Eva Hesse, 1925–2020
Eva Hesse wurde am 2. März 1925 in Berlin geboren. Im Alter von sieben Jahren zog sie mit ihrer Familie aufgrund einer Anstellung des Vaters als Leiter des Deutschen Nachrichtenbüros (DNB) und als Pressebeirat an der Deutschen Botschaft nach London (Hanisch 2011: 462). Diesen Ortswechsel erlebte sie zunächst als eine sprachliche Entwurzelung; er führte jedoch auch dazu, dass das „Jonglieren zwischen den Sprachen“ für sie früh zur Normalität wurde (Hesse 2003: 7, 8). Nach einer weiteren Station in Berlin, wohin die Familie mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zurückkehrte, lebte und wirkte Hesse seit Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu ihrem Tod am 30. März 2020 in München.
Hesses Bedeutung ergibt sich hauptsächlich aus ihrer Herausgabe und häufig damit einhergehenden Translation zahlreicher, insbesondere lyrischer, Werke aus dem angloamerikanischen Sprachraum. Besonders bekannt ist sie als Übersetzerin des Werkes von Ezra Pound, eine Aufgabe, die ihr 1951 vom Arche Verlag angetragen wurde (Hesse 2003: 9). Hesse setzte sich unermüdlich für den Dichter ein, der aufgrund seiner propagandistischen Tätigkeiten für den faschistischen Diktator Mussolini in Amerika diskreditiert war, indem sie ihn nach Deutschland holte, Lesungen organisierte und sich der Übersetzung seines Werkes widmete (Winkler 2020). Dieses Engagement ordnete sie selbst als eine kritische Auseinandersetzung und nicht als eine Identifikation mit Pound ein (Hintermeier 2012). Fast 200 Briefe zeugen von einer regen Korrespondenz und der intensiven Arbeitsbeziehung der Translatorin zum Dichter (Flügge). Laut dem Literaturkritiker Willi Winkler wäre Pound ohne Hesses Einsatz „nicht mehr neu in die Welt gekommen“ (Winkler 2020).
Hesse übersetzte jedoch auch die Werke zahlreicher weiterer angloamerikanischer und englischsprachiger Autoren und Autorinnen, wie Robert Frost, Robinson Jeffers, E. E. Cummings, Langston Hughes, James Laughlin, Marianne Moore, Archibald MacLeish, Samuel Beckett und T. S. Eliot. Michael Basse kommt daher zu der Einschätzung, dass dem deutschsprachigen Publikum ohne Eva Hesses herausgeberische und damit verbunden translatorische Leistung „große Teile der angloamerikanischen Literatur bis heute verborgen geblieben“ wären (Basse 2005: 6). Ihre Übersetzungstätigkeit wurde mit namhaften Übersetzer-Preisen sowie der Ehrendoktorwürde der Maximilians-Universität-München ausgezeichnet.
Zu den zahlreichen Übersetzungen, Anthologien, Buchherausgaben und Autorschaften von Essays und Radiobeiträgen gehört außerdem ein autobiographisches Buch mit dem Titel Vom Zungenreden in der Lyrik: Autobiographisches von der Übersetzerei, in dem sie ihren Werdegang als Übersetzerin beschreibt und ihre translationspoetologischen Vorstellungen verdeutlicht.