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Joachim Christian Friedrich Schulz, 1762–1798

1. Januar 1762 Magdeburg (Königreich Preußen) - 27. September 1798 Mitau (Russisches Reich)
Original- und Ausgangssprache(n)
Englisch, Französisch, Italienisch

Joachim Christian Friedrich Schulz, der seine Schriften meist nur mit „Friedrich Schulz“ signierte,1Zu seinen Vornamen finden sich in verschiedenen Quellen unterschiedliche Varianten, neben Joachim Christian Friedrich auch Joachim Christoph Friedrich und Friedrich Joachim Christian.war zu Lebzeiten ein sehr bekannter und beliebter Schriftsteller und Übersetzer. Heute ist er kaum noch bekannt, zumindest nicht bei einem breiteren Publikum, was sich u.a. darin äußert, dass es bisher (Stand: November 2023) keinen Wikipedia-Artikel zu ihm gibt. Dabei ist sein Werdegang aus literatur- und übersetzungsgeschichtlicher Sicht beispielhaft:

Für den in der Aufklärung aufkommenden Typus des freien Schriftstellers ist S. [Schulz] ein gutes Beispiel: Wie nur wenigen gelang es ihm, sich erst durch Übersetzungen […] aus dem Französischen, Italienischen, Englischen u. Bearbeitungen […], dann durch zahlreiche Romane u. Reiseberichte selbstständig zu ernähren. (Košenina 2011: 629)

Seine literarische Karriere war ihm nicht in die Wiege gelegt. Sein Vater, ein Branntweinbrenner aus Magdeburg, ging 1780 nach Ostindien und blieb verschollen. Die Mutter war bereits vor 1779 verstorben (vgl. Gottzmann / Hörner 2007: 1171). Dennoch besuchte er mit Erfolg das Gymnasium in Magdeburg, wo er sich „mit Vorliebe dem Studium der französischen Sprache zuwandte“ (Brümmer 1891: 742). Anschließend ging er nach Halle, wo er einige Vorlesungen in Theologie besuchte, ohne jedoch das Studium abzuschließen. Bereits in dieser Zeit, als mittelloser Student, fertigte er erste „Brotübersetzungen“ (Tgahrt 1982: 224) an, denen zahlreiche weitere Übersetzungen und Bearbeitungen folgten. Nach dem Abbruch des Studiums ging er nach Dresden, wo er sich zunächst einer Schauspielergesellschaft anschloss, nach kurzer Zeit aber bereits versuchte, sich als Schriftsteller zu etablieren. 1781 legte er seine ersten beiden Romane vor. Aufsehen erreichte er ein Jahr später durch den Almanach der Belletristen und Belletristinnen für dieses Jahr, der u.a. eine Polemik für Lessing und gegen Herder enthielt und noch im gleichen Jahr nachgedruckt wurde, sowie durch die anonym publizierte, gegen Friedrich Nicolai gerichtete Satire Leben und Tod des Dichters Firlifimini (1784).

In den kommenden Jahren hielt sich Schulz in Wien, Berlin und „am längsten und liebsten in Weimar auf, wo er sich durch seine Talente und geselligen Eigenschaften Freunde und Gönner erwarb“ (Brümmer 1891: 743). Zu diesen zählten u.a. der Verleger Friedrich Justin Bertuch und der Übersetzer Johann Joachim Christoph Bode. In dieser Zeit entstanden u.a. seine beiden erfolgreichsten Romane (Moritz, ein kleiner Roman und Leopoldine, ein Seitenstück zum Moritz), die auch ins Französische, Englische und Dänische übersetzt wurden. Beim Publikum beliebt waren auch seine Reiseberichte. In Geschichte der großen Revolution in Frankreich (1789) berichtete Schulz aus erster Hand von den Ereignissen in Paris. Um vom Schreiben leben zu können, musste er regelmäßig und umfangreich publizieren. In einem Brief an den Verleger Friedrich Vieweg aus dem Jahr 1789 schrieb er über seine ersten Jahre als Schriftsteller: „Mithin arbeitete ich bis zum Krankwerden“ (zit. nach Sangmeister 2001: 31).

1791 nahm Schulz einen Ruf als Gymnasialprofessor in Mitau an, was ihm nunmehr ein regelmäßiges Einkommen bescherte. In Mitau engagierte er sich bald auch politisch und wurde vom kurländischen Bürgerstand als Deputierter zum Reichstag nach Warschau gesandt.

Seine letzten Lebensjahre waren durch Krankheit geprägt, an der auch eine Reise nach Polen, Österreich und Italien, der wiederum mehrere Reiseberichte folgten, nichts ändern konnte. Zu den körperlichen Gebrechen, u.a. einer Lähmung der rechten Hand, die ihn beim Schreiben behinderte (vgl. Sangmeister 2001: 38), kamen in den letzten Monaten vor seinem frühen Tod im Jahre 1798 Wahnvorstellungen, insbesondere die Angst, nach Sibirien verbannt zu werden.

Ein großer Teil der Werke von Friedrich Schulz ist (zunächst) in Zeitschriften erschienen. 1783, im Alter von 21 Jahren, schickte er Wieland einige seiner Arbeiten mit der Bitte, diese im Teutschen Merkur abzudrucken. Ab August 1783 erschien dort Moriz, ein kleiner Roman als Vorabdruck. In den Jahrgängen 1783 bis 1787 sowie 1790 findet sich „in nahezu jedem Heft eine seiner Arbeiten“ (Brüne 2000: 482). Auch Übersetzungen, Reiseberichte, Anekdoten sowie naturwissenschaftliche und historische Betrachtungen finden sich im Merkur und anderen deutschen Zeitschriften. Für die Allgemeine Literatur-Zeitung verfasste Schulz in den Jahren 1785 bis 1788 zahlreiche Rezensionen, die bisher nicht identifiziert sind (vgl. Brüne 2000: 484).

Schulz’ übersetzerisches Werk ist – gemessen am Publikationszeitraum – umfangreich und vielfältig. Die bibliographische Erfassung und die Abgrenzung von der eigenständigen Textproduktion sind nicht ganz einfach. So werden in der umfangreichen Bibliographie des Lexikonartikels von Gottzmann und Hörner (2007) Übersetzungen und Bearbeitungen zwar prinzipiell separat erfasst (11 Titel, ohne Neuauflagen), im Abschnitt „Werke“ werden jedoch weitere Titel angegeben, die auch Übersetzungen beinhalten, wie z.B. die Kleine[n] prosaische[n] Schriften vom Verfasser des Moriz (1788–1801, 7 Bände) und die fünfbändige Sammlung Kleine Romane (1788–1790), die jeweils mehrere Übersetzungen enthalten, sowie die Gesammelte[n] Romane in drei Bänden (1789–1795), die ausschließlich aus Übersetzungen bestehen. Zudem enthält der Abschnitt zu den Übersetzungen den lapidaren Hinweis: „Übers. vieler Abh. vorwiegend a.d. Franz.“ (Gottzmann / Hörner 2007: 1176). Hierbei dürfte es sich um (häufig anonym erschienene) Zeitschriftenbeiträge handeln.

Betrachtet man die separat erschienenen Titel, die zweifelsfrei als Übersetzungen oder Bearbeitungen identifiziert werden können, überwiegt als Ausgangssprache das Französische, gefolgt vom Englischen und Italienischen. Neben literarischen Übersetzungen und Bearbeitungen von Romanen, Theaterstücken, Gedichten und Aphorismen (u.a. von De Lafayette, De La Rochefoucauld, Marivaux und Richardson) finden sich Fachübersetzungen aus unterschiedlichen Fachgebieten (Geographie, Geschichte, Mineralogie).

Den meisten Übersetzungen sind „Vorerinnerungen“ vorangestellt, die Einblicke in Schulz’ Übersetzungsverständnis und Übersetzungsmethodik geben. Ausgehend von den „Vorerinnerungen“ möchte ich im Folgenden die Überlegungen des Übersetzers zu einigen Übersetzungen vorstellen.

In der „Vorerinnerung“ der Mineralogische[n] Reisen durch Calabrien und Apulien von Alberto Fortis betont der geschäftstüchtige Übersetzer den Nutzen seiner Übersetzung:

Gegenwärtige Briefe, die hier aus dem teutschen Merkur zusammen abgedruckt erscheinen, sind den Freunden der Naturgeschichte darum bisher unbekannt geblieben, weil der Verfasser nur 50 Exemplare davon für seine Bekannte hatte drucken lassen. In dieser Uebersetzung sind noch zwey Briefe (der erste und der vierte) hinzugekommen, die der Verfasser handschriftlich mitgetheilt hat, und denen man es bald ansehen wird, daß sie schwerlich durch irgendeine Italienische Censur hätten gehen können. Diese Uebersetzung ist also in doppelter Rücksicht so gut als ein Original, und ich darf hoffen, daß sie den Liebhabern der Naturgeschichte willkommen seyn werden […]. (Schulz 1788: unpag.)

Auch in seinen literarischen Übersetzungen legt Schulz Wert darauf, dass seine Übersetzungen mit Sorgfalt verfasst seien, wie in dem folgenden Zitat aus der Übersetzung der Historische[n] Romane von Charles-Joseph Mayer:

Der Uebersetzer hat sich Mühe gegeben, diese Erzählungen deutsch so vorzutragen, daß man ihnen, wenn man auch kritteln wollte, den Vorwurf der Fabrikenarbeit schwerlich wird machen können. (Schulz 1789: unpag.)

Besonderen Wert habe er auf die „Korrektheit der Sprache und des Styls“ gelegt (ebd.)

In mehreren seiner Übersetzungen hat Schulz den Ausgangstext deutlich gekürzt. In den „Vorerinnerungen“ wird dies stets begründet, besonders ausführlich in Josephe, der deutschen Übersetzung von Marivaux’ La vie de Marianne:

Diese Josephe ist aus der Marianne des Herrn von Marivaux entstanden, und wird in zwey Bändchen alles enthalten, was Marianne that und litt, statt daß ihr Schöpfer vier Bände brauchte, weil er auch, dem Genius seiner Nation zu gefallen, was sie dabey sagte, aufzeichnen zu müssen glaubte. Hieraus ergibt sich ein charakteristischer Unterschied zwischen dem Geschmacke der Franzosen, und dem Geschmacke der Engländer und Deutschen in Werken der Darstellung. Erstere hören die Helden ihrer Dichter im Romane, wie im Schauspiele, gern sprechen, letztere sehen sie gern handeln und hören sie ungern mehr sprechen, als zur Sache nöthig ist. […] Wenn die französischen Uebersetzer englische und deutsche Helden ihrer Nation vorführen, so lösen sie ihnen vorher die Zunge, es ist also billige Wiedervergeltung, wenn wir sie den französischen Helden dafür lähmen. Ein Schwätzer ist unter Stillen nie gelitten. Marivaux ist zwar ein sehr angenehmer Schwätzer, aber das deutsche Publicum würde ihm nicht zuhören, aus dem sehr einfachen Grunde, daß es ihn nicht versteht. (Schulz 1801: 3ff; Hervorhebungen im Original gesperrt)

Auch für die deutsche Übersetzung des Romans Zayde von Madame de La Fayette nahm Schulz erhebliche Kürzungen vor und begründete dies mit Unterschieden zwischen dem deutschen und französischen Geschmack:

Aber in der That diese Weglassung hat mir mehr Mühe und Ueberlegung gekostet, als eine eigene Komposition, welcher ein nachbildender Franzose, dem Geschmacke seiner Nation zu gefallen, eben so viel hinzusetzen würde. (Schulz 1790a: 5; Hervorhebung im Original gesperrt)

In der Vorerinnerung der Übersetzung von Madame de La Fayettes bekanntestem Roman, La Princesse de Clèves, spielen weniger Kürzungen der Handlung eine Rolle als Überlegungen zu deutsch-französischen Stilunterschieden:

Der Styl ist ungekünstelt, elegant und korrekt, und selbst die strengsten Französischen Litteratoren erkennen diese Vorzüge an. […] Ich habe mich bestrebt, das Original so wenig verlieren zu lassen, als Werke dieser Art, die im Tone der feinen Welt, der Liebe und Galanterie sprechen, in unserer Sprache beständig verlieren müssen. […] Man hat schon die Güte gehabt, die ich mit herzlichem Dank anerkenne, und mir einen leichten Konversationston zugeschrieben; aber ich darf darum doch versichern, daß ich noch einen großen Weg zu thun zu haben glaube, eh‘ ich mich der Zufriedenheit der Kenner Französischer Konversationssprache werde werth halten können […]. (Schulz 1790b: 4ff)

Als konkrete Beispiele nennt Schulz Wörter wie Galanterie, Frivolität, Konversation, Bonmot etc., für die „wir […] keine eigenen Wörter haben“ (ebd., 7).

Ähnliche Überlegungen finden sich auch in der „Vorerinnerung“ zu De la Rochefoucault’s Sätze[n] der höhern Welt- und Menschenkunde: Hier betont der Übersetzer, dass er bestimmte französische Ausdrücke je nach Kontext unterschiedlich übersetzt habe, z.B. goût nicht nur durch Geschmack, sondern auch durch Neigung, Hang oder Laune, und habile nicht nur durch geschickt, sondern auch durch ausgelernt, fein oder weltklug (vgl. Schulz 1790c: 5f.). Zur Begründung dieser Vorgehensweise schreibt Schulz:

Was Triumph unserer Sprache, hauptsächlich ihres Reichthums und ihrer Bestimmtheit wäre, könnte man ihr sonst wohl als Armuth und dem Uebersetzer als Unwissenheit oder Nachlässigkeit anrechnen. (Schulz 1790c: 6)

In den Vorworten der Übersetzungen aus dem Französischen zeigt sich insgesamt eine große Bewunderung für die französische Sprache. Im „Vorbericht“ zu Schulz’ bekanntester Übersetzung aus dem Englischen, Clarisse in Berlin oder Geschichte der Albertine von Seelhorst, die im Untertitel der hier zitierten zweiten Auflage als „Lesebuch für deutsche Mädchen“ bezeichnet wird, finden sich dagegen keine überschwänglichen Lobesworte für die Sprache des Autors, des Englischen, sondern zunächst eine Begründung für die Notwendigkeit einer Neuübersetzung:

Richardsons Clarisse […] erschien im deutschen Gewande zu einer Zeit, wo unsere Sprache noch sehr in ihrer Kindheit war: wo unsre Dichter und Philosophen und alle übrigen Schriftsteller, in welchem Fache der Litteratur sie auch arbeiteten, in ihren Bemühungen, sie zu bilden, nur vor kurzem erst den Anfang gemacht hatten […]. (Schulz 1797: IV)

Seit Ende der 1760er Jahre, so Schulz weiter, habe sich die deutsche Literatursprache weiterentwickelt, und die davor erschienene Erstübersetzung sei daher „nicht mehr lesbar“ (ebd.: VIII). Der Neuübersetzer beschränkt sich aber keineswegs auf eine sprachliche Modernisierung, sondern verpflanzt den Stoff nach Deutschland, was wiederum mit deutlichen Kürzungen einhergeht:

Dadurch, daß wir den Schauplatz der Geschichte aus England nach Deutschland überpflanzten, verkürzte sich das Original um viele Bogen von selbst, und unsere Bearbeitung gewann, wie wir glauben, zugleich an Interesse und Zweckmäßigkeit dadurch. So bedarf es keiner Anstrengung für Leserinnen, sich nach England zu versetzen, und das ins Gedächtnis zurück zu rufen, was sie von London und den englischen Sitten überhaupt gelesen oder gehört haben […]. (Schulz 1797: XIIf.)

Friedrich Schulz hat sich jedoch nicht nur in den Vorworten seiner Übersetzungen zu seiner eigenen Übersetzungsmethodik geäußert, sondern er hat auch in einem bisher in der Sekundärliteratur m.W. nicht beachteten Aufsatz übergreifende Reflexionen zur Methodik des Übersetzens angestellt. Es handelt sich um den Text „Bemerkungen über deutsche poetische Uebersetzer und Uebersetzungen“ (Schulz 1793) aus dem Sammelband Mikrologische Aufsätze, der einzigen Monographie von Friedrich Schulz mit eigenen, literaturkritischen Aufsätzen und Essays.2James Daniel Bean geht zwar in seiner Dissertation The Literary Criticism of Friedrich Schulz auf diesen Band ein, blendet Schulzʼ übersetzungstheoretische Überlegungen jedoch aus (vgl. Bean 1976: 180ff).Schulz unterscheidet in dem genannten Aufsatz zwei Übersetzungsmethoden, ähnlich wie andere Autoren auch. Originell ist an Schulz‘ Ansatz, dass er die Wahl der Übersetzungsmethode konsequent am Zielpublikum festmacht. Wenn sich die Übersetzung an ein breites Publikum richte (bei Schulz als „Majorität“ bezeichnet), verbiete sich eine wörtliche, verfremdende Übersetzung. In Bezug auf die deutsche Übersetzung klassischer Werke von Homer, Vergil, Ovid u.a. für ein breites Publikum schreibt Schulz:

Da aber das bezeichnete Publikum hauptsächlich nur auf den Inhalt und Geist dieser Werke sieht, insofern es angenehme Belehrung oder auch wohl gar nur Zeitvertreib darinn sucht, so ergiebt sich die Vorschrift von selbst wie ich mich als Uebersetzer zu benehmen habe. Ich darf mir demnach nicht beygehen lassen, solche Werke in einer diesem Publikum fremden Manier und ungewöhnlichen Sprache, Wort für Wort, Vers für Vers, demselben vorzulegen, und dem Idiom meiner Muttersprache Gewalt anzuthun, um sie jenen alten und ausländischen Formen anzuschließen. […] Mein übersetzter Homer oder Aeneas muß also, wo möglich, in eben so guten und ganz deutschen Hexametern geschrieben seyn, als Klopstocks Messias […]. (Schulz 1793: 171f; Hervorhebungen im Original gesperrt).

Auch für das gebildete und literarisch interessierte Publikum (bei Schulz als „Minorität“ bezeichnet) sei eine wörtliche Übersetzung nicht die angemessene Lösung. Stattdessen empfiehlt Schulz eine poetische Nachdichtung:

Diese [die Minorität] besteht aus den geschmackvollen Männern der Nation, denen es, da sie sachgelehrt und nicht bloß wortgelehrt sind, nie einfällt, mir Bild für Bild, Vers für Vers, Wort für Wort nachzuzählen. Diese Dinge sind für sie nicht wesentlich, aber, wenn Sie mir dieselben schenken, so thun sie dafür andere Forderungen […]. Ich muß das schreckliche Wort heraussagen – sie verlangen Genie! Ihnen ist es nicht genug, daß ich ein vortrefflicher Grieche oder Lateiner bin, daß ich alle, in meinem Original vorkommende, historische, mythologische, politische und sittliche Züge fühle und verstehe, sondern sie wollen, daß ich mit meinem Dichter, von einem nicht schlechtern Geist, als er selbst, getrieben, Hand in Hand gehe und bey meiner Uebersetzung mich eben so begeistert, eben so im Besitz aller Gaben der Mußen fühle, wie er selbst […]. (Schulz 1793: 174; Hervorhebung im Original gesperrt)

Ziel einer solchen Übersetzung müsse es sein, so Schulz (1793: 177) weiter, „ein schönes Kunstwerk“ hervorzubringen, was bisher nur wenigen deutschen Übersetzern gelungen sei.

Auch wenn Schulz in dem zitierten Aufsatz seine eigenen Übersetzungen nicht explizit erwähnt, kann man davon ausgehen, dass die Orientierung am Zielpublikum für ihn die zentrale Richtschnur für seine Übersetzungen war und dass sich viele seiner Übersetzungen an ein breites Publikum richteten. Diese „Fähigkeit auf die Wünsche der damaligen Leserschaft einzugehen“ (Kosellek 2001: 36) mag auch dazu beigetragen haben, dass Schulz‘ Übersetzungen – ebenso wie seine Romane und Reiseberichte – von der zeitgenössischen Literaturkritik überwiegend freundlich aufgenommen wurden, während sie in späterer Zeit mehr und mehr in Vergessenheit gerieten.

Als Beispiel für die wohlwollende Aufnahme Schulz‘ durch die zeitgenössische Kritik wird meist eine in der Allgemeinen Literatur-Zeitung erschienene Sammelrezension von A.W. Schlegel zitiert. In dieser wird der Autor und Übersetzer Schulz u.a. als „angenehmer Gesellschafter“ und als „geistvolle[r] und vorurtheilsfreye[r] Beobachter“ charakterisiert, der mit einer „ausgebreiteten Belesenheit in der Französischen Literatur“ aufwarten könne (Schlegel 1797: 218f). Allerdings finden sich in dem Text auch einige kritische Bemerkungen zu einzelnen Übersetzungen, insbesondere zu Josephe, nach Marivaux:

Marivaux ist der einzige, der Hn. S. den Vorwurf machen dürfte, augenscheinlich unter seinen Händen eingebüßt zu haben. Der deutsche Bearbeiter hat ihm seine Eigenthümlichkeit genommen, ohne ihm eine andere dafür wiederzugeben. Josephe ist nur ein trockner Auszug der Marianne. Die Feinheit und Gefälligkeit des Originals ist fast nicht mehr zu erkennen und die Lebendigkeit ist ganz verschwunden. (Schlegel 1797: 226)

Der Tenor der Sammelbesprechung ist jedoch insgesamt positiv. Auch Schiller, Wieland und Goethe sprachen sich anerkennend über Schulz aus (vgl. Košenina 2011: 630). Während Recke und Napiersky (1832: 144) Schulz noch als „Liebling […] des Lesepublikums seiner Zeit“ beschreiben, fällt Goedekes Urteil dagegen bereits kategorisch negativ aus: „Angeblich dem Geniewesen abhold, bewegte er sich im rüdesten Tone der Genies, nur ohne Genie“ (Goedeke 1916: 929). In der neueren Forschungsliteratur, die mit der Dissertation von Bean (1976) einsetzt, bemüht man sich um ein differenzierteres Bild. Allerdings steht meist Schulz‘ Tätigkeit als Roman- und Reiseschriftsteller im Mittelpunkt. Zu seiner Übersetzungstätigkeit finden, sich – abgesehen von Einzelstudien wie Cantarutti (1990) – meist nur knappe Bemerkungen. Eine umfassende Würdigung von Schulz’ Übersetzungstätigkeit steht noch aus. Dies gilt ebenso für seine übersetzungstheoretischen Reflexionen.

Anmerkungen

  • 1
    Zu seinen Vornamen finden sich in verschiedenen Quellen unterschiedliche Varianten, neben Joachim Christian Friedrich auch Joachim Christoph Friedrich und Friedrich Joachim Christian.
  • 2
    James Daniel Bean geht zwar in seiner Dissertation The Literary Criticism of Friedrich Schulz auf diesen Band ein, blendet Schulzʼ übersetzungstheoretische Überlegungen jedoch aus (vgl. Bean 1976: 180ff).

Quellen

Bean, James Daniel (1976): The Literary Criticism of Friedrich Schulz. John Hopkins University (PhD Diss.). Ann Arbor (Michigan): Xerox University Microfilms.
Brümmer, Franz (1891): „Schulz, Joachim Christoph Friedrich“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 32, 1891, S. 742–744.
Brüne, Peter (2000): „Friedrich Schulz (1762–1798) – ein Schriftsteller aus dem Umkreis Friedrich Justin Bertuchs“. In: Kaiser, Gerhard R. / Seifert, Siegfried (Hg.): Friedrich Justin Bertuch (1747–1822). Verleger, Schriftsteller und Unternehmer im klassischen Weimar. Tübingen, Niemeyer, S. 481–488.
Cantarutti, Giulia (1990): „Früchte einer Übersetzung La Rochefoucaulds im Jahr der ‚Großen Revolution in Frankreich‘ gepflückt: Friedrich Schulz‘ Zerstreute Gedanken“. In: Cantarutti, Giulia / Schumacher, Hans (Hg.): Germania – Romania. Studien zur Begegnung der deutschen und romanischen Kultur. Frankfurt a.M.: Lang, S. 265–289.
Goedeke, Karl (1916): „Joachim Christian Friedrich Schulz“. In: ders.: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen. Dritte neubearbeitete Auflage. Vierter Band I. Abteilung. Dresden: Ehlermann, S. 929–936.
Gottzmann, Carola L. / Hörner, Petra (2007): Schulz, Friedrich Joachim Christian. In: Gottzmann, Carola L. / Hörner, Petra (Hg.): Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. Berlin: De Gruyter, Bd. 3, S. 1171–1177.
Kosellek, Gerhard (2001): Einleitung. In: Schulz, Friedrich: Briefe. Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Gerhard Kosellek, Bielefeld: Aisthesis, S. 7–43.
Košenina, Alexander (2011): Schulz, (Joachim Christian) Friedrich. In: Kühlmann, Wilhelm et al. (Hg.): Killy Literaturlexikon. Berlin: De Gruyter, Bd. 10, S. 629–631.
Recke, Johann Friedrich von / Napiersky, Karl Eduard (1832): Schulz (Joachim Christoph Friedrich). In: Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland. Mitau: Steffenhagen, Bd. 4, S. 141–152.
Sangmeister, Dirk (2001): Bis zum Verlust der rechten Hand. Der freie Schriftsteller Friedrich Schulz (1762–1798). In: Triangulum. Germanistisches Jahrbuch für Estland, Lettland und Litauen 8, S. 25–43.
[Schlegel, August Wilhelm] (1797): Sammelrez. zu Friedrich Schulz: Kleine Romane; Leopoldine; Kleine prosaische Schriften; Gesammelte Romane; Henriette von England. In: Allgemeine Literatur-Zeitung, 1797, Nr. 150, Sp. 217–224 und Nr. 151, Sp. 225–232.
Schulz, Friedrich (1788): Vorerinnerung. In: Fortis, Alberto: Mineralogische Reisen durch Calabrien und Apulien von Albert Fortis. In Briefen an den Grafen Thomas von Bassegli in Ragusa. Weimar: Hoffmann, unpag.
Schulz, Friedrich (1789): Vorerinnerung. In: Mayer, Charles-Joseph: Historische Romane des Herrn von Mayer. Weimar: Hoffmann, unpag.
Schulz, Friedrich (1790a): Vorerinnerung. In: [La Fayette, Marie Madeleine de:] Zaide. Von Friedrich Schulz. Frankfurt und Leipzig, S. 3–6.
Schulz, Friedrich (1790b): Vorerinnerung. In: [La Fayette, Marie Madeleine de:] Die Prinzessin von Cleves. Ein Seitenstück zur Zaide. Von Friedrich Schulz. Berlin: Vieweg, S. 1–8.
Schulz, Friedrich (1790c): Vorerinnerung. In: De la Rochefoucault’s Sätze aus der höhern Welt- und Menschenkunde. Französisch und deutsch herausgegeben von Friedrich Schulz. Breslau: Korn, S. 3–8.
Schulz, Friedrich (1793): Bemerkungen über deutsche poetische Uebersetzer und Uebersetzungen. In: ders.: Mikrologische Aufsätze. Königsberg: Nicolovius, S. 146–186.
Schulz, Friedrich (1797): Vorbericht. In: [Richardson, Samuel:] Clarisse in Berlin, oder Geschichte der Albertine von Seelhorst. Ein Lesebuch für deutsche Mädchen von Friedrich Schulz. Neue Auflage. Erster Theil. Berlin: Wever, S. III–XIV.
Schulz, Friedrich (1801): Vorerinnerung. In: [Marivaux, Pierre Carlet de Chamblain de:] Josephe. Von Friedrich Schulz. Neue Auflage. Mannheim, Bd. 1, S. 3–6.
Tgahrt, Reinhard (1982): Weltliteratur. Die Lust am Übersetzen im Jahrhundert Goethes. Marbach: Deutsche Schillergesellschaft.

Zitierweise

Schreiber, Michael: Joachim Christian Friedrich Schulz, 1762–1798. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 29. November 2023.
BeschreibungJoachim Christian Friedrich Schulz (1762–1798), Radierung von Gierle, 1791/1797. (LWL-Museum für Kunst und Kultur, Westfälisches Landesmuseum, Münster, /Porträtarchiv Diepenbroick; Inv.-Nr. C- 593022 PAD)
Datum10. Dezember 2024
Joachim Christian Friedrich Schulz (1762–1798), Radierung von Gierle, 1791/1797. (LWL-Museum für Kunst und Kultur, Westfälisches Landesmuseum, Münster, /Porträtarchiv Diepenbroick; Inv.-Nr. C- 593022 PAD)