Hans Fallada, 1893–1947
Hans Fallada war kein bedeutender Übersetzer. Seine Übersetzungen – zwei Unterhaltungsromane der amerikanischen Autorin Clarence Day – entstanden Mitte der 1930er Jahre als Auftragsarbeiten des Berliner Rowohlt-Verlages. Beide, der Verleger Ernst Rowohlt wie sein Autor Hans Fallada, befanden sich damals in einer misslichen Lage. Fallada hatte 1931 nach vielen Jahren immer neuen Scheiterns mit dem Roman Bauern, Bomben und Bonzen einen ersten größeren Verkaufserfolg und 1932 mit Kleiner Mann – was nun? sogar einen Welterfolg erzielt. Aber den im Januar 1933 an die Macht gelangten Nationalsozialisten war er verdächtig, nicht nur als Autor im als „asphaltliterarisch“ und „verjudet“ geltenden Verlag von Ernst Rowohlt. Verleger und Autor versuchten, der Bedrohung durch die Nazis zu entkommen, indem sie auf unverfängliche Themen auswichen (vgl. Moldenhauer 2008).
In diesem Kontext mag Rowohlt, der sich (wohl auch dank der Zuarbeit seines Sohns Heinrich Maria Ledig) auf dem amerikanischen Buchmarkt gut auskannte, auf die Idee verfallen sein, Rudolf Ditzen – so Falladas bürgerlicher Name – im Februar 1936 die Übersetzung eines amerikanischen Buches vorzuschlagen, das soeben in den USA über 120.000 mal verkauft worden war: Life with father von Clarence Day. Die Übersetzung war im Juli 1936 fertig und erschien noch im selben Jahr, mit dem Namen des berühmten Übersetzers auf Umschlag und Titelblatt. Ein Riesenerfolg wurde Unser Herr Vater nicht, aber 20.000 Exemplare waren es schon, hinzukamen die Vorabdrucke in zwei Tageszeitungen. Der Absatz reichte jedenfalls, um Fallada noch ein zweites Buch von Clarence Day übersetzen zu lassen: Life with mother bzw. Unsere Frau Mama.
1961 erschienen die Übersetzungen erneut bei Rowohlt, nun in der rororo-Taschenbuchreihe und in Startauflagen von je 35.000 Exemplaren. Im Zuge der furiosen, durch die englische Übersetzung ausgelösten Wiederentdeckung von Falladas letztem Roman Jeder stirbt für sich allein (1947) – der Aufbau-Verlag verkaufte von der Neuausgabe über 300.000 Exemplare – versuchte der Verlag 2015 auch für Falladas Übersetzung des Vater-Buchs noch einmal Leser zu interessieren.1Verkauft wurden bis 2019 laut Mitteilung des Aufbau-Verlags ca. 4000 Exemplare (Debicki 2019: 19). Sein Name prangte also wie schon 1936 und 1961 erneut auf dem Umschlag und so kann behauptet werden, dass Hans Fallada zumindest zu den sichtbarsten deutschen Übersetzern der letzten 100 Jahre gehört.
Ob der von Lutz Dettmann in seinem informativen Aufsatz Fallada als Übersetzer 2020 vorgeschlagene Vergleich der Fallada-Übersetzung mit dem Original den Aufwand lohnte, weiß ich nicht. Auch die Frage, ob Falladas Tante Ada Ditzen ihm bei der Übersetzung geholfen haben könnte, kommt mir nicht sehr spannend vor. Interessanter erschiene mir bei der Frage nach dem Wie des Übersetzten ein Vergleich seiner beiden Clarence Day-Verdeutschungen mit seinen eigenen Büchern, um herauszufinden, ob sich auch in den Übersetzungen der typische Fallada-Sound der 1930er Jahre findet.2Herangezogen werden könnte für einen solchen Vergleich auch die Zweitübersetzung eines Kapitels aus Days Life with Father, die (ohne Nennung eines Übersetzers) 1946 in der vom Alliierten Informationsdienst (München) herausgegebenen Monatsschrift Neue Auslese veröffentlicht wurde (Heft 10, S. 72-77); das Kapitel heißt bei Fallada Das edelste Instrument, in der Version von 1946 schlicht Geigenstunde.
Anmerkungen
- 1Verkauft wurden bis 2019 laut Mitteilung des Aufbau-Verlags ca. 4000 Exemplare (Debicki 2019: 19).
- 2Herangezogen werden könnte für einen solchen Vergleich auch die Zweitübersetzung eines Kapitels aus Days Life with Father, die (ohne Nennung eines Übersetzers) 1946 in der vom Alliierten Informationsdienst (München) herausgegebenen Monatsschrift Neue Auslese veröffentlicht wurde (Heft 10, S. 72-77); das Kapitel heißt bei Fallada Das edelste Instrument, in der Version von 1946 schlicht Geigenstunde.