Eugen Helmlé, 1927–2000
Eugen Helmlé war einer der verwegensten und besessensten Übersetzer seiner Zunft, der an die 150 Bücher übersetzt hat und in ganz besonderer Weise Georges Perec verbunden war, dem herausragenden französischen Autor des 1960 gegründeten Oulipo-Kreises, der gemeinsam mit seinem Übersetzer Helmlé neue formale Wege der Literaturproduktion beschritt.
Eugen Helmlé wurde am 7. (9.?) September 1927 in Ensdorf (Saar) geboren und starb am 27. September 2000 in Sulzbach (Saar). Nach einem Studium der Romanistik an der Universität des Saarlandes arbeitete er von 1960 an als Übersetzer, war aber gleichzeitig von 1970 bis 1982 als Lehrbeauftragter für das Fach Spanisch an der Universität Saarbrücken tätig. Helmlé war ein ganz besonders produktiver Übersetzer, der einen ausgesprochenen Sinn für Qualität hatte und sich seine Autoren sehr wohl aussuchte. Die Liste seiner Übersetzungen umfasst mehr als 150 Titel, gespickt mit großen Namen der französischen und spanischen Literatur des 20. Jahrhunderts, darunter Boris Vian, René de Obaldia oder Georges Simenon und Yasmina Reza. Einen Namen gemacht hat er sich aber vor allem als Übersetzer der experimentellen Literatur französischer Oulipo-Autoren (Oulipo=Ouvroir de littérature potentielle), zu denen neben Raymond Queneau und Jacques Roubaud insbesondere Georges Perec zählt.1Die Ergebnisse des Oulipo-Kreises sind dokumentiert in den Sammlungen La littérature potentielle (1973) sowie Atlas de la littérature potentielle (1981). Daneben ist La Bibliothèque oulipienne zu erwähnen, die zunächst bei Seghers und später bei Castor Astral erschien. Diese Literatur, die einer übersetzerischen Aneignung maximalen Widerstand entgegensetzt und daher bisweilen als geradezu unübersetzbar gilt, verdankt ihre Bekanntheit in Deutschland zu einem großen Teil dem unermüdlichen Engagement Helmlés, der sich ihre Vermittlung gewissermaßen zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat.
Was Helmlé von Anfang an auszeichnete, war ein eigenes literarisches Interesse und eine literarische Kreativität, die das Übersetzen gerade nicht als vornehmlich reproduktiven Akt versteht, sondern als Teil eines eigenen literarischen Projekts. Von daher kann es nicht erstaunen, dass er bereits früh als eigenständiger Autor ernst genommen wurde und Aufnahme als Régent ins Collège de Pataphysique fand. Und so kommt es auch, dass mit Helmlé vermutlich erstmalig im deutschen Sprachraum ein Übersetzer einen Literaturpreis erhielt. Im Jahre 1972 wurde ihm der Kunstpreis des Saarlandes verliehen.
Bereits ganz am Anfang von Helmlés übersetzerischer Karriere stehen mit Raymond Queneaus Zazie dans le Metro (Zazie in der Metro) und den Exercices de style (Stilübungen) zwei Texte, die der späteren Oulipo-Literatur mit ihren vielfältigen poetischen Zwängen (Contraintes) in besonderer Weise wesensverwandt sind und die entsprechend ein ähnliches Schwierigkeitsprofil aufweisen.2Zur Übersetzung von Queneaus Zazie dans le metro vgl. Plard (1985), Wodsack (1994).
Eine besondere Stellung in Helmlés übersetzerischem Werk nehmen aber die oulipistischen Übersetzungen im eigentlichen Sinne und hier vor allem seine Perec-Übersetzungen ein. Helmlé wurde über den Oulipo-Gründer Queneau auf den jungen Perec aufmerksam und bemühte sich früh um einen Kontakt zu ihm. Allerdings gestaltete sich dies als schwierig, weil Perec als Kind jüdischer Eltern, die im Krieg bzw. im Holocaust Opfer des Nationalsozialismus geworden waren, ein extrem belastetes Verhältnis zu Deutschland hatte. Helmlé, der auch andere jüdische Autoren der Holocaust-Generation (wie z. B. Max Aub, Robert Antelme, Albert Cohen, Armand Gatti, Georges Arthur Goldschmidt) übersetzt hat, konnte Perec aber davon überzeugen, dass er der geeignete Übersetzer seiner Werke sei. Aus der Korrespondenz zwischen beiden geht hervor, wie sehr Helmlé seine Tätigkeit als übersetzerisches Handeln in einem umfassenden Sinne betrachtete. Bis zu Perecs frühem Tod (1982) hat er sich bei deutschen Verlagen für dessen Werke eingesetzt, hat für ihn mit Tat und Wort geworben3Davon zeugt unter anderem auch ein Aufsatz in der Zeitschrift Akzente (Helmlé 1987)., war also nicht nur Übersetzer, sondern zugleich Anreger, Vermittler und Literaturagent.
Vor allem kann er Perec für eine fruchtbare Zusammenarbeit im saarländischen Rundfunk gewinnen, wozu er ihn zu einer Reihe von Treffen nach Deutschland einlädt (vgl. Bellos 1991). Hier triff der Oulipo-Kreis auf den Kreis um den Stuttgarter Medientheoretiker und Medienästhetiker Max Bense. Bense, der bis in die 70er Jahre einer der originellsten und produktivsten Medientheoretiker Deutschlands war, hatte bereits Anfang der 60er Jahre vergeblich versucht, mit dem Oulipo-Kreis in Kontakt zu kommen. Insofern Helmlé diesen Kontakt zumindest auf indirektem Wege herstellte, avancierte er zu einem wichtigen Bindeglied zwischen der experimentellen Literatur der 60er und 70er Jahre in Frankreich und Deutschland.
Während Perec für Helmlés Werk unzweifelhaft eine besondere Bedeutung hatte, so gilt auch umgekehrt, dass der Übersetzer seinen Autor in vielfältiger Weise inspirierte. Das besondere Verhältnis zwischen Perec und Helmlé ist mehrfach gewürdigt worden (Schock 2012a, 2012b) und durch die Publikation ihrer Korrespondenz (Schock Hg. 2015) sehr gut dokumentiert. Der Herausgeber Ralph Schock hat es im Nachwort des entsprechenden Bandes prägnant zusammengefasst:
Die Freundschaft zwischen Georges Perec und Eugen Helmlé dürfte eine der fruchtbarsten Arbeitsbeziehungen gewesen sein, die es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen einem französischen Autor und seinem deutschen Übersetzer gegeben hat. Nicht nur hat „sein“ Übersetzer nahezu das literarische Gesamtwerk Perecs kongenial übertragen. Beide fanden auch zu gleichberechtigter Teamarbeit zusammen, etwa bei den beiden nur auf Deutsch vorliegenden SR-Hörspielen [gemeint sind die vom Saarländischen Rundfunk (SR) produzierten Stücke Die Maschine sowie Tagstimmen]. (Schock 2015: 367-368)
Anhand ihrer Korrespondenz kann man im Detail nachvollziehen, wie Perecs bekannteste Hörspielprojekte Die Maschine (1968) und Tagstimmen (1971) in persönlichen Arbeitssitzungen mit dem Übersetzer entwickelt wurden und dabei weitgehend ohne eine textuelle französische Vorlage auskamen. Die deutsche Version Helmlés bildet gewissermaßen den Originaltext. Von daher war es nur konsequent, dass Helmlé als Koautor der Tagstimmen firmierte, als das Stück 1971 für den Hörspielpreis der Kriegsblinden nominiert wurde. Obwohl Perec im Jahr 2017 mit der Veröffentlichung seiner Werke in der höchst exklusiven Edition de la Pléiade seinen definitiven Adelsschlag als Klassiker der französischen Literatur erfuhr, existieren beide für Perecs Werk so wichtigen Stücke bis heute nicht in einer französischen Version.
Dass hier ein Oulipo-Schriftsteller und ein Übersetzer aufs Engste zusammenarbeiten, ist auch deshalb von Interesse, weil bereits im Oulipo-Kompendium Atlas de la littérature potentielle von 1981 die Praxis des Übersetzens in unterschiedlichen Formen als oulipistische Praxis präsentiert wird. In einem Traductions betitelten Kapitel (chapitre III.1) des Atlas (1981: 143) heißt es:
Il s’agira ici surtout de traduire des textes à l’intérieur d’une même langue. En effet, on peut considérer que, dans son acception courante, la traduction n’est qu’un cas particulier du procédé qui consiste à remplacer un énoncé par un autre en opérant une substitution essentiellement lexicale affectant le moins possible les autres composantes. Mais il n’est nul besoin de s’en tenir là. Rien n’interdit d’opérer des substitutions qui portent sur les éléments habituellement modifiés. Ainsi on peut mettre en jeu des éléments tels que le son, le sens, la syntaxe et même le genre littéraire.
Es geht dabei vor allem darum, Texte innerhalb ein und derselben Sprache zu übersetzen. Tatsächlich kann man feststellen, dass die Übersetzung gewöhnlich nur ein Sonderfall eines Verfahrens ist, welches darin besteht, eine Äußerung durch eine andere zu ersetzen, durch eine größtenteils lexikalische Substitution, während die anderen Komponenten weitgehend unangetastet bleiben. Doch damit muss man sich nicht zufrieden geben. Nichts verbietet einem, Substitutionen vorzunehmen, die gewohnheitsgemäß vordefinierte Elemente betreffen. Das wäre zum Beispiel bei Elementen wie dem Ton, dem Sinn, der Syntax und sogar dem literarischen Genre der Fall. (Übers. von Theresa Heyer)
Demnach wären zahlreiche Texte Perecs bereits Übersetzungen in diesem weiten Sinne. Schon im Februar 1973 publiziert Perec in einem Themenheft der Zeitschrift Change (Transformer, traduire) einen Text mit dem Titel Microtraductions, 15 variations discrètes sur un poème connu, der spielerische Variationen des Verlaine-Gedichts Chanson de Gaspard Hauser präsentiert. Es zeigt sich, wie sehr Perec selbst seine schriftstellerische Praxis als eine Form des intralingualen Übersetzens begriffen hat.
Das gilt in besonderer Weise für die beiden oulipistischen Hauptwerke Perecs, die in mancher Hinsicht auch die Höhepunkte in Helmlés übersetzerischem Schaffen bilden. Die Rede ist von Perecs bedeutendsten Roman Das Leben, in dem fast jedes Romandetail durch einen poetischen Zwang, eine Contrainte, determiniert ist, es gilt aber auch für jenen Roman, mit dem Perec das oulipistische Programm zu seinem ersten literarischen Höhepunkt führt: La disparition.4Die Frage der Übersetzung von Perecs Werken ins Deutsche behandelt in einem umfangreichen Kapitel Ariane Steiner (2001).
Der Roman La disparition ist ein Lipogramm, in dem nicht etwa auf irgendeinen beliebigen Buchstaben des Alphabets verzichtet wird, sondern auf denjenigen Buchstaben, der in der französischen Sprache am häufigsten vorkommt, nämlich das „e“. Sind die Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens bereits in der Ausgangssprache groß, so gilt dies umso mehr für das Deutsche. Die poetischen Zwänge sind so komplex, dass die Texte an die Grenzen ihrer interlingualen Übersetzbarkeit geraten. Denn nicht nur verlangen die meisten Konjugationsformen im Deutschen ein „e“, ein „e“ enthalten auch der männliche und der weibliche Artikel und fast alle Pluralendungen. Angesichts dieser Schwierigkeiten war selbst Perec zunächst der Meinung, dass man den Roman ohne lipogrammatischen Zwang übersetzen sollte.5Obwohl oder gerade weil die Schwierigkeiten einer Übersetzung der Disparition so groß sind, hat dieser Text im Anschluss an die Glanztat Helmlés auch Übersetzungen in zahlreiche weitere Sprachen erfahren (Englisch, Spanisch, Russisch, Schwedisch, Japanisch). Diese Übersetzungen sind wiederholt zum Gegenstand translatologischen Interesses geworden (vgl. Bloomfield 2011). Hinzu kommt, dass die skizzierte Dimension intralingualer Übersetzung auch in La Disparition eine strukturbildende Funktion hat. So gibt es im Roman neben lipogrammatischen Paraphrasen berühmter Klassiker der Weltliteratur (vgl. Gipper 2011) beispielsweise eine ganze Serie von berühmten französischen Gedichten, die Perec einer lipogrammatischen Übersetzung unterwirft. Das Beispiel der lipogrammatischen Übersetzungen eines berühmten Rimbaud-Gedichtes mag die Schwierigkeiten und speziellen Effekte einer solchen Doppelübersetzung verdeutlichen:
Voyelles
A noir, E blanc, I rouge, U vert, O bleu : voyelles,
Je dirai quelque jour vos naissances latentes :
A, noir corset velu des mouches éclatantes
Qui bombinent autour des puanteurs cruelles,
Golfes d'ombre ; E, candeurs des vapeurs et des tentes,
Lances des glaciers fiers, rois blancs, frissons d'ombelles ;
I, pourpres, sang craché, rire des lèvres belles
Dans la colère ou les ivresses pénitentes ;
U, cycles, vibrement divins des mers virides,
Paix des pâtis semés d'animaux, paix des rides
Que l'alchimie imprime aux grands fronts studieux ;
O, suprême Clairon plein des strideurs étranges,
Silences traversés des Mondes et des Anges :
O l'Oméga, rayon violet de Ses Yeux !
Arthur Rimbaud, Poésies, septembre 1871
Vocalisations A noir (Un blanc), I roux, U safran, O azur : Nous saurons au jour dit ta vocalisation : A, noir carcan poilu d’un scintillant morpion Qui bombinait autour d’un nidoral impur, Caps obscurs ; qui, cristal du brouillard ou du Khan, Harpons du fjord hautain, Rois Blancs, frisson d’amis ? I, carmins, sang vomi, riant ainsi qu’un lis Dans un courroux ou dans un alcool mortifiant ; U, scintillations, ronds divins du flot marin, Paix du pâtis tissu d’animaux, paix du fin Sillon qu’un fol savoir aux grands fronts imprima ; O, finitif clairon aux accords d’aiguisoir, Soupirs ahurissant Nadir ou Nirvâna : O l’omicron, rayon violin dans son Voir ! Georges Perec: La disparition. Paris: Gallimard 1969.
VOKALISATION A schwarz (dann blank), I rot, O blau, Vokal: Bald künd ich vom Warum, vom Ursprung, vom Woraus. A Bruststück schwarz von Haar an glänzig Mück und Laus, Äks! bäks! pfui! und stinkt im Schwarm ums Aas, ganz fahl. Ist schattig Gras im Golf, Kristall von Dampf und Haus, Harpun von König, Riff, von Scharbockskraut im Tal. I Purpur, Blutsturz, Lust von Mund, unschätzbar schmal im Zorn und auch Im Rausch schon büßt man im Voraus. U Zyklus, Konvulsion, wo Schlick und Flut sich mühn, Doch wonniglich als Ruh auf Flur und Grund mit Kühn und runzlig Ruh auf Stirn; das alchimistisch Glück. O maximal das Horn, von Komik schrillts, wohin? Man hört das Gras, das wächst mit Mond und Sylph darin. O fraglos Imikron und Lilastrahl im Blick. Georges Perec: Anton Voyls Fortgang, übersetzt von Eugen Helmlé. Frankfurt: Zweitausendeins 1986, S. 134.
Solche doppelten lipogrammatischen Übersetzungen erfordern grundsätzliche übersetzerische Entscheidungen: Soll sich der Übersetzer am Rimbaudschen Original orientieren, wie ein Übersetzer dies in Fällen klassischer Intertextualität vermutlich tun würde, oder hat er nicht vielmehr die formgenerierten semantischen Verschiebungen zu berücksichtigen, welche die lipogrammatische Übersetzung bereits in der Perecschen Version auszeichnen? Klar ist, dass im letzteren Fall der Ausgangstext unerkennbar zu werden droht.
Grundsätzlich kann man sagen, dass der Übersetzer zwar durch den lipogrammatischen Formzwang angehalten ist, sich an zahllosen Stellen vom wörtlichen Sinn des Textes zu entfernen und sich Freiheiten zu erlauben, die sich Übersetzer sonst kaum einräumen, dass er aber konstant darauf achten muss, den gewissermaßen metaphorischen Sinn des Romans zu retten. Das hat Helmlé mit beispielloser übersetzerischer Leidenschaft versucht und damit eine Übersetzung geschaffen, der zweifellos der Status eines sprachlichen Kunstwerks eigener Würde zukommt. Dass bereits der Perecsche Originaltext eine deutsche Passage Helmlés enthielt, sei als Kuriosum nur am Rande erwähnt.
Ähnliche Schwierigkeiten wie bei La Disparition stellten sich auch bei der Übersetzung des Perecschen Hauptwerks La vie – Mode d’emploi, dessen Übersetzung durch Helmlé im Jahre 1982 unter dem Titel Das Leben. Gebrauchsanweisung bei Zweitausendeins erschien. Mit diesem Werk hat Perec gewissermaßen ein Kompendium oulipistischer Techniken geschaffen, bei dem der Text durch eine Vielfalt sich überkreuzender poetischer Zwänge determiniert wird. Diese Zwänge werden zwar im Text nicht explizit gemacht, sie sind dafür aber Gegenstand von Hunderten von impliziten Hinweisen. Schon deshalb kann ein genereller Verzicht auf ihre Bewahrung, für den sich etwa Daniella Selvatico Estense in ihrer italienischen Übersetzung entschieden hat, keine befriedigende Option sein.6Dass es umgekehrt problematisch sein kann, die verwendeten Contraintes zu ostentativ in der Übersetzung offenzulegen, zeigt Bernard Magné (1993). Will der Übersetzer diese Zwänge zumindest partiell wahren, so ist er auf eine Zusammenarbeit mit dem Autor angewiesen, wie sie Helmlé und Perec über Jahre hinweg exemplarisch gepflegt haben. Die Schwierigkeiten seiner Unternehmung hat Helmlé (1983) in einem lesenswerten Aufsatz beschrieben, der für Übersetzer in andere Sprachen ebenso Ratgeber geworden sein dürfte, wie die Übersetzungen selbst Vorbild waren.
Die Zusammenarbeit zwischen Helmlé und Perec hat für den Erfolg der Oulipo-Literatur außerhalb Frankreichs eine so grundlegende Bedeutung, dass David Bellos, der wichtigste englische Perec-Übersetzer, in seiner bis heute maßstabsetzenden Perec-Biographie den Kreis um Helmlé in Saarbrücken als eine Oulipo-Filiale bezeichnet und von einem Oulipo an der Saar spricht.7Vgl. Bellos (1993), hier das Kapitel 43 Oulipo an der Saar, S. 344–353. Vermutlich geht der Ausdruck auf Helmlé (2002) selbst zurück. Zweifellos hat Helmlé seine eigene übersetzerische Tätigkeit genau in dieser Weise gesehen und seine Übersetzungen als eine genuine Form oulipistischer Literatur in „Umsetzung“ eines spezifischen sprachlichen Zwanges betrachtet.
Dass die Pariser Oulipo-Literaten diese kreative Leistung der Übersetzung nicht in ihrer ganzen Bedeutung zu würdigen wussten und Helmlé die erhoffte Aufnahme in den Oulipo-Zirkel verweigerten, hat ihn in seinen späteren Jahren wohl einigermaßen verbittert.
In Erinnerung an die Verdienste Helmlés als Übersetzer hat der Saarländische Rundfunk gemeinsam mit der Stiftung des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes im Jahre 2004 den Eugen-Helmlé-Übersetzer-Preis ins Leben gerufen, der jährlich abwechselnd für eine außergewöhnliche literarische Übersetzungsleistung vom Französischen ins Deutsche oder vom Deutschen ins Französische verliehen wird.
Anmerkungen
- 1Die Ergebnisse des Oulipo-Kreises sind dokumentiert in den Sammlungen La littérature potentielle (1973) sowie Atlas de la littérature potentielle (1981). Daneben ist La Bibliothèque oulipienne zu erwähnen, die zunächst bei Seghers und später bei Castor Astral erschien.
- 2Zur Übersetzung von Queneaus Zazie dans le metro vgl. Plard (1985), Wodsack (1994).
- 3Davon zeugt unter anderem auch ein Aufsatz in der Zeitschrift Akzente (Helmlé 1987).
- 4Die Frage der Übersetzung von Perecs Werken ins Deutsche behandelt in einem umfangreichen Kapitel Ariane Steiner (2001).
- 5Obwohl oder gerade weil die Schwierigkeiten einer Übersetzung der Disparition so groß sind, hat dieser Text im Anschluss an die Glanztat Helmlés auch Übersetzungen in zahlreiche weitere Sprachen erfahren (Englisch, Spanisch, Russisch, Schwedisch, Japanisch). Diese Übersetzungen sind wiederholt zum Gegenstand translatologischen Interesses geworden (vgl. Bloomfield 2011).
- 6Dass es umgekehrt problematisch sein kann, die verwendeten Contraintes zu ostentativ in der Übersetzung offenzulegen, zeigt Bernard Magné (1993).
- 7Vgl. Bellos (1993), hier das Kapitel 43 Oulipo an der Saar, S. 344–353. Vermutlich geht der Ausdruck auf Helmlé (2002) selbst zurück.