Johann Joachim Christoph Bode, 1731–1793
Johann Joachim Christoph Bode gehört zu den wenigen Nur-Übersetzern des 18. und 19. Jahrhunderts, zu deren Leben und Werk sich Zeitgenossen vergleichsweise umfangreich geäußert haben. Dies mag daran liegen, dass Bode von der schreibenden Zunft als einer der ihren angesehen wurde. Gewiss sprach auch das späte 18. Jahrhundert schon von „eigenen und angeeigneten Geistesprodukten“ (Böttiger 1795: VIII) und man kannte einen Rangunterschied zwischen Schriftstellern und Übersetzern, aber über Bode hieß es:
Die besten Schriftsteller der Nation bekannten öffentlich, daß er zu ihnen gehöre; läugneten nie, dass der geistvolle Übersetzer von Sterne, Smollet, Fielding, Goldsmith, Clavigo, Marmontel, Montaigne die Originalität, womit er Brittischen Humor, Gallische Wohlredenheit und Guthmütigkeit, Spanischen Witz in ächt Deutsches Gewand zu kleiden wisse, auch auf eigene Geisteswerke stempeln, und sich zum ersten Range der Erfinder emporheben könne, während er freywillig in der zweyten, der Übersetzer, zurück träte. ([Böttiger] 1796: 9)
Anspielend auf Bodes Sterne-Übersetzung von 1768 (Yoricks empfindsame Reise) und mit einem Seitenhieb auf die „Originalzersetzer“ in den berüchtigten Übersetzungsmanufakturen rühmte der zum Halberstädter Dichterkreis gehörende Klamer Schmidt in Klopstock’schem Pathos den Verstorbenen (zit. nach Schlichtegroll 1798: 410f.):
Er geht zu dir nun, unser Bode! Empfang ihn, Yoriks Geist! Auch dein erbarmt’ er sich: Errettete vom Tode Der Uebersetzer dich! [...] Er ruht, das Ideal der Uebersetzer! Ihr fingerfertigen Originalzersetzer Für etwas Lausegold! Nichts wissende von Ruhm! Weg von des Grabes Heiligthum!
Ein Vierteljahrhundert später schreibt Johann Karl August Rese in seinem (konzisen, auch Kritik übenden und bibliographisch ergiebigen) Bode-Beitrag in der Allgemeinen Encyclopädie von Ersch und Gruber: „Durch meisterhafte Übersetzungen allein erwarb er sich einen Rang unter Teutschlands klassischen Schriftstellern“ (Rese 1823: 137). Und im Abschnitt zuvor heißt es: „Herder und Wieland betrauerten ihn in ihren Schriften, Böttiger widmete ihm eine eigne Denkschrift“ (ebd.: 136). Nimmt man noch die frühe Zusammenarbeit mit Lessing und Matthias Claudius hinzu sowie seine durch 25 Jahre sich erstreckenden, Goethe und viele andere Prominente einbeziehenden Aktivitäten als Freimaurer und Deutschlands führender Illuminat, so wird das Netzwerk deutlich, aus dem heraus der Ruhm des Übersetzers Bode als klassischer deutscher Schriftsteller entstand.
Dies geschah allerdings in jener Epoche, die mit dem Aufkommen der Genieästhetik das Originalitätsprimat immer stärker in den Vordergrund rückte. Schon 1825 finden sich erste kritische Bemerkungen, dass Bode keine wirklichen Originalwerke geschaffen habe. 1875 dann spricht Hermann Hettner in seinem für die Allgemeine Deutsche Biographie geschriebenen Artikel zwar noch von „feinsinnigen Uebersetzungen der englischen Humoristen […], deren Einfluß auf die deutsche Literatur“ und deren „Antheil an der Gefühlsvertiefung der sogenannten Sturm- und Drangperiode“ nicht zu bestreiten seien, aber im ersten Satz wird bereits klargestellt, dass Bode „weder in der Wissenschaft noch in der Dichtung von selbständiger Schöpferkraft (war)“ (Hettner 1875).1In seiner ab 1856 durch über hundert Jahre immer wieder aufgelegten Darstellung der Literatur der Goethezeit berichtet Hettner über den Einfluss der Romane von Goldsmith und Sterne auf die deutsche Romanproduktion („Auch Nachahmungen von Sternes Empfindsamer Reise wucherten üppig“; Hettner 1970: 290), aber der Name ihres wichtigsten Vermittlers kommt in diesem Werk nicht vor.
Weil Bode „nur“ übersetzt hat, wurde er von der germanistischen Literaturwissenschaft aus dem Kreis der erinnerungs- und erforschungswürdigen Höhenkamm-Autoren ausgeschieden. Eine monographische, über die Nachrufe von Böttiger (1795) und Schlichtegroll (1798) hinausgehende Gesamtdarstellung seines Lebens und Werks liegt nicht vor,2Noch bei Michelsen (1972: 53) heißt es, dass über Bode immer noch am besten Böttigers Aufsatz von 1795 informiere, „auf dem im wesentlichen alle späteren Darstellungen fußen.“ es gibt keine Edition seiner Briefe und keine Bibliographie seiner Publikationen. Sein Nachlass ist zerstreut.3Zum abenteuerlich anmutenden Verbleib des Bode-Nachlasses bzw. der „Schwedenkiste“ vgl. Michelsen (21972: 65f.), Endler (1990) und den Wikipedia-Eintrag „Schwedenkiste“. – Zahlreiche Bode-Briefe finden sich im Böttiger-Nachlass der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, für das Thema Übersetzen vermutlich aufschlussreiche Briefe an den Verleger Göschen im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Leipzig. Im 20. Jahrhundert wird sein Œuvre in den großen Standardwerken zur deutschen Literaturgeschichte entweder gar nicht erwähnt oder mit ein bis zwei Sätzen abgefertigt:
Von 1768 an übertrug er Sterne, Smollett, Goldsmith und Fielding, treu der Vorlage als einfühlender Vermittler des Empfindungsgehalts und der geistigen Atmosphäre. So ist Bode, Lessings Rat folgend, ein wirksamer Herold des englischen Geschmacks gewesen. (Newald 1957/1973: 147)
Seit Richardson waren englische Vorbilder maßgebend für die deutsche Romanentwicklung. Unter ihren Übersetzern ragt Johann Christoph Bode (1730–1793), Soldatensohn aus Braunschweig und Verleger der Hamburgischen Dramaturgie und des Wandsbeker Boten hervor. (Reuter 1979)
Auch wenn Bode seit langem nicht mehr zu „Teutschlands klassischen Schriftstellern“ gezählt und sein übersetzerisches Werk – anders als Vossens Homer oder Schlegels Shakespeare – nur noch von wenigen als wichtiger Bestandteil der deutschen Literatur gewürdigt wird, sind seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Reihe philologischer Spezialstudien zu einzelnen Übersetzungen entstanden, auf die hier – neben den Äußerungen seiner Zeitgenossen und den Darstellungen in älteren und neueren Sammelbiographien – zurückgegriffen wird. Als besonders ergiebig erweist sich dabei Karl August Böttigers ebenso umfang- wie materialreiche Schilderung von 1795, die – nebenbei bemerkt – als frühes Muster fundierter Übersetzer-Biographik studiert werden kann.4Mit Bodes Übersetzungen befassen sich: Wood 1895, Thayer 1905, Beam 1906, Wihan 1906, Krieg 1909, Bouillier 1933, Michelsen 1962/1972, von Katte 1970 und Tautz 2009; einen knappen Überblick zu Leben und Werk geben die Lexikonartikel von Kurt Schreinert (1955), Ritterhoff (1989) und Müller (22008), eine anschauliche Darstellung findet sich bei Tgahrt (1982), eine ausführlichere, das Biographische stark betonende bei Weber (1996: 50–68), die aus übersetzungswissenschaftlicher und bibliographischer Sicht ergiebigste bei Schneiders (1999).
* * *
Der am 12. Januar 1730 in Barum5Böttiger (1795: XXXVI) und ihm folgend die meisten Sammelbiographien (auch Goedeke 1859: 629 und Schreinert in der Neuen Deutschen Biographie 1955), nennen als Geburtsort Braunschweig und nennen Barum als jenes Dorf, in dem Bode seine Kindheit verbracht hat. „Barum, ein herzogl. Braunschweigisches Dorf im Amte Lichtenberg (nicht Lichtenstein)“ wird aber als Geburtsort bereits in der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 15. Februar 1796 (anonym) angegeben sowie bei Weber (1996), Müller (2008) und Engels (2006). (Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel) unter dem Namen Johann Conrad Urban Bode geborene Sohn eines Soldaten und späteren Tagelöhners wuchs in bildungsfernen ländlichen Verhältnissen auf. Eine weiterführende Schule konnte er nicht besuchen. Mit 14 Jahren wurde er zu einem Stadtmusikus nach Braunschweig in die Lehre gegeben. Anschließend verbrachte er etwa ein Jahrzehnt als Militärmusiker in Braunschweig und Celle. Für kürzere Zeit vom Soldatendienst beurlaubt fand er um 1750 in dem an der Universität Helmstedt lehrenden Johann Christoph Stockhausen einen Mentor, der seine musikalischen Anlagen förderte, ihm Unterricht im Englischen erteilte und ihm Vorbild in Fragen der „Briefstellerkunst“ war. Auch Kenntnisse im Französischen, Italienischen und ansatzweise Lateinischen hat Bode zunächst in Helmstedt, ab 1752 in Celle durch Unterstützung von Freunden bzw. im Selbststudium erworben.6Wie weit Bode es im Laufe der Jahre im Erlernen der Fremdsprachen gebracht hat, lässt in Ansätzen ein im Marbacher Weltliteratur-Katalog veröffentlichter Auszug aus seinem auf Französisch, Englisch, Italienisch und Deutsch geschriebenen Diarium von 1765 erkennen (Tgahrt 1982: 196). 1754 und 1756 debutierte er in Leipzig mit zwei Sammlungen von ihm komponierter Oden und Lieder (Rese 1823: 133).7Große Verbreitung scheinen die Sammlungen nicht gefunden zu haben, bereits Bodes Freund und erster Biograph Böttiger klagt (1795: XXXII), dass nirgendwo ein Exemplar des 1754 gedruckten Buches aufzutreiben sei.
Im weltoffenen Hamburg, wo er nach dem frühen Tod seiner Frau und seiner drei Kinder 1757 in angesehenen Familien als Musik- und Französischlehrer sein Auskommen finden konnte, erlernte er bei einem Schuhmacher, der mehrere Jahre in Bilbao gelebt hatte, das Spanische (Böttiger 1795: XLI), übersetzte Ende der 1750er Jahre für die Kochsche Theatertruppe englische, französische und italienische Stücke, trat 1761 der Freimaurerloge Absalom bei,8Über Bodes Freimaurer- und Illuminaten-Karriere berichtete umfangreicher erstmals Schlichtegroll (1798), auf Details kann hier nicht eingegangen werden. übersetzte Oratorien von Metastasio, redigierte den Hamburger unpartheyischen Korrespondenten, heiratete 1765 seine wohlhabende Klavierschülerin Simonetta Tamm (1766), kaufte mit dem geerbten Vermögen (ca. 16.000 Taler; Rese 1823: 133) eine Druckerei, die zu einer der besten Offizinen Deutschlands wurde, gründete 1767 mit Lessing die „Buchhandlung der Gelehrten“, eine Art Autorenverlag, der Schriftsteller vor unbefugtem Nachdruck schützen sollte, heiratete 1768 die kaufmännisch versierte Tochter des Buchhändlers und Verlegers Bohn, publizierte neben eigenen Übersetzungen u. a. Schriften von Klopstock, Lessing, Basedow, Herder und Goethe, von 1770–75 auch den von Matthias Claudius redigierten Wandsbecker Bothen. Der soziale Aufstieg war geschafft, Bode in das Handels- und Bildungsbürgertum der Hansestadt Hamburg integriert.
Gleich nach Erscheinen des Originals übersetzte Bode Laurence Sternes A Sentimental Journey Through France and Italy (1768). Bodes Empfindsamer Reise (so auf Anraten Lessings der Titel)9Nicht nur in Beiträgen zum Thema „Empfindsamkeit“ hält sich von Jacob Grimm (1862: 431) bis Achim Aurnhammer (2004: 107) die Auffassung, dass das Wort „empfindsam“ eine Neuprägung Lessings sei, als Übersetzung des englischen Neologismus „sentimental“. Als Beleg dient Bodes eigener Hinweis im Vorwort seiner Sterne-Übersetzung von 1768 (vgl. Bode 1986: 6). Tatsächlich findet sich „empfindsam“ bereits ein Jahrzehnt zuvor, z. B. in einem Brief von Luise Gottsched (vgl. Michelsen 1972: 67). war ein durchschlagender Erfolg beschieden, sie hat „auf das Publikum von 1768 wie ein Rauschgift gewirkt“ (Michelsen 1972: 69). Sie löste eine „Welle der Empfindsamkeit“ aus und trug maßgeblich bei zur „Absolutsetzung des Gefühls [und] seiner Inthronisierung als eine quasi-religiöse Instanz“ (ebd.: 70f.). Dank ihr auch wurde Bode zu dem gefragtesten Übersetzer zeitgenössischer „humoristischer“ englischer Romane. 1774 erschien in neun Bänden seine deutsche Version des Tristram Shandy
mit einer Subskriptionsliste, wie sie glänzender wohl kein anderes deutsches Literaturerzeugnis jemals hat aufweisen können: sie umfaßt über 600 Eintragungen, unter denen ein großer Teil der illustren Namen der Epoche zu finden ist. Außer der Kaiserin von Rußland (6 Exemplare) und anderen Fürstlichkeiten entdecken wir z. B.: Goethe, Hamann, Herder, Hippel, Wieland, Klopstock, Zimmermann, Matthias Claudius, F. H. Jacobi, Boie, Ekhof, Gerstenberg, Schummel, Betruch, Frl. von Göchhausen, Stolberg, Schröder, Seiler usw. (Auch ganze Kreise sind unter den Subskribenten vertreten, eine musikalische Gesellschaft in Petersburg, Freimaurer- und Lesegesellschaften; auffällig sind die vielen Namen aus Kurland). Das Werk findet noch in den 70er Jahren drei weitere Auflagen und mehrere Nachdrucke und bildet die Grundlage für fast jede weitere Bearbeitung bis heute. (Michelsen 1972: 52f.)
Michelsen folgt hier einer rezeptionsästhetischen Überlegung, die Böttiger bereits knapp 200 Jahre zuvor angestellt hatte. Um nämlich die „Erwartung“ des zeitgenössischen Publikums an Bodes Tristram-Übersetzung zu ermessen, müsse man „nur einen Blick auf das höchstansehnliche Subscribentenverzeichnis vor der ersten Ausgabe“ werfen (1795: LXXXII). Ebenso empfahl er, dass man sich auch mit der langfristigen Wirkung der Übersetzung befassen müsse: „[…] es verdiente eine eigene Untersuchung, wie viel auch diese Uebersetzung auf die Denkweise und Schreibart Einfluß gehabt, und welche Richtung sie dem deutschen Geschmack gegeben habe“ (ebd.: LXXXIV).
Außer Sternes Werken übersetzte Bode zwischen 1768 und 1778 Smolletts The Expedition of Humphrey Clinker, Goldsmiths The Vicar of Wakefield, mehrere englische Theaterstücke, Charles Burneys The Present State of Music in Germany, the Netherlands, and United Provinces, Auszüge aus der Londoner Wochenschrift The Adventurer sowie aus dem Französischen (nachdem Lessing die Übersetzungsarbeit abgebrochen hatte) Jean Georges Noverres Briefe über die Tanzkunst:
Die Uebersetzung war der vielen Kunstausdrücke wegen nichts weniger als leicht […] So mußte z. B. Bode für Noverres être jarreté und être arqué, womit er gewisse natürliche Fehler der Tänzer bezeichnet, eigene Worte im Deutschen prägen: Dachsbeinig und Säbelbeinig (S. 222). (Böttiger 1795: LXX)
Als weitere – in heutiger Terminologie – Fachübersetzung veröffentlichte Bode 1769 das ganz in die Bestrebungen der Volksaufklärung passende Werk Ueber die Landwirthschaft, oder verschiedene physikalische Versuche zum Nutzen der menschlichen Gesellschaft von Herrn Beardé de lʼAbbaye, den Bode selbst 1767 „im Bade zu Achen kennen“ gelernt und der ihm dann „ein Exemplar seines Buches zur Uebersetzung zugeschickt“ hatte (Böttiger 1795: LXXI). Das Werk sei zwar von der Kritik unbeachtet geblieben, aber es enthalte viele praktische Hinweise zur „ökonomischen Botanik […], die auch jetzt noch gelesen zu werden verdienen,“ urteilt Böttiger und verweist werbend auf eine „mit fühlbarer Wärme geschriebene Anmerkung Bodes“, in der er Ratschläge erteilt, wie in Hamburg der Tee- und Kaffeekonsum verringert „und dadurch dem Brauwesen wieder aufgeholfen werden könne“ (ebd.).
Seinen Namen verschwieg Bode in seinen Publikationen konsequent.10Auf eine einzige Ausnahme weist Wihan (1906: 163) hin: In der 1773 veröffentlichten, dem Hamburger Senatssyndikus und Komponisten Jakob Schuback gewidmeten Übersetzung von Charles Burneys The Present State of Music in Germany, the Netherlands and United Provinces nennt Bode seinen Namen. „Ja er gieng noch weiter. Er suchte sogar […] andere, deren Werke er in Verlag nahm, zu einer ähnlichen Selbstverleugnung zu überreden, und ließ überhaupt alle, die dieser papiernen Namenunsterblichkeit nachjagten, die ganze Schärfe seines Spottes fühlen“ (Böttiger 1795: IX). Zwar veröffentlichte Bode die von ihm geschriebenen Übersetzungen anonym, aber er notierte die Titel in einem „eigenhändigen Verzeichnis […], das sich unter den Bodischen Papieren nach seinem Tode gefunden hat“ (ebd.: XLII), so dass Böttiger ein detailreiches Bild seines translatorischen Œuvres zeichnen konnte.11U. a. auf Böttiger fußend erstellte Schneiders (1999: 122–126) die für weitere Untersuchungen sehr nützliche Liste Traductions de Bode avec les originaux correspondants.
Bodes Zeit in Hamburg endete, nachdem auch seine dritte Frau und die vier Kinder aus dieser Ehe verstorben waren. Er verkaufte Druckerei und Verlag und ging 1779 als Sekretär bzw. Geschäftsführer der Gräfin von Bernstorff (Witwe des dänischen Reformministers und Klopstock-Freundes) nach Weimar. In ihrem Stadtpalais, nur hundert Meter entfernt von Goethes Haus am Frauenplan, konnte er seine Arbeit als Übersetzer und einflussreicher Organisator freimaurerischer Aktivitäten „in der angenehmsten, und für seine literarische Thätigkeit wohlthätigsten Unabhängigkeit“ fortführen (Böttiger 1795: LXXXXIX). Als erstes erschienen 1779/80 vier Bände einer von ihm aus dem Englischen „verteutschten“ Wochenschrift (Die Welt), dann 1781 eine weitere „aus dem Spanischen des Herrn Joseph Clavigo y Faxardo“ übersetzte Wochenschrift (Der Denker). 1783 folgte in zwei Bänden die deutsche Version von Jean-François Marmontels Roman Les Incas über die Zerstörung von Peru. Unterbrochen durch seine einzige Auslandsreise (in Sachen Freimaurerei 1787 nach Paris; vgl. Bode 1994) erschien 1786 bis 1788 Bodes Geschichte des Thomas Jones, eines Findelkindes, eine Übersetzung, die auch von ihm wohlgesonnenen Zeitgenossen als misslungen bewertet wurde:
Der Hauptvorwurf, der dieser Uebersetzung im Ganzen gemacht werden kann, und auch wirklich gemacht worden ist, trifft den Yorikschen Ton, von welchem der Uebersetzer etwas zu viel zur Verdeutschung des Fieldingschen Meisterwerks mitgebracht hat. (Böttiger 1795: CIX)12Böttiger hat das Manuskript seiner Bode-Biographie Herder zur Durchsicht gegeben, der ihm im Mai 1795 u. a. schrieb: „Als Uebersetzer Tom Jones ist er vielleicht – ich will nicht sagen, zu strenge gehalten (denn die Vermischung des Yorikschen u. Fieldingschen Tons etc. ist klare Wahrheit) aber es ist dem Publicum etwas zu weitläufige Confidenz gemacht worden. Vielleicht ließe sich das peccatum noch etwas schonender vortragen“ (Herder 1982: 157).
Böttigers „Vorwurf lässt sich nicht rechtfertigen,“ heißt es hingegen am Schluss von Hans Kriegs Greifswalder Dissertation über J. J. Chr. Bode als Übersetzer des Tom Jones von H. Fiedling und:
Wir haben in Bode einen feinsinnigen, vielseitigen und routinierten Übersetzer kennen gelernt […] Sowohl seine philologische Einsicht in sprachliche Einzelheiten, wie seine künstlerisch grosszügige Auffassung des Originals verdienen Beachtung […] Bode erzielt durch die Derbheit und Urwüchsigkeit der Provinzialismen, die köstlichen, originellen Redensarten, den drastischen Humor in Flüchen und Ausrufen, Kontraste für seine Personencharakteristik, deren Trefflichkeit man am besten durch die eigene Lektüre der Bodeschen Übersetzungen erkennen kann. (Krieg 1909: 85)
Während seines Paris-Aufenthaltes erfuhr Bode auch vom Schicksal Henri Masers de Latude, der unschuldig eingekerkert war, und veröffentlichte die Geschichte einer 39jährigen Gefangenschaft in französischen Staatsgefängnissen / Geschrieben von dem Gefangenen selbst. Aus dem Französischen, welches den 8ten August dieses Jahrs in Paris zu verkaufen oder zu lesen scharf verboten war, so der Untertitel der 1787 bei Göschen veröffentlichten Übersetzung. Bodes Vorwort lässt in einzelnen Nebenbemerkungen erkennen, dass er die sozialen Spannungen, die sich zwei Jahre später in der Revolution entladen sollten, durchaus wahrgenommen hat, etwa wenn er die Wasserpump-Maschine von Marly am Schloss der Madame du Barry Geräusche machen lässt, „als ob eine Menge Menschen ängstlich seufzten“ (Böttiger 1795: CXXIXf.).
In Paris mag Bode auch seinen schon früher gehegten Plan bekräftigt haben, sein übersetzerisches Können für zwei Schwergewichte der französischen Literatur einzusetzen, für die Werke von Montaigne und Rabelais. Die Montaigne-Ausgabe von 1735 brachte er aus Paris mit, aber es dauerte mehrere Jahre, bis er tatsächlich sein übersetzerisches Spätwerk veröffentlichen konnte: Michel Montaigneʼs Gedanken und Meinungen über allerley Gegenstände (6 Bde. Berlin 1793–95, Nachdruck Prag 1797). Böttiger hat ausführlich geschildert, wie der Übersetzungsprozess konkret aussah:
Erst las er ein Kapitel in der alten Pariser Folioausgabe (bey Camusat 1735) langsam und mit angestrengter Meditation über den Ideengang seines Autors durch. Dann wandelte er in seinem geräumigen Zimmer auf und ab, und überdachte sich die ganze Ideenreihe nach einmal in seiner eigenen Manier. Diese Operation nannte er im Scherz wohl auch zuweilen das zweyte Gesicht der schottischen Hochländer. Nun griff er zur Feder, und übersetzte nach vorliegendem Original fast ohne inne zu halten – zu einzelnen schweren Ausdrücken und Wendungen ließ er Platz auf dem Papiere – das durchdachte Pensum. Dies war der erste Abdruck seines geistigen Bildungsgeschäftes, der auch selten bey den späteren Revisionen im Wesentlichen eine Veränderung erlitt. Nun ging es an die Ergänzung und Ausfüllung der Lücken, wobey er weder Anstrengung noch Zeitaufwand scheuete, und oft einige Stunden mit Forschen und Greifen nach dem passendsten Ausdruck zubringen konnte. Frisch war sein alter und unzertrennlicher Gefährte bey diesem Geschäfte. Selten befragte er das Bremische Wörterbuch, noch seltener den Adelung, weit häufiger einige ihm immer zur Seite liegende Idiotika. War die Arbeit bis soweit fertig, so ruhte sie oft mehrere Wochen bis zur letzten Revision, die aber, wenigstens bey den ersten Theilen dieser Uebersetzung, nichts weniger als oberflächlich und ohne neue Prüfungen und Versuche über einzelne Schwierigkeiten war. Gewöhnlich waren diese durch den Fortschritt des Werkes nun weit leichter zu heben. (Böttiger 1795: CXXXIIIf.)
„Seine Verdeutschung […] kann als eine der besten bis auf den heutigen Tag gelten,“ heißt es bei Kurt Schreinert noch 1955, aber schon 1949 hatte Hugo Friedrich Bodes Werk als ein „Monument, aber bezüglich Montaignes nicht zitierfähig“ bezeichnet. Herbert Lüthy, der eine eigene Montaigne-Ausgabe 1953 in der Manesse Bibliothek der Weltliteratur veröffentlicht hat, bestätigt Friedrichs Verdikt:
Sie [Bodes Übersetzung] geht so aufs Ungefähr neben dem halbverstandenen Text her und macht ihn so duzbrüderlich zum biederen deutschen Aufklärer mit närrisch archaisierendem Zöpfchen, daß von Geist und Stil Montaignes wenig übriggeblieben ist. (Zit. nach Stackelberg 1978: 55f.)
Dass Ralph-Rainer Wuthenow 1976 für seine im Insel-Verlag herausgegebene Montaigne-Auswahl Bodes Übersetzung in „revidierter Fassung“ vorlegte, hält Jürgen von Stackelberg (nach vom Original ausgehender Kontrastierung mehrerer deutscher Ausgaben) für keine glückliche Entscheidung, denn Bodes Übersetzung sei auch in Wuthenows revidierter Version „sprachlich […] von der Art, daß man sagen möchte: ohne Zuhilfenahme des Originals ist sie nicht zu verstehen!“ (ebd.: 59)
Nach den Essais von Montaigne wollte Bode die Rabelais-Übersetzung in Angriff nehmen, wozu „er sich schon das zeitechte Material in Gestalt der Werke Hans Sachsens und der Lutherschen Tischreden bereitgestellt hatte“ (Schreinert 1955: 349). Sein Tod am 13. Dezember 1793 verhinderte die Ausführung des Plans. Zwischen Cranach und Musäus wurde er auf der Südseite der Weimarer Jakobskirche bestattet. Über dem Grab steht ein Obelisk, auf dessen Schrifttafel es heißt:
Hier ruht / I. I. C. BODE / rastlos und muthig / beförderte er Wahrheit, / Aufklärung und Menschenwohl. // Freunde setzten ihm / dieses Denkmahl. / Dem Leser zur Erinnerung. / Für sie bedurfte es / keines. // MDCCLXXXXIII
* * *
Um zu einer verlässlichen Würdigung der ein Lebenswerk umfassenden übersetzerischen Arbeit Bodes zu gelangen, müsste das Material insgesamt neu gesichtet werden. Das kann für diesen Lexikon-Beitrag nicht geleistet werden. Hingewiesen werden kann auf Forschungsergebnisse, die sich aber meist nur auf einzelne Übersetzungen aus dem Englischen beziehen und dort oft nur auf die Roman-Übersetzungen. Die thematisch breiteste Untersuchung wurde von Josef Wihan 1906 in Prag vorgelegt. Er analysiert Bodes aus dem Englischen ins Deutsche gebrachte Werk, angefangen bei den frühen Hamburger Dramenübersetzungen (S. 7–54) über die deutschen Versionen der Romane von Sterne, Smollett, Goldsmith und Fielding mit einem „Zusatz“ auch zu Burneys Musikreise-Tagebuch (S. 54–170) bis zu den „belehrenden Unterhaltungsschriften“ Der Abenteurer und Die Welt (S. 170–191). Für die Werk-Geschichte konstruiert Wihan im Schlusskapitel eine Aufstieg-Niedergang-Kurve mit dem Höhepunkt in den Sturm-und-Drang-Jahren von 1768 bis 1780. Damals habe Lessing ihn „auf die ihm angemessene Bahn literarischen Wirkens gewiesen“, so dass sich Bodes „Kräfte in der rechten Weise entfalten“ konnten (ebd.: 191).
Wihans auf zahlreichen Einzelbeobachtungen basierenden, gut nachvollziehbaren Charakterisierungen der Bodeʼschen Übersetzungsverfahren münden in den auf klare Hierarchisierung bedachten Satz:
Bode gehört zu den hervorragendsten sprachschöpferischen Talenten; vor allem aber verraten seine neugebildeten Komposita seine Sprachgewalt; an poetischer Kraft des Ausdrucks kann er sich freilich nicht mit Goethe oder Luther messen. (Ebd.: 193f.)
Ausgehend von der Feststellung, „daß die deutsche Literatur in entscheidender Weise – in weit entscheidender als andere Literaturen – Übersetzungsliteratur war und ist“ (Michelsen 1972: 50), und daß – vor allem durch seine Sterne-Übersetzung – „Bodes Einfluß auf das geistige Leben Deutschlands als sehr groß angesehen werden (muß)“ (ebd.: 53), übt Peter Michelsen dann jedoch starke Kritik an den bisherigen Beiträgen zu Bode als Übersetzer, da sich das „Urteil der Forschung […] fast ausschließlich von der panegyrischen Rezension Wielands […] und der Bode-Biographie C. A. Böttigers abhängig gemacht“ habe. Wielands Behauptung von 1774 („Sternes Geist ist selbst auf Boden herabgestiegen“), Bodes „Sternheit“ also, müsse „entschieden angezweifelt werden“ (ebd.) und es müsse gefragt werden, „wieweit die Deutung, die er in seiner Eindeutschung vornimmt, wirklich dem Geist des Originals gerecht wird“ (ebd.: 54). Diese Frage wiederum versucht Michelsen nicht durch Blick auf „Übersetzungsfehler“ zu klären, sondern indem er (durch Gegenüberstellung von „Proben des englischen Originaltextes“ mit Bodes und zwei weiteren deutschen Übersetzungen) „die stilistischen Unterschiede und, aus dieser Perspektive, die Nähe oder Ferne zum Original kennenzulernen“ versucht (ebd.: 55). Michelsens, durch zahlreiche Beispiele untermauerte Urteile sind eindeutig:
Bode geht das Gefühl für das Gezügelte, die Zurückhaltung, die der Sternschen Sprache bei aller scheinbaren Ungezwungenheit und Sprunghaftigkeit eignet, durchaus ab. Sternes Ausdruck ist stets angemessen; Bode kann kein Maß halten, unbedingt möchte er Sterne überbieten. (Ebd.: 59)
[D]ie kraftvolle Einfachheit Sternes (wird) in ungeschlachte Familiarität verwandelt; aus Welt wird Provinz. Bode hat mit systematischer Kleinarbeit alles getan, um den Roman [Tristram Shandy] in seiner Art zu „verbessern“, in Wahrheit aber dem Geist Sternes zu entfremden.
Sieht man diese beträchtlichen Vergröberungen der Bodeschen Arbeit gegenüber seinem Original, so neigt man dazu, es ernsthaft zu bedauern, daß ein so großes Übersetzungstalent […] seine ganze Arbeitskraft dem verfehlten Unterfangen einer ‚originellen‘ Übersetzung gewidmet hatte, und daß er, durch das Lob, das ihm von allen Seiten entgegen kam, in seiner Richtung bestärkt, später in seinen Smollet- und Fieldingübersetzungen seine Manier noch steigerte. (Ebd.: 61)
Zusätzliche moralische Schärfe gewinnt Michelsens Kritik an Bodes übersetzerischem Handeln durch den Hinweis, dass Bode in seiner Übersetzung der – 1769, kurz nach Sternes Tod erschienenen und nicht von ihm selbst geschriebenen – Fortsetzung der Sentimental Journey seine deutschen Leser über die Autorschaft dieses Textes bewusst getäuscht habe (ebd.: 102f.).
Yorricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien, nebst einer Fortsetzung von Freundeshand hat Hans Magnus Enzensberger 1986 als Band 18 seiner Anderen Bibliothek erneut veröffentlicht. Diese Ausgabe „folgt in Wort und Schreibung der vierten Auflage von Bodes Übersetzung, die 1776 und 1777 in vier Bänden bei Johann Heinrich Cramer in Bremen erschienen ist“ (Sterne/Bode 1986: 431). Diese Ausgabe verzichtet auf jede Art von „Textverbesserung“, sogar „Inkonsequenzen in Orthographie und Zeichensetzung“ sowie die „von heutigem Gebrauch teilweise abweichende Schreibung der französischen Passagen“ wurden beibehalten (ebd.: 408).13Ähnlich verfährt 1957 Wolfgang Clemen in seiner für die Reihe Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft herausgegebenen Ausgabe der Empfindsamen Reise, bei der es sich um die „nur leicht überarbeitete Übersetzung von J. J. Bode“ handelt: „Die Orthographie […] wurde der heutigen Schreibung angeglichen, einzelne heute schwerverständliche antiquierte Worte wurden ausgewechselt.“ (Sterne/Bode 1957: 140). Ein solches editorisches Verfahren ist, zumindest was Romane betrifft, bisher nur für Originalwerke der Höhenkammliteratur vorgesehen. Dadurch, dass Enzensberger dieses Verfahren auf eine Übersetzung anwendet, rückt er auch deren Verfasser Bode in einen Rang, der ihm vor 200 Jahren schon einmal zugesprochen worden war.
Anmerkungen
- 1In seiner ab 1856 durch über hundert Jahre immer wieder aufgelegten Darstellung der Literatur der Goethezeit berichtet Hettner über den Einfluss der Romane von Goldsmith und Sterne auf die deutsche Romanproduktion („Auch Nachahmungen von Sternes Empfindsamer Reise wucherten üppig“; Hettner 1970: 290), aber der Name ihres wichtigsten Vermittlers kommt in diesem Werk nicht vor.
- 2Noch bei Michelsen (1972: 53) heißt es, dass über Bode immer noch am besten Böttigers Aufsatz von 1795 informiere, „auf dem im wesentlichen alle späteren Darstellungen fußen.“
- 3Zum abenteuerlich anmutenden Verbleib des Bode-Nachlasses bzw. der „Schwedenkiste“ vgl. Michelsen (21972: 65f.), Endler (1990) und den Wikipedia-Eintrag „Schwedenkiste“. – Zahlreiche Bode-Briefe finden sich im Böttiger-Nachlass der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, für das Thema Übersetzen vermutlich aufschlussreiche Briefe an den Verleger Göschen im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Leipzig.
- 4Mit Bodes Übersetzungen befassen sich: Wood 1895, Thayer 1905, Beam 1906, Wihan 1906, Krieg 1909, Bouillier 1933, Michelsen 1962/1972, von Katte 1970 und Tautz 2009; einen knappen Überblick zu Leben und Werk geben die Lexikonartikel von Kurt Schreinert (1955), Ritterhoff (1989) und Müller (22008), eine anschauliche Darstellung findet sich bei Tgahrt (1982), eine ausführlichere, das Biographische stark betonende bei Weber (1996: 50–68), die aus übersetzungswissenschaftlicher und bibliographischer Sicht ergiebigste bei Schneiders (1999).
- 5Böttiger (1795: XXXVI) und ihm folgend die meisten Sammelbiographien (auch Goedeke 1859: 629 und Schreinert in der Neuen Deutschen Biographie 1955), nennen als Geburtsort Braunschweig und nennen Barum als jenes Dorf, in dem Bode seine Kindheit verbracht hat. „Barum, ein herzogl. Braunschweigisches Dorf im Amte Lichtenberg (nicht Lichtenstein)“ wird aber als Geburtsort bereits in der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 15. Februar 1796 (anonym) angegeben sowie bei Weber (1996), Müller (2008) und Engels (2006).
- 6Wie weit Bode es im Laufe der Jahre im Erlernen der Fremdsprachen gebracht hat, lässt in Ansätzen ein im Marbacher Weltliteratur-Katalog veröffentlichter Auszug aus seinem auf Französisch, Englisch, Italienisch und Deutsch geschriebenen Diarium von 1765 erkennen (Tgahrt 1982: 196).
- 7Große Verbreitung scheinen die Sammlungen nicht gefunden zu haben, bereits Bodes Freund und erster Biograph Böttiger klagt (1795: XXXII), dass nirgendwo ein Exemplar des 1754 gedruckten Buches aufzutreiben sei.
- 8Über Bodes Freimaurer- und Illuminaten-Karriere berichtete umfangreicher erstmals Schlichtegroll (1798), auf Details kann hier nicht eingegangen werden.
- 9Nicht nur in Beiträgen zum Thema „Empfindsamkeit“ hält sich von Jacob Grimm (1862: 431) bis Achim Aurnhammer (2004: 107) die Auffassung, dass das Wort „empfindsam“ eine Neuprägung Lessings sei, als Übersetzung des englischen Neologismus „sentimental“. Als Beleg dient Bodes eigener Hinweis im Vorwort seiner Sterne-Übersetzung von 1768 (vgl. Bode 1986: 6). Tatsächlich findet sich „empfindsam“ bereits ein Jahrzehnt zuvor, z. B. in einem Brief von Luise Gottsched (vgl. Michelsen 1972: 67).
- 10Auf eine einzige Ausnahme weist Wihan (1906: 163) hin: In der 1773 veröffentlichten, dem Hamburger Senatssyndikus und Komponisten Jakob Schuback gewidmeten Übersetzung von Charles Burneys The Present State of Music in Germany, the Netherlands and United Provinces nennt Bode seinen Namen.
- 11U. a. auf Böttiger fußend erstellte Schneiders (1999: 122–126) die für weitere Untersuchungen sehr nützliche Liste Traductions de Bode avec les originaux correspondants.
- 12Böttiger hat das Manuskript seiner Bode-Biographie Herder zur Durchsicht gegeben, der ihm im Mai 1795 u. a. schrieb: „Als Uebersetzer Tom Jones ist er vielleicht – ich will nicht sagen, zu strenge gehalten (denn die Vermischung des Yorikschen u. Fieldingschen Tons etc. ist klare Wahrheit) aber es ist dem Publicum etwas zu weitläufige Confidenz gemacht worden. Vielleicht ließe sich das peccatum noch etwas schonender vortragen“ (Herder 1982: 157).
- 13Ähnlich verfährt 1957 Wolfgang Clemen in seiner für die Reihe Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft herausgegebenen Ausgabe der Empfindsamen Reise, bei der es sich um die „nur leicht überarbeitete Übersetzung von J. J. Bode“ handelt: „Die Orthographie […] wurde der heutigen Schreibung angeglichen, einzelne heute schwerverständliche antiquierte Worte wurden ausgewechselt.“ (Sterne/Bode 1957: 140).