Johann Georg Adam Forster, 1754–1794
In Biographien wird Georg Forster u. a. als „Weltumsegler und Revolutionär“ (U. Enzensberger 1978), als „Naturforscher des Volks“ (Moleschott 1854) oder als „gelehrter Weltbürger“ (Uhlig 2004) bezeichnet. Eine Monographie über Forster, die das Wort „Übersetzer“ im Titel trägt, gibt es bisher nicht. Dabei hat Forster in seinem knapp 40-jährigen Leben ein beachtliches Œuvre an Übersetzungen geschaffen, die „oft unbemerkt [bleiben] hinter seinen Leistungen als Naturforscher, Gelehrter, Essayist und als Politiker“ (Martin 2007a: 60). In einem Aufsatz mit dem Titel „Die Bedeutung Georg Forsters als Kulturvermittler im Zeitalter der Französischen Revolution“ wird das Thema „Übersetzung“ z. B. nur in einer Fußnote gestreift (Grosser 1993: 223).
Johann Georg Adam Forster wurde am 27. November 1754 als Sohn des Dorfpfarrers Johann Reinhold Forster im damals noch polnischen Nassenhuben bei Danzig geboren. Bereits mit zehneinhalb Jahren begleitete er seinen Vater auf einer Reise zu den unter Katharina II. angelegten deutschen Siedlungen an der unteren Wolga, wo J. R. Forster im Auftrag der russischen Regierung und der Petersburger Akademie die Situation der Kolonisten, aber auch die geographischen und geologischen Bedingungen, Bodenbeschaffenheit, Flora und Fauna erkunden sollte. Zurück in Petersburg besuchte Georg Forster für sieben Monate die Petrischule, der einzige Schulbesuch seines Lebens. 1766 siedelten Vater und Sohn nach England über, während der mehrwöchigen Seereise erlernten die beiden im Umgang mit den Seeleuten das Englische. In England veröffentlichte Georg unter dem Namen George Forster auch seine erste Übersetzung. 1772 bis 1775 nahm Forster, ebenfalls mit seinem Vater, an der zweiten Weltumseglung James Cooks teil, aus der u. a. eine Reisebeschreibung hervorging, die ihn früh berühmt machte und bis heute immer wieder aufgelegt wird. Weitere Reisen führten ihn zunächst zurück nach England (1775), dann nach Paris (1777), bevor er 1778 eine Professur für Naturkunde in Kassel antrat. 1784 folgte er einem Ruf an die neue Universität im polnischen Wilna. 1785 heiratete er Therese Heyne, Tochter des bekannten Göttinger Philologen Christian Gottlob Heyne. 1788 kehrte Forster nach Deutschland zurück, wurde Direktor der Universitätsbibliothek im kurfürstlichen Mainz und intensivierte seine schriftstellerische Tätigkeit. 1790 führte ihn in Begleitung des jungen Alexander von Humboldt eine längere Reise an den Niederrhein, in die Niederlande, nach England und Frankreich. Als Anhänger der Französischen Revolution spielte Forster eine tragende Rolle in der Mainzer Republik 1792–1793. Im März 1793 reiste er als Mainzer Abgeordneter nach Paris und hielt eine Rede vor der Nationalversammlung. Seit seiner Weltreise gesundheitlich angeschlagen, starb er am 10. Januar 1794 in Paris.
Durch seine ausgeprägte Reisetätigkeit und intensive Lektüre fremdsprachiger Texte erwarb Forster umfassende Sprachkenntnisse. Seine eigenen Kenntnisse stufte er in einem Schreiben aus dem Jahr 1787 folgendermaßen ein:
Ich kann soviel Latein, als man heutzutage von einem Gelehrten fordert… Deutsch, Französisch und Englisch spreche und schreibe ich geläufig. Holländisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Schwedisch, lese ich, und kann es verstehen. vom polnischen habe ich einige Kenntniss, und vom russischen die Anfangsgründe inne… (zit. nach Harpprecht 1987: 372)
Ein besonderes Verhältnis verband ihn mit der englischen Sprache, die ihm während seines Englandaufenthaltes zur zweiten Muttersprache wurde – oder besser zur Vatersprache, denn sein Vater war auch sein Lehrer (vgl. ebd.: 34) – und in der er sich in jungen Jahren gewandter ausdrücken konnte als im Deutschen. Sehr gut waren auch seine Französischkenntnisse, was ihm während der Revolutionszeit zugute kam.
Übersetzungen dienten Georg Forster und seiner Familie über längere Zeit vor allem als Broterwerb. Die ersten Übersetzungen entstanden meist in Kooperation mit seinem Vater Johann Reinhold Forster, wurden z. T. auch unter dessen Namen publiziert. Später übersetzte Forster u. a. in Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau Therese, dem gemeinsamen Freund (und Thereses späteren Ehemann) Ludwig Ferdinand Huber sowie Sophie Margareta (genannt Meta) Forkel (später verheiratete Liebeskind) (vgl. Scherl 2014). Harpprecht spricht gar von der „Übersetzungsfabrik der Familie Forster“ (Happrecht 1987: 425). In ihrer Studie zu Forster als Übersetzer umschreibt Geneviève Roche seinen Anteil an der Übersetzungsproduktion wie folgt: „Die ‚Fabrik‘ mag sich […] auf Fremdleistungen gestützt haben, als reiner Strohmann hat Forster dennoch nie fungiert“ (Roche 1994: 106). Die Übersetzungsarbeit war ihm vor allem Joch und Last: In einem Brief an seinen Schwiegervater schrieb er 1790 aus London, wo er „vom König in Beziehung auf meine unbelohnt gebliebene Reise“ noch Unterstützung zu erlangen hoffte:
Mein Wunsch dabei war nur, mich aus dem Übersetzerjoch zu ziehen und so viel zu gewinnen, daß ich an eignen Arbeiten mit Muße ein paar Jahre feilen könnte. Vielleicht bringe ich noch die Aussicht mit nach Hause, daß ich eine geographische Geschichte der Inselwelt (alle ostindische und Südseeinseln) englisch ausarbeiten kann und daß mir die Mühe gelohnt wird. Doch auch dies ist nur ein Vielleicht! (Forster 1970: 605).
Forster hat überwiegend aus dem Englischen und dem Französischen, vereinzelt auch aus anderen europäischen Sprachen (Russisch, Niederländisch, Schwedisch) ins Deutsche übersetzt, sowie aus dem Deutschen oder Französischen ins Englische. Vor allem übersetzte er Reiseberichte, aber auch Fachtexte aus verschiedenen Gebieten. Die Übersetzung literarischer Werke spielte nur eine untergeordnete Rolle.
Die erste Übersetzung, mit der Georg Forster im Alter von knapp 13 Jahren an die Öffentlichkeit trat, war die 1767 in London erschienene englische Übersetzung von Kratkoj rossijskoj letopisec s rodosloviem, einer kurzen Monographie zur russischen Geschichte von Michail Lomonosov. Mit Unterstützung seines Vaters schrieb Forster die Geschichte, die im Original bis zum Jahr 1725 reichte, bis in die Gegenwart fort (vgl. Prijma 1970: 81ff, Harpprecht 1987: 59 ff.). Bemerkenswert an dieser Übersetzung ist u. a., dass sie tatsächlich auf dem russischen Original beruht und nicht auf der bereits veröffentlichten deutschen Übersetzung von Peter von Staehlin.1Johann Reinhold Forster und die Familie des deutsch-russischen Staatsrats Jacob von Staehlin waren befreundet (vgl. Prijma 1970: 84). Von dem Sohn Peter von Staehlin stammt die erste deutsche Übersetzung des Letopisec (Kurzgefaßtes Jahr-Buch der Russischen Regenten, übersetzt von Peter von Staehlin. Copenhagen und Leipzig: Pelt 1765). Wie der sowjetische Literaturwissenschaftler Prijma in seiner Studie zu dieser Übersetzung meint, verwendet Forster bei der Wiedergabe russischer Eigennamen phonetisch und etymologisch präzisere Entsprechungen als P. v. Staehlin (Prijma 1970: 87).
Die weiteren Übersetzungen Forsters sollen im Folgenden nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern thematisch gegliedert präsentiert werden, was freilich nur in exemplarischer Weise geschehen kann.
Zunächst zu den Reiseberichten: Hier sticht eine Übersetzung besonders hervor, da es sich um die Selbstübersetzung seines bis heute bekanntesten Werkes handelt: Die Voyage around the World (1777), d. h. den Reisebericht über die zweite Weltumsegelung James Cooks, bei der Georg Forster seinen Vater Johann Reinhold Forster begleitet hat. Der vollständige Titel der 1778 und 1780 in zwei Bänden in Berlin erschienenen deutschen Übersetzung gibt einen ersten Einblick in die nicht ganz einfache Entstehungsgeschichte:
Johann Reinhold Forster’s […] Reise um die Welt während den Jahren 1772 bis 1775 in den von seiner itztregierenden Großbrittannischen Majestät auf Entdeckungen ausgeschickten und durch den Capitain Cook geführten Schiffe the Resolution unternommen. Beschrieben und herausgegeben von dessen Sohn und Reisegefährten George Forster […]. Vom Verfasser selbst aus dem Englischen übersetzt, mit dem Wesentlichsten aus des Capitain Cooks Tagebüchern und andern Zusätzen für den deutschen Leser vermehrt und durch Kupfer erläutert.
Johann Reinhold Forster, der den Bericht zunächst selbst schreiben sollte, sich aber dann wegen Streitigkeiten über Änderungen im Text mit der britischen Admiralität überworfen hatte, war im englischen Original nicht im Titel erwähnt worden. Der Sohn nutzte die Übersetzung, um durch die Nennung seines Vaters „früheres Unrecht wieder gut zu machen“ (Martin 2007b: 1639). Was im Titel der deutschen Übersetzung allerdings nicht erwähnt wird, ist die Tatsache, dass Johann Reinhold Forster sowie Rudolf Erich Raspe an der Übersetzung mitgewirkt haben. Obwohl dieser Reisebericht Georg Forster berühmt machte, stand er zunächst unter keinem guten Stern: Die umfangreiche englische Originalfassung entstand unter großem Zeitdruck, da sie auf Drängen von Forsters Vater vor Cooks Aufzeichnungen erscheinen sollte. Georg Forster schrieb später, er habe sich dabei „krank gearbeitet“ (AA XIII: 77, zit. nach Goldstein 2015: 41). Eine zunächst von Johann Reinhold Forster geplante französische Übersetzung, die zeitgleich mit dem Original erscheinen sollte, fiel der französischen Zensur zum Opfer (vgl. Gilli 1975: 25). Die deutsche Übersetzung erschien deutlich später als geplant. Erweitert wurde sie um eine historische Einleitung, die vermutlich von Johann Reinhold Forster stammt. Insofern sie Aussagen des Originals offenkundig ins Gegenteil verkehrt – während hier Forster die Bewohner der Insel Mallicollo „einen Moment lang (beinahe) für Affen“ gehalten haben will, verurteilt er dort gerade die „ill-natured comparison between them and monkeys“ (Uhlig 2013: 138) – gilt die Übersetzung als „höchst unzuverlässig und lückenhaft“ (ebd.: 137).2Uhlig, der diese Behauptung nur mit wenigen Beispielen belegt, betont allerdings auch, dass ein „gründlicher, philologisch kompetenter Vergleich der beiden Fassungen ein dringendes Desiderat der Forster-Forschung [ist]“ (Uhlig 2013: 138), zumal sich die gegenwärtige Forster-Forschung fast ausnahmslos auf die deutsche Übersetzung stütze. Neben Forsters deutscher Übersetzung erschienen innerhalb weniger Jahre zwei Übersetzungen ins Französische sowie Übersetzungen ins Schwedische, Niederländische und ins Russische (letztere auf der Basis des Französischen) (vgl. Schippel 2019: 209). Zur kollektiven Wissensproduktion im Zusammenhang mit der zweiten Cook-Expedition vgl. auch Mariss (2014). Die Reise um die Welt machte jedenfalls den 23-jährigen Forster in kürzester Zeit zu einem der angesehensten und meistgelesenen deutschen Schriftsteller, der als Gesprächs- bzw. Briefpartner von Wieland, Herder, Goethe, Schiller usw. geschätzt wurde.
Auch an der Vermittlung von James Cooks dritter Weltreise war Georg Forster beteiligt. Er übersetzte das im Original 1784 unter dem Titel A Voyage to the Pacific Ocean erschienene Werk ins Deutsche (1787–1788). Bei der Übersetzung unterstützte ihn seine damals 22-jährige Frau Therese. Sie fertigte eine Teilübersetzung an, mit deren Qualität Forster jedoch nicht zufrieden war. Zunächst unternahm er „Rasuras und Correcturas ohne Zahl“ (AA V: 722), dann entschied er sich, die Übersetzung selbst noch einmal anzufertigen, wie er in einem Brief an den Verleger Spener erläuterte: „Meine gute Therese hat gewis die beste Absicht gehabt; allein es geht nicht nur geschwinder, noch einmal zu übersetzen, als ihre Uebersetzung zu ändern, sondern das Publikum gewinnt auch mehr dabey“ (AA V: 722). Ähnlich war es bereits mit dem ersten Teil der Reisebeschreibung gegangen, den Forster an seinen Schwager Christian Matthias Sprengel in Halle abgegeben hatte: „Forster sah sich gezwungen, Sprengels ‚klägliche Übersetzung‘ – ‚darüber corrigiere ich mich schier zu Tode‘ – von neuem anzufertigen“ (Horst Fiedler, AA V: 718). Die Zuarbeiten durch seine Frau und seinen Schwager sollten ursprünglich nicht nur dazu dienen, die Publikation der Übersetzung zu beschleunigen; Forster ging es vor allem darum, sich auf seine Einleitung Cook der Entdecker zu konzentrieren, die später als eigenständiges Essay einen so großen Bekanntheitsgrad erlangte, dass sie in mehrere Werksausgaben aufgenommen wurde. Im Gegenzug wurden eine Reihe von Kürzungen vorgenommen: Gestrichen wurde nicht nur die nach Forsters Ansicht „unerträgliche Introduction“ des Originals, sondern auch ein Großteil der „langweiligen Anmerkungen“ (AA V: 719).
Auch bei anderen Übersetzungen von Reiseberichten hat Georg Forster Kürzungen und Ergänzungen vorgenommen, so bei der deutschen Übersetzung von George Keates Robinsonade An Account of the Pelew Islands, situated in the Western Part of the Pacific Ocean (1788, dt. 1789). Gestrichen wurden beispielsweise „einige entbehrliche Auswüchse der Vorrede, und einige nautische Details […], die dem Mittelländer nicht wichtig sind“ (AA V: 332, zit. nach Stummann-Bowert 2004: 187). Demgegenüber fügte Forster zahlreiche Fußnoten ein, in denen er nicht nur geographische, botanische oder zoologische Details erläuterte, sondern auch und vor allem seine „Thesen bezüglich der Menschheitsentwicklung zu verbreiten“ suchte (Martin 2007b: 1638). Ähnlich verfuhr Forster bei Thomas Forrests Voyage to Guinea (1779, dt. 1782). Wenn Forster diese einerseits stark gekürzt, andererseits aber um Passagen aus anderen Reiseberichten, darunter auch aus der eigenen Reise um die Welt ergänzt hat, dann wohl deshalb, weil er „den Leser mit seiner Fachkenntnis beeindrucken und die Autorität seiner eigenen Reise um die Welt betonen“ wollte (Martin 2007a: 72).
Neben mehreren monographischen Übersetzungen von Reiseberichten hat Forster ab Ende der 1780er Jahre auch einige kürzere Übersetzungen für die von M. Ch. Sprengel herausgegebene Zeitschrift Neue Beiträge zur Völker- und Länderkunde vorgelegt (vgl. Bibliographie). Diese waren für Forster ökonomisch lohnender als die großen und aufwändigen monographischen Übersetzungen: „Wenn Forster jemals Übersetzungen lieferte, die den Namen ‚Brotarbeiten‘ verdienen, so sind es seine Arbeiten für Sprengel“ (Horst Fiedler, AA V: 770).
Neben Reiseberichten, die den weitaus umfangreichsten Teil von Forsters übersetzerischem Œuvre ausmachen, hat Forster in geringerem Umfang auch Fachtexte anderer Gattungen übersetzt, darunter einen Band der Naturgeschichte der vierfüßigen Tiere des berühmten französischen Gelehrten Buffon. Seine Übersetzung ergänzte Forster durch zahlreiche Anmerkungen, die er vor allem zu Richtigstellungen nutzte und in die er, ähnlich wie bei den Reiseberichten, sein eigenes Fachwissen einfließen ließ. Dazu heißt es in seinem „Vorbericht“:
Eine knechtische, wörtliche Uebersetzung halte ich für weniger zweckmäßig, als eine solche, wodurch man hauptsächlich den Sinn des Verfassers zu treffen und treulich überzutragen sucht. Ich habe mich, soviel ich gekonnt, der letzteren beflissen, damit ich den Schriften eines Büffon ihren größten Werth nicht raubte. Die beygefügten Anmerkungen und Zusätze, enthalten großentheils nur Berichtigungen, welche ich oft aus den neueren Werken des Herrn von Büffon selbst geschöpft habe. Zur Tadelsucht wird man es mir doch nicht auslegen, daß ich hie und dort die Hypothesen dieses großen Mannes zu bestreiten gewagt habe. (AA VI/1: 683)
Aus dem Bereich der schönen Literatur ist lediglich eine Übersetzung zu vermelden: das altindische Drama Sakontala des Dichters Kalidasa.3Kalidasa lebte im 4. und 5. Jh. n. Chr. Zu Forsters Lebzeiten ging man davon aus, dass er im 1. Jh. v. Chr. gelebt hatte (AA VII: 481). Die Entstehungsgeschichte dieser Übersetzung ist recht komplex. Das Stück wurde zunächst von dem englischen Kolonialbeamten und Orientalisten William Jones mit Hilfe eines Brahmanen aus dem Sanskrit und Prakrit ins Lateinische und anschließend ins Englische übersetzt. Die 1789 erschienene englische Version diente dann als Vorlage für Forsters deutsche Fassung (vgl. Gerhard Steiner, AA VII: 478). Er interessierte sich für dieses Drama nicht primär aus literarischer Perspektive, vielmehr schien es ihm vor allem „für den Menschenforscher […] einen entschiedenen Werth“ zu haben (AA VII: 481). Dieses besondere Interesse schlägt sich auch in Forsters Übersetzung nieder. Er bereicherte seine Übersetzung durch „ein 117 Seiten umfassendes Glossar, das fast ausschließlich ethnographische Besonderheiten Indiens verzeichnet und erläutert“ (Roche 1994: 114). Im Übrigen hielt sich Forster notgedrungen an die ungebundene Rede der englischen Prosaübersetzung, wenngleich das indische Original in Versen verfasst war. Die Wirkungsgeschichte von Forsters Übersetzung, die 1791 bei dem Mainzer Buchhändler Johann Peter Fischer erschien, ist beachtlich (vgl. Gerhard Steiner, AA VII: 487 ff. und Steiner 1977: 102–104). An dieser Stelle sei lediglich auf einen Brief Herders verwiesen, in dem er sich im November 1791 bei Forster für die Übersetzung bedankt:
Angenehmer als dies ist mir soleicht keine Production des menschlichen Geistes gewesen, u. eine so unerwartete Production, eine wahre Blume des Morgenlandes, und die Erste, schönste ihrer Art. Was ich davon halte, werde ich im 4. Theil der zerstreuten Blätter, der Ostern herauskommt, sagen; und ich hoffe, daß Sie damit zufrieden seyn werden. Sie sind glücklich, daß Sie mir ein solches Geschenk geben konnten, und Sie haben es uns so trefflich gegeben. Selbst Engländerinnen sagen, daß es sich schöner im Deutschen als im Englischen lese. So etwas erscheint freilich nur alle 2000. Jahre einmal. (Herder 1981: 260)
Forster hat nicht nur eigene Übersetzungen erstellt (teils mit Unterstützung seiner Ehefrau Therese und anderer Mitarbeiter seiner „Übersetzerfabrik“), er arbeitete während seiner Mainzer Zeit auch als Revisor, Herausgeber oder Vorwortautor fremder Übersetzungen – nicht ohne ökonomisches Kalkül. Sein berühmter Name garantierte der betreffenden Übersetzung eine gesteigerte Aufmerksamkeit beim Publikum, die Namen der Übersetzer erschienen erst gar nicht in der Titelei. Dies gilt u. a. für eine Übersetzung, die Meta Forkel verfasst, Forster hingegen nur revidiert und herausgegeben hat: die 1790 erschienenen Bemerkungen auf einer Reise durch Frankreich, Italien und Deutschland von Esther Lynch Piozzi. Aus dem Englischen mit einer Vorrede und Anmerkungen von Georg Forster (AA V: 771). Man ist versucht, die Nicht-Nennung der Übersetzerin auf deren Geschlecht zurückzuführen – einem männlichen Übersetzer ging es jedoch ganz ähnlich: William Robertsons Abhandlung An historical disquisition concerning the knowledge which the ancients had from India wurde noch im Jahr ihres Erscheinens (1792) von dem Berliner Schriftsteller Johann Daniel Sander übersetzt. Da Forsters Name ungleich bekannter war, wurde nur dieser im Titel genannt: „Aus dem Englischen, mit einer Vorrede von Georg Forster“ (AA V: 808).
Für die von ihm herausgegebenen Übersetzungen schrieb Forster Vorreden, in denen er sich in der Regel weniger zur Übersetzungsproblematik äußerte, sondern inhaltlich zu den Werken Stellung bezog. Besonders heikel war dies bei Forsters (nicht signierter) Vorrede zu Meta Forkels Übersetzung von Thomas Paines The Rights of Man (1791, dt. 1792)4Anfang Juni 1791 schrieb Forster aus Mainz an den Verleger Voß: „Ich habe aus England eine bewunderungswürdige Schrift von Thomas Paine dem Amerikaner, dem berühmten Verfaßer des Common sense erhalten. Sie heißt The Rights of Man – – – Sie ist so demokratisch, daß ich sie wegen meiner Verhältniße nicht übersetzen kann. Madame Forkel übersetzt sie und ich will sie ihr revidiren. – – – Wollen Sie die Uebersetzung in Ihren Verlag nehmen?“ (Zit. nach U. Enzensberger 1996: 211):
Forster verfolgte bei Abfassung seiner „Vorrede“ zu Paine mehrere Ziele: Einerseits wollte er Paines The Rights of Man, die die Französische Revolution verteidigten, eindeutig von Edmund Burkes die revolutionäre Erhebung in Frankreich diskriminierendemn Buch Reflections on the Revolution in France (das bereits in deutscher Übersetzung vorlag) abheben und Paines Schrift als eine getreue und positive Darstellung der Situation in Frankreich vorstellen, andererseits mußte er sich bemühen, den ‚Censuren‘ keinerlei Handhabe zu geben, gegen die Veröffentlichung des Buches gerichtlich vorzugehen und den Vertrieb in den deutschen Ländern zu verbieten. (Siegfried Scheibe, AA VIII: 436)
Nicht nur als Übersetzer und Herausgeber, auch als Rezensent war Forster produktiv. Für die Zeitschriften Critical Review, Göttingische Anzeigen, Hessische Beiträge und Allgemeine Literatur-Zeitung (Horst Fiedler, AA XI: 384) verfasste er zahlreiche Rezensionen, insbesondere zu englischsprachigen Reiseberichten:
[…] von den 48 Titeln [= englischen Reisebeschreibungen], die Forster von 1788 bis 1791 bespricht, sind 27 Voyages of Discovery in außereuropäische Kontinente oder Länder, 10 europäische Grand Tours und 11 britische Home Tours. (Peitsch 2004: 110)
Wie in Forsters Vorreden geht es in seinen Rezensionen meist um die Inhalte der besprochenen Werke und nur am Rande um das Problem des Übersetzens. Eine Sonderrolle nimmt in diesem Zusammenhang eine frühe Schrift Forsters ein, das Sendschreiben eines Freundes in London an den Übersetzer, das 1771 als Anhang der Nachricht von den neuesten Entdeckungen der Engländer in der Süd-See erschien, einer Übersetzung eines anonymen englischen Reiseberichts, die der Verleger Johann Ph. K. Spener besorgt hatte (AA V: 680). In seiner anonym veröffentlichten Übersetzungskritik lobt der 16-jährige Forster die Qualität der Übersetzung und kritisiert gleichzeitig das Niveau des Übersetzungswesens in Deutschland:
Ich habe Ihre Übersetzung mit vielem Vergnügen gelesen und wünsche, unser Deutschland möge viele so gewissenhafte Übersetzer haben als Sie sind; so würde man doch wenigstens getreue Übersetzungen bekommen, die zugleich unsere Sprache mit manchen neuen Ausdrücken (wie die Ihrige das Seewesen betreffende) entweder bereicherten, oder doch gute alte wieder in Gang brächten. (AA V: 13)
Umfangreichere übersetzungstheoretische Schriften hat Forster nicht hinterlassen. Jörg Esleben hat einschlägige Passagen aus verschiedenen Schriften zusammengetragen und dabei einen interessanten Widerspruch herausgearbeitet: In der Rede Über das Verhältnis der Mainzer gegen die Franken, die Forster am 15. November 1792 vor der „Mainzer Gesellschaft der Volksfreunde“ hielt, findet sich die folgende, optimistische Aussage hinsichtlich der Möglichkeiten des Übersetzens:
Unsere Sprachen sind verschieden; – müssen es darum auch unsere Begriffe sein? Sind Liberté und Égalité nicht mehr dieselben Kleinode der Menschheit, wenn wir sie Freiheit und Gleichheit nennen? Seit wann hat es die Verschiedenheit der Sprachen unmöglich gemacht, demselben Gesetz zu gehorchen? (AA X/1: 13f., zit. nach Esleben 2004: 177)
In dem 1795 postum erschienenen Fragment Kann die Welt je ganz vernünftig und durch Vernunft glücklich werden? wird eine ähnliche Fragestellung dagegen dezidiert pessimistisch beantwortet:
Wie können Menschen gemeinschaftlich wirken, wo eine Babylonische Verwirrung die Sprachen herrscht! Unter den wichtigsten Abstraktionen, Gott, Seele, Unsterblichkeit, Tugend, Freyheit, Vernunft, Verstand – verstehen die Menschen nicht einerley, und diese Verschiedenheit der Deutung, die sie den Worten geben, wirkt zurück auf ihre Handlungen. (AA VIII: 358, zit. nach Esleben 2004: 178)
Esleben greift die geläufige translationshistoriographische Einteilung auf und bemerkt hierzu: „Forsters Äußerungen fallen in und verkörpern die Umbruchsphase zwischen aufklärerischer und romantischer Übersetzungstheorie“ (2004: 167). Weder die eine noch die andere Position hat Forster jedoch näher ausgearbeitet.
Zwar war Forster kein ausgeprägter Übersetzungstheoretiker, aber ein – gemessen an dem geringen Lebensalter, das er erreichte – sehr produktiver und insbesondere für das Genre der Reisebeschreibungen auch sehr wichtiger Übersetzer. Für die weitere Forschung wäre es u.a. interessant, die Arbeit von Forsters „Übersetzungsfabrik“ näher zu untersuchen, insbesondere im Hinblick auf die Rolle der einzelnen „Fabrikarbeiterinnen“ (u. a. Therese Forster und Meta Forkel). Hierzu hat Roche (1994) eine erste, verdienstvolle Studie vorgelegt. Untersuchenswert dürfte auch sein, wie die Nachwelt Forsters übersetzerisches Lebenswerk beurteilt hat; dominiert hier die z. B. in Ina Seidels viel gelesenem „Lebensroman des George Forster“ 1922 verbreitete Auffassung, dass „endlose Übersetzungen, endlose, endlose Lohn- und Fronschreiberei“ (Seidel 1983: 368) Forster daran gehindert haben sollen, durch eigene Werke in die erste Reihe der deutschen Dichter und Denker der Goethe-Zeit aufzurücken? Und schließlich könnte genauer erforscht werden, wie sich Forsters natur- und geschichtsphilosophische bzw. gesellschaftspolitische Einsichten auf sein übersetzerisches Handeln ausgewirkt haben.5Dieser Aspekt bleibt leider auch ausgespart in Gordon A. Craigs die politischen Ansichten Forsters umfassend analysierendem Essay Ein deutscher Jakobiner: Georg Forster (1993).
Anmerkungen
- 1Johann Reinhold Forster und die Familie des deutsch-russischen Staatsrats Jacob von Staehlin waren befreundet (vgl. Prijma 1970: 84). Von dem Sohn Peter von Staehlin stammt die erste deutsche Übersetzung des Letopisec (Kurzgefaßtes Jahr-Buch der Russischen Regenten, übersetzt von Peter von Staehlin. Copenhagen und Leipzig: Pelt 1765).
- 2Uhlig, der diese Behauptung nur mit wenigen Beispielen belegt, betont allerdings auch, dass ein „gründlicher, philologisch kompetenter Vergleich der beiden Fassungen ein dringendes Desiderat der Forster-Forschung [ist]“ (Uhlig 2013: 138), zumal sich die gegenwärtige Forster-Forschung fast ausnahmslos auf die deutsche Übersetzung stütze. Neben Forsters deutscher Übersetzung erschienen innerhalb weniger Jahre zwei Übersetzungen ins Französische sowie Übersetzungen ins Schwedische, Niederländische und ins Russische (letztere auf der Basis des Französischen) (vgl. Schippel 2019: 209). Zur kollektiven Wissensproduktion im Zusammenhang mit der zweiten Cook-Expedition vgl. auch Mariss (2014).
- 3Kalidasa lebte im 4. und 5. Jh. n. Chr. Zu Forsters Lebzeiten ging man davon aus, dass er im 1. Jh. v. Chr. gelebt hatte (AA VII: 481).
- 4Anfang Juni 1791 schrieb Forster aus Mainz an den Verleger Voß: „Ich habe aus England eine bewunderungswürdige Schrift von Thomas Paine dem Amerikaner, dem berühmten Verfaßer des Common sense erhalten. Sie heißt The Rights of Man – – – Sie ist so demokratisch, daß ich sie wegen meiner Verhältniße nicht übersetzen kann. Madame Forkel übersetzt sie und ich will sie ihr revidiren. – – – Wollen Sie die Uebersetzung in Ihren Verlag nehmen?“ (Zit. nach U. Enzensberger 1996: 211)
- 5Dieser Aspekt bleibt leider auch ausgespart in Gordon A. Craigs die politischen Ansichten Forsters umfassend analysierendem Essay Ein deutscher Jakobiner: Georg Forster (1993).