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Alfred Franzkeit, 1921–2013

29. Oktober 1921 Königsberg (Deutsches Reich) - 6. März 2013 Sulingen (Bundesrepublik Deutschland)
Original- und Ausgangssprache(n)
Lettisch, Litauisch, Russisch

Als Alfred Franzkeit 2013 im norddeutschen Sulingen verstorben war, erschienen in litauischen Periodica mehrere Nachrufe. In Deutschland ist er fast gänzlich unbekannt, obwohl kein anderer so viele litauische Texte ins Deutsche gebracht hat wie er. Leben und Werk von Franzkeit haben 2022 im 30. und letzten Jahrgang der Annaberger Annalen eine umfangreiche Darstellung durch die Greifswalder Baltistin Alina Baravykaitė erhalten. Auf diesem Beitrag beruht das folgende Biogramm.

Lebensstationen

Alfred Herbert Franzkeit wurde 1921 als erstes von zwei Kindern des Eheparrs Gustav und Helena Franzkeit in Königsberg geboren. Die Familie lebte bis 1941 in Litauen. In Kaunas ging Alfred Franzkeit auf deutsch- und litauischsprachige Schulen. Nach Inkrafttreten des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrags einschließlich des Vertraulichen Protokolls zur Übersiedlung von Reichs- und Volksdeutschen sowie dem erzwungenen Anschluss Litauens an die Sowjetunion gelangte die Familie mit dem ersten Transport der sog. Vertragsumsiedler ins Soldauer Gebiet, das von 1919 bis 1939 zu Polen gehört hatte. Sein Abitur machte Alfred Franzkeit in Berlin. Er wurde Wehrmachtssoldat (Leutnant und Kompaniefüher) und geriet 1945 in amerikanische Gefangenschaft. 1946 begann er in Erlangen mit dem Studium der evangelischen Theologie, setzte es 1949 in Münster fort. Nach Abschluss der theologischen Ausbildung arbeitete er als Pastor von 1952 bis zu seiner Pensionierung 1984 im Kinder- und Jugenderziehungsheim Diakonie Freistatt.1Die Einrichtung gelangte wegen ihrer drakonischen „schwarzen Pädagogik“ ab den späten 1960er Jahren in die Kritik, vgl. den Film Freistatt (2015) sowie einschlägige Quellen (Franzkeit 1974) und Forschungsliteratur (Benad u.a. 2011, Frölich 2012: 371–374). Er wohnte mit seiner fünfköpfigen Familie in Wehrbleck bei Freistatt, ab 1996 in nahe gelegenen Sulingen, wo er in einer Seniorenresidenz 2013 starb.

Translatorisches

In seiner Freizeit und noch verstärkt nach seiner Pensionierung engagierte sich Franzkeit im Kontext deutsch-litauischer Beziehungen. Von 1964 bis 2006 war er alleiniger Redakteur des von der Landsmannschaft der Deutschen in Litauen herausgegebenen Jahrbuchs Heimatgruß. Er unterstützte das private Litauische Gymnasium in Lampertheim-Hüttenfeld und besuchte nach 1988 regelmäßig sein Geburtsland Litauen.

In der Familie Franzkeit wurde Deutsch gesprochen, aber Alfred Franzkeit erlernte das Litauische so gut, dass er am Litauischen Gymnasium in Kaunas Klassenbester im Fach Litauisch gewesen sein soll (Baravykaitė 2022: 177). Gedichte schrieb er später in beiden Sprachen, in den 1990er und 2000er Jahren erschienen seine litauischen Gedichte u.a. in den Anthololgien Poezijos pavasaris. 1992 wurde er Mitglied im Litauischen Schriftstellerverband. Seine erste buchförmige Übersetzung erschien 1984 im Schweizer Christiana-Verlag, es handelte sich um die von Simas Sužiedélis geschriebene Biographie des Heiligen Casimir (1458–1484), des Schutzpatrons von Litauen. Hauptsächlich betätigte sich Franzkeit allerdings nicht als Übersetzer religiöser Sachbücher,2Als weiterer Titel findet sich eine Broschüre über den litauischen Wallfahrtsort: Der Kreuzberg – einzigartiges Zeugnis des leidenden Volkes (1986) sondern als Nachdichter litauischer Lyrik. Denn – so formulierte er es 1990 in der Vorbemerkung zu seiner Maironis-Ausgabe – „die Regungen eines Dichterherzens vermögen auch über die Sprachbarrieren andere Herzen zum Mitschwingen anzuregen“ (zit. n. Baravykaitė 2022: 178).

Im bundesdeutschen Literaturbetrieb ist weder der Lyriker noch der Lyrik-Übersetzer Franzkeit wahrgenommen worden. Ob er seine Texte Literaturverlagen, Literaturzeitschriften oder Rundfunkanstalten angeboten hat, kann ich nicht sagen. Zwei Gedichtbände (von Baranauskas und Maironis) erschienen 1987 und 1990 im auf Publikationen aus bzw. über die ehemaligen deutschen Ostgebiete spezialisierten Gerhard Rautenberg-Verlag in Leer/Ostfriesland. Vier weitere Bücher brachte Franzkeit im Wehrblecker bzw. Sulinger Selbstverlag heraus. Über seine 144 Seiten starke Anthologie Aus dem Rautengärtchen. Dichterinnen aus Litauen (2002) hieß es in einer Kurzrezension:

Das Bändchen vereinigt Gedichte litauischer Dichterinnen. Es ist eine bunte Sammlung von ca. 140 Gedichten aus dem 20. Jahrhundert, wobei sie weder chronologisch, noch nach den Namen der Dichterinnen alphabetisch, noch irgendwie inhaltlich gegliedert sind. Alfred Franzkeit ist bekannt als ein guter Übersetzer, der selbst Gedichte schreibt. Die Sammlung kann beim Übersetzer bezogen werden (Hindenburgstr. 26, 27232 Sulingen). (Nikolajew 2003)

Kurz vor seinem Tod vermachte er 2012 dem Institut für Baltistik der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

4356 eigenübersetzte Gedichte von insgesamt 369 Schriftstellern. Aus diesen Übersetzungen entsteht nun allmählich eine digitale Franzkeit-Edition. Nach dem heutigen Stand sind es Texte von 364 litauischen Schriftstellern. Je ein Gedicht stammt aus der Feder eines russischen und estnischen Autors, zwei Gedichte wurden von lettischen Autoren verfasst. Hinzu kommt ein Gedicht von Alfred Franzkeit selbst. 18 Texte konnten noch keinem Autor zugeordnet werden und weitere 192 fallen unter die Kategorie „Volks- und geistliche Lieder“. Der übersetzerische Nachlass von Franzkeit bietet ein sehr breites Spektrum litauischer Lyrik von etwa 1850 bis heute mit all ihrer ästhetischen und thematischen Vielfalt. Sowohl anerkannte Klassiker als auch unbekannte Namen erhalten hier ihren literarischen Platz. Große qualitative und quantitative Unterschiede zwischen Originaltexten lassen allerdings kaum Rückschlüsse auf deren Auswahlkriterien zu. (Baravykaitė 2022: 179)

Von der von Stephan Kessler verantworteten Greifswalder Franzkeit-Edition (Digitalisierung seiner Schreibmaschinenmanuskripte plus biobibliographische und auch übersetzungskritische Kommentare der Herausgeber) sind inzwischen (Januar 2023) acht Bände erschienen, die als elektronische Publikationen der Greifswalder Universitätsbibliothek kostenfrei eingesehen werden können. Insgesamt wird es die Lyrik-Edition auf ca. 150 Bände mit je ca. 30 Gedicht-Übersetzungen bringen. Ob der litauischen Poesie damit neue Leser auch jenseits der heimtverbundenen deutsch-litauischen Gemeinschaft bzw. der baltistischen Fachkreise gewonnen werden, bleibt abzuwarten.

Anmerkungen

  • 1
    Die Einrichtung gelangte wegen ihrer drakonischen „schwarzen Pädagogik“ ab den späten 1960er Jahren in die Kritik, vgl. den Film Freistatt (2015) sowie einschlägige Quellen (Franzkeit 1974) und Forschungsliteratur (Benad u.a. 2011, Frölich 2012: 371–374).
  • 2
    Als weiterer Titel findet sich eine Broschüre über den litauischen Wallfahrtsort: Der Kreuzberg – einzigartiges Zeugnis des leidenden Volkes (1986)

Quellen

Alfredas Franckaitis [Lexikonartikel]. In: Vikipedija Laisvoji enciklopedija. (Aufruf: 1. Januar 2023).
Baravykaitė, Alina (2022): Alfred Franzkeit – Übersetzer litauischer Lyrik. In: Annaberger Annalen über Litauen und deutsch-litauische Beziehungen Jg. 30 (2022), S.172–189.
Benad, Matthias / Schmuhl, Hans-Walter / Stockhecke, Kerstin (2011): Endstation Freistatt. Fürsorgeerziehung in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel bis in die 1970er Jahre. 2. Aufl. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte.
Franzkeit, Alfred (1974): Freistatt 1899–1974. Hrsg. von der Anstalt Freistatt im Verband der Anstalt Bethel. Zusammengestellt unter Mitarbeit der Heim- und Abteilungsleiter von Alfred Franzkeit. Fotos: Vincent Böckstiegel. Freistatt: o.V.. (36 S., Broschüre mit zahlreichen Abbildungen).
Frölich, Matthias (Hg.) (2012): Quellen zur Geschichte der Heimerziehung in Westfalen 1945-1980. Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh.
Nikolajew, Christina Juditha (2003): (Rezension zu:) Aus dem Rautengärtchen. Dichterinnen aus Litauen. Von Alfred Franzkeit ins Deutsche übertragen. Sulingen 2002. 144 S. In: Annaberger Annalen über Litauen und deutsch-litauische Beziehungen Jg. 11 (2003), S.327.

Archiv

Nachlass: Durch Schenkung 2012 an das Institut für Baltistik der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.

Zitierweise

Kelletat, Andreas F.: Alfred Franzkeit, 1921–2013. In: Germersheimer Übersetzerlexikon UeLEX (online), 1. Januar 2023.

Bibliographie (Auszug)

Übersetzungen (Buchform)

Originalwerke

Detaillierte Bibliographie