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Günter Dietz, 1930–2017

13. April 1930 Karlsruhe (Deutsches Reich) - 13. Mai 2017 Heidelberg (Bundesrepublik Deutschland)
Original- und Ausgangssprache(n)
Altgriechisch, Griechisch, Latein
Schlagworte
Übersetzerisches ProfilAuch-Übersetzer, Dichterübersetzer, Nachdichter, Philologe als Übersetzer Übersetzte GattungenLyrik, Romane

Der am 13. April in Karlsruhe geborene Günter Dietz hat sich als Altphilologe, Übersetzer und Lyriker einen Namen gemacht. Er studierte Klassische Philologie und Germanistik in Freiburg i. Br. Im Anschluss an die Promotion bei Karl Büchner mit einer Arbeit über Sallusts Briefe an Cäsar holte ihn Helmut Flume – erster Schulleiter der Deutschen Schule Athen (Dörpfeld-Gymnasium) nach der 1956 erfolgten Wiedereröffnung – als Lehrer in die griechische Metropole. In seinen Athener Jahren (1958 bis 1964) kam Dietz in Berührung mit der modernen griechischen Literatur und deren Exponenten1Vgl. etwa die Spannbreite der von Dietz verantworteten Hommage an die moderne griechische Lyrik im Griechenland-Heft der Literaturzeitschrift die horen Nr. 87 (1972)., u.a. dem späteren Nobelpreisträger Odysseas Elytis (1911–1996). Bereits in dieser Phase entstanden Übertragungen hauptsächlich von Lyrik.

Ab 1964 wirkte Dietz am Humanistischen Bismarck-Gymnasium Karlsruhe, an dem er selbst einst Schüler war. Ab 1972 bis zu seiner Pensionierung 1993 war er Leiter des Kurfürst-Friedrich-Gymnasiums in Heidelberg. Seine letzten 24 Lebensjahre – er starb am 13. Mai 2017 in Ziegelhausen/Heidelberg – widmete er zahlreichen Publikationen zu philologischen, kulturphilosophischen und ethischen Fragen sowie den Übersetzungen, hielt zudem Vorträge, führte Lesungen durch und gab eine Auswahl der eigenen zwischen 1955 und 2005 entstandenen Gedichte heraus. 2005 erhielt er den bisher letzten Deutsch-Griechischen Übersetzerpreis, ausgerichtet vom Nationalen Buchzentrum Griechenlands und dem Athener Goethe-Institut.

Als Jugendlicher erlebte Dietz die weitgehende Zerstörung seiner Heimatstadt durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg. Die Erfahrung „urtümlicher Bedrohung des eigenen Lebens und jeder irdischen menschlichen Existenz“ (Dietz 2008: 321) wirkte lange nach. Das Südland, so der Titel eines zwischen 1956 und 1970 entstandenen Gedichtzyklus, kontrastiert Kriegs- und Nachkriegserleben mit dem Hier und Jetzt eines Kulturraums, dessen Überlieferung Günter Dietz durch das Studium und seinen Lehrberuf zutiefst vertraut war. Er begegnete dem Licht und seiner „Preisung“ bei Elytis und begriff die „Grundsprache Europas“, wie er das Griechische bezeichnete, in einem historischen Kontinuum von 3000 Jahren. Doch ging es ihm nicht um die Idealisierung des Landes, das von Philhellenen mit der Seele gesucht wird. So beschwieg er nicht, wie in den Nachkriegsjahrzehnten vielfach üblich, die Wehrmachtspräsenz während der Besatzungsjahre 1941–44, die ein zerstörtes Griechenland hinterlassen hatte.2So etwa im Gedicht Pilot in Hellas 1940 (Dietz 2005: 47) oder im Nachwort (1969) von Elytis’ Hauptwerk To Axion Esti – Gepriesen sei, der „Bibel der griechischen Nation“ (Mikis Theodorakis). Während der Militärjunta (1967–1974) bezog er Stellung mit einer Äußerung über die „elementare Bedrohung der griechischen Freiheit, seit das Obristenregime das Recht der freien Meinungsäußerung, des freien Kulturschaffens und das Recht auf sozialen Fortschritt ignoriert oder in das Gegenteil verkehrt“ (Dietz 1972: 146).

In den Athener Jahren begann er mit der Übersetzung von Elytis’ opus magnum To Axion Esti – Gepriesen sei im Dialog mit dem Dichter; sie erschien 1969 bei Claassen, lange bevor sich Elytis durch den Nobelpreis für Literatur 1979 international einen Namen machte. Zwischen April 1968 und Oktober 1969 wurde über das Internationale Rote Kreuz und den damaligen Kulturreferenten des Athener Goethe-Instituts Johannes Weißert eine Korrespondenz mit dem im Lager Partheni auf Leros internierten Jannis Ritsos (1909–1990) ermöglicht. Das Versprechen an Ritsos, die gesammelten Zeugenaussagen, in denen der Dichter „den Kern der menschlichen Existenz bloßlegt“ (ebd.), auf Deutsch zu publizieren, konnte Dietz allerdings erst fast zwanzig Jahre nach Ritsos’ Tod einlösen durch die Veröffentlichung des griechisch-deutschen Bandes Martyries – Zeugenaussagen.

In der Dreifach-Identität als Philologe, Lyriker und Übersetzer maß Dietz dem Mythos in Dichtung und Philosophie eine fundamentale, ja existentielle Bedeutung auch für die Gegenwart bei. Elemente dieses „neuen Mythos vom Menschen“ identifizierte er bei den Hauptvertretern der modernen griechischen Lyrik, mit denen er sich befasst hat. Dietz sah sich – in der Rolle des Übersetzers so gut wie des lehrenden und publizierenden Altphilologen – als Vermittler der griechischen Kultur, die nach seinem Verständnis von der Antike bis in die Moderne eine Einheit bildet.

Seine äußerlich unspektakuläre Vita steht im Kontrast zu einem hochkonzentrierten Arbeitsleben, von dem u.a. die akribischen Notizen und Bemerkungen in den Büchern seiner Bibliothek zeugen. Der übersetzerische Nachlass, der u.a. Unveröffentlichtes von Kavafis und Elytis enthält, befindet sich im Familienbesitz und soll publizistisch erschlossen werden.

Anmerkungen

  • 1
    Vgl. etwa die Spannbreite der von Dietz verantworteten Hommage an die moderne griechische Lyrik im Griechenland-Heft der Literaturzeitschrift die horen Nr. 87 (1972).
  • 2
    So etwa im Gedicht Pilot in Hellas 1940 (Dietz 2005: 47) oder im Nachwort (1969) von Elytis’ Hauptwerk To Axion Esti – Gepriesen sei, der „Bibel der griechischen Nation“ (Mikis Theodorakis).

Quellen

Dietz, Günter (1972): Kurze Einführung in die neugriechische Lyrik. In: die horen Nr. 87 (Griechenland II), S. 145f.
Dietz, Günter (2005): Wundpsalmen. Ausgewählte Gedichte. Berlin: Elfenbein.
Dietz, Günter (2008): „Wundpsalmen“ – Leitmotive und Lebensgestalt. In: Dietz, Günter / Kick, Hermes A. (Hg.): Verzweiflung als kreative Herausforderung. Berlin: Lit Verlag, S. 321–330.

Zitierweise

Schellinger, Andrea: Günter Dietz, 1930–2017. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 1. Dezember 2019.
CaptionGünter Dietz (© Privatarchiv Hildegard Dietz).
Publication Date9. November 2022
Günter Dietz (© Privatarchiv Hildegard Dietz).

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