widmer in Basel hat die Fliege Suse Sumsumsum auf Planteners Grundlage neu erzählt; keiner dürfte vom Schicksal des Übersetzers gewusst und keiner wird nach ihm gefragt haben. Ob die Angarowa ihn gekannt hat, weiß man nicht. Wir nehmen es hier als „Kontrastbiografie“. (Tretner 2018: 145f.)

Ergänzen lässt sich anhand von Exilbibliographien sowie Bibliotheks- und Antiquariatskatalogen, dass Tschukowskis Kinderbuch in Planteners Nachdichtung Fliege Suse sumsumsum mit einer Startauflage von 45.100 Exemplaren 1936 in Moskau von der Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR (Vegaar) veröffentlicht wurde. Dort erschien ebenfalls 1936 in Planteners deutscher Version das 267 Seiten umfassende Buch Die Schule. Erzählung für die Jugend von Arkadi Gajdar (vgl. Schick 1992: 62f.).

Planteners Nachdichtung von Puschkins biblisch-erotischem Poem über den verführerisch schönen Erzengel Gabriel und die nach Liebe dürstende Maria wurde zuerst 1937 zur Hundertjahrfeier von Puschkins Tod sowohl in Moskau wie zudem im Staatsverlag der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen (ASSRdWD) in Engels veröffentlicht – als Band 6 der Kleinen Puschkin-Bibliothek. Zeitgleich erschien der von Plantener ins Deutsche gebrachte Band 4 dieser Puschkin-Reihe: Maxim Gorki über Puschkin (34 S.).

Die Gabrieliade findet sich in der von Tretner erwähnten, mehrfach aufgelegten und auch als Lizenzausgabe in der ehemaligen Bundesrepublik verlegten DDR-Puschkin-Werkausgabe. Der Aufbau-Verlag (Berlin und Weimar) brachte ferner 1962 eine bibliophile, mit Zeichnungen von Ursula Mattheuer-Neustädt illustrierte Gabrieliade heraus (2. Auflage 1974). Planteners Nachdichtung in fünfhebigen Jamben hat bis heute nichts von ihrer spöttisch fröhlichen Reimfreude verloren. Als Beispiel der einleitende Passus zum ersten Auftritt Satans (Plantener/Puschkin 1974: 16):

Der Satan aber ist auf seiner Hut.
Es war ihm irgendwie zu Ohr gekommen,
Daß Gott der Herr ein Weib aufs Korn genommen,
Die all der schnöden Menschheit sündig Blut
Erretten sollt' vom ew'gen Höllenfeuer,
Und das verdroß den Bösen ungeheuer.
Er geht ans Werk. Der Herrgott unterdem
Saß da in süßer Wehmut, still und träge,
Vergaß die Welt und machte sich's bequem:
Auch ohne ihn ging alles seine Wege.1Das Original: Но, старый враг, не дремлет сатана! / Услышал он, шатаясь в белом свете, / Что бог имел еврейку на примете, / Красавицу, которая должна / Спасти наш род от вечной муки ада. / Лукавому великая досада – / Хлопочет он. Всевышний между тем / На небесах сидел в уныньи сладком, / Весь мир забыл, не правил он ничем – / И без него всё шло своим порядком.

Anmerkungen

  • 1
    Das Original: Но, старый враг, не дремлет сатана! / Услышал он, шатаясь в белом свете, / Что бог имел еврейку на примете, / Красавицу, которая должна / Спасти наш род от вечной муки ада. / Лукавому великая досада – / Хлопочет он. Всевышний между тем / На небесах сидел в уныньи сладком, / Весь мир забыл, не правил он ничем – / И без него всё шло своим порядком.

Quellen

Plantener/Puschkin (1974) = Alexander Puschkin: Gabrieliade. Aus dem Russischen übertragen von A. Plantener. Mit Zeichnungen von Ursula Mattheuer-Neustädt. Hergestellt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Buchgestaltung Leipzig. 2. Aufl. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag.
Schick, Günter (1992): Bibliographie deutschsprachiger Veröffentlichungen der "Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR" Moskau, Leningrad. Berlin: Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung.
Smagina, Galina (2013): ): Arno Plantener (1909–1938) – perevodčik A. S. Puškina, M. Gorkogo, S. A. Maršaka, K. I. Čukovskogo. In: Nemcy v Rossii: nemeckij mir Sankt-Peterburga. Hg. von Galina Smagina und Dittmar Dahlmann. Sankt-Petersburg: Izd. Rostok., S. 580–589.
Tretner, Andreas (2018): Äquilibristen der Anpassung. Hilde Angarowa: Eine Übersetzerin erfindet sich selbst. In: Zaitenklänge. Geschichten aus der Geschichte der Übersetzung. Hg. von Marie Luise Knott, Thomas Brovot, Ulrich Blumenbach und Jürgen Jakob Becker. Berlin: Matthes & Seitz, S. 140–165.

Zitierweise

Kelletat, Andreas F.: Arno Plantener, 1909–1938. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 11. Januar 2025.
BeschreibungAus dem Russischen übertragen von A. Plantener. Mit Zeichnungen von Ursula Mattheuer-Neustädt. 2. Aufl. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1974.
Datum10. Januar 2025
Aus dem Russischen übertragen von A. Plantener. Mit Zeichnungen von Ursula Mattheuer-Neustädt. 2. Aufl. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1974.

Bibliographie

Übersetzungen (Buchform)

Übersetzungen (Zeitschriften, Anthologien)

Detaillierte Bibliographie